Corona-Aktuell: EU-Länder greifen hart durch
8. November 2020Im Kampf gegen die Corona-Pandemie gilt in weiten Teilen Portugals ab Montag eine nächtliche Ausgangssperre. Betroffen seien 121 der 308 Kommunen, darunter auch die Hauptstadt Lissabon sowie die nordportugiesische Metropole Porto, kündigte Ministerpräsident Antonio Costa an. Zudem sollten die Menschen an den nächsten beiden Wochenenden zwischen 13.00 Uhr und 5.00 Uhr morgens ihre Häuser nicht verlassen.
Der einzige Weg, die Pandemie unter Kontrolle zu bringen, sei ein Verzicht auf soziale Zusammenkünfte, betonte Costa. Mit den neuen Auflagen solle ein strenger Lockdown wie im Frühjahr vermieden werden. Erst am Freitag hatte Präsident Marcelo Rebelo de Sousa erneut den Gesundheitsnotstand ausgerufen. In Portugal hat sich die Zahl der täglichen Neuinfektionen seit Anfang Oktober auf rund 6000 verdreifacht.
Auch in Italien gilt seit Freitag wieder eine nächtliche Ausgangssperre von 22.00 bis 5.00 Uhr. In dem von der ersten Welle besonders hart getroffenen Land gelten jetzt drei Risikostufen: rot, orange und gelb - je nach Infektionsgeschehen. Vier Regionen sind derzeit rot (Lombardei, Piemont, Aostatal, Süd-Kalabrien). Dort dürfen die Menschen ihr Haus auch tagsüber nur verlassen, um zur Arbeit, zum Arzt oder in den Supermarkt zu gehen.
Italiens Regierung hat zudem neue Hilfsmaßnahmen für Unternehmer und Arbeitnehmer beschlossen, die von den Auswirkungen der Pandemie besonders hart betroffen sind. In der Nacht zum Samstag verabschiedete das Kabinett ein Hilfspaket, das unter anderem Steuererleichterungen, Kredite, Zahlungsaufschübe und Zuschüsse vorsieht.
Lockdown in Griechenland
Kaum ein Land in Europa kann sich harten Maßnahmen entziehen. Am härtesten trifft es jedoch die Bevölkerung Griechenlands. Seit Samstagmorgen gilt im ganzen Land ein dreiwöchiger Lockdown. Bis auf lebenswichtige Geschäfte wie Supermärkte ist alles geschlossen. Wer einkaufen oder zum Arzt gehen will, muss die Behörden per SMS informieren. Von 21.00 bis 5.00 Uhr dürfen die Menschen ihre Häuser gar nicht verlassen.
Kitas und Grundschulen sollen vorerst weiter geöffnet bleiben. Alle übrigen Schulen und Bildungseinrichtungen werden ihre Tore erst in drei Wochen wieder öffnen. Der Vorsitzende einer Sekundarschullehrergewerkschaft, Theodoros Tsouchlos, befürchtet, dass die Schulen letztendlich noch viel länger geschlossen bleiben müssen. Der Regierung in Athen wirft er vor, auf die zweite Infektionswelle schlecht vorbereitet gewesen zu sein. Dabei hätten die Lehrerverbände bereits im Sommer Vorschläge unterbreitet, um Schulschließungen zu vermeiden.
In Frankreich sind inzwischen mehr als 40.000 Menschen infolge der Coronavirus-Pandemie gestorben. Nach Angaben der Gesundheitsbehörden vom Samstagabend sind seit dem Frühjahr mindestens 40.169 Erkrankte ums Leben gekommen. In den vergangenen 24 Stunden seien in den Krankenhäusern mehr als 300 Corona-Tote gezählt worden.
Angesichts der weiterhin beunruhigenden Lage stimmte Frankreichs Parlament endgültig der Verlängerung des Gesundheitsnotstands zu. Die Abgeordneten der Nationalversammlung votierten mehrheitlich für eine Verlängerung bis zum 16. Februar. Der Gesundheitsnotstand schafft den gesetzlichen Rahmen, um Einschränkungen per Verordnung durchzusetzen.
Seit Ende Oktober gilt in Frankreich ein erneuter Lockdown zur Eindämmung der Pandemie. Die Menschen haben nur eine Stunde täglich Zeit fürs Einkaufen, den Gang zum Arzt oder einen Spaziergang im Umkreis von einem Kilometer um die Wohnung. Schulen und Kitas sind aber weiterhin geöffnet. Auch viele Wirtschaftszweige wie das Baugewerbe müssen nicht pausieren.
Neue Einreisebestimmungen für Deutschland
In Deutschland gelten seit diesem Sonntag neue Einreisebestimmungen. Reisende aus Risikogebieten müssen sich online anmelden. Im Gegenzug wird die Quaratäne auf zehn Tage verkürzt. Die bisher gültige vierzehntägige Pflichtquarantäne wurde durch die neue Regelung abgelöst. Sollte der oder die Betroffene "frühestens ab dem fünften Tag nach der Einreise" einen negativen Corona-Test vorlegen können, kann die Pflichtquarantäne verkürzt werden, heißt es in der Vorlage der Bundesregierung.
Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldete für Deutschland am Sonntagmorgen 16.017 Neuinfektionen. Das ist deutlich weniger als der Höchstwert von 23.399, der am Samstag verzeichnet worden war. Allerdings fallen die Zahlen am Sonntag in der Regel niedriger aus, da die Gesundheitsämter am Wochenende häufig nicht alle Daten übermitteln. Den neuen Angaben zufolge starben weitere 63 Menschen an oder mit dem Virus. Die Zahl der Todesfälle erhöhte sich damit auf 11.289.
Nach Informationen der "Bild am Sonntag" bereitet sich das Gesundheitsministerium inzwischen auf die Verteilung eines Corona-Impfstoffes vor. Dem Zeitungsbericht zufolge soll das Ministerium die Bundeswehr um Amtshilfe zur Lagerung des Medikaments gebeten haben. Wenn der Impfstoff vorliegt, solle er in mehreren Kasernen zwischengelagert und von dort an deutschlandweit 60 Impfzentren geliefert werden.
Bundeskanzlerin Angela Merkel will den dringend erwarteten Impfstoff dann zunächst zum Schutz des Gesundheitssystems selbst einsetzen. In einem Video, in dem sie auf Bürgerfragen antwortete, erklärte Merkel, Pflegekräfte, Ärzte und Menschen, die zu einer Risikogruppe gehören, sollten zuerst geimpft werden. "Das sind dann allerdings schon recht viele in unserem Land", so die Kanzlerin weiter. Die Regierung stehe in dieser Frage mit der Ständigen Impfkommission, der Wissenschaftsakademie Leopoldina und der Ethikkommission im Austausch. Niemand werde zu einer Impfung gezwungen, stellte Merkel klar.
Einer neuen Studie zufolge hat sich in Deutschland das Einkaufsverhalten in den vergangenen Monaten deutlich verändert. Wie das Marktforschungsunternehmen Nielsen berichtet, gehen die Menschen seltener als früher in die Supermärkte. Dafür fallen die Einkäufe meist größer aus. Gerade Familien mit jungen Kindern seien häufig dazu übergegangen, am Wochenende ihren Bedarf möglichst auf einmal einzukaufen.
Vom veränderten Einkaufsverhalten profitieren laut Nielsen vor allem kleine Verbrauchermärkte und so genannte Vollsortimenter. Eher zu den Verlierern zählen dagegen die Drogeriemärkte, denn das Interesse an Produkten zur Körper- und Schönheitspflege habe seit Ausbruch der Corona-Krise deutlich nachgelassen.
Israel lockert die Einschränkungen
Während die Infektionszahlen in Europa für eine Verschärfung der Maßnahmen sorgen, stehen die Zeichen in Israel auf Lockerung. Mitte September war in dem Land ein zweiter Lockdown verhängt worden. Nun wurden die Corona-Beschränkungen teilweise zurückgenommen, Straßengeschäfte dürfen seit diesem Sonntag wieder geöffnet werden. In diesen kleinen Läden, die von der Straße aus zugänglich sind, dürfen sich allerdings nie mehr als vier Kunden gleichzeitig aufhalten. Geschäfte in Einkaufszentren müssen weiter geschlossen bleiben.
Die Pandemie verlief in Israel zunächst glimpflich. Nach Lockerungen und einem massiven Anstieg der Fallzahlen sah sich die Regierung allerdings gezwungen, Mitte September einen zweiten Lockdown zu verhängen. Auch wenn dadurch große Erfolge bei der Bekämpfung der Verbreitung des Virus erzielt werden konnten, sollen Lockerungen nur schrittweise erfolgen, um einen schnellen Wiederanstieg der Infektionen zu verhindern.
djo/AR (afp, dpa, rtr)