Corona: Delta, Urlaub und die Reiserückkehrer
29. Juni 2021Sommerzeit ist Reisezeit – wäre da nicht die ansteckende Corona-Delta-Variante. Während in Deutschland die Schulsommerferien beginnen und viele ihre Koffer packen, breitet sich in anderen europäischen Ländern die Covid-19-Delta-Variante aus. Die Variante sei äußerst ansteckend, warnte Maria Van Kerkhove, die technische Leiterin der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für COVID-19. Tatsächlich macht die Mutation bereits 70 Prozent aller Fälle in Portugals Hauptstadt Lissabon aus.
In Deutschland haben Behörden Konsequenzen gezogen. Seit Mitternacht gelten sowohl Portugal als auch Russland als Virusvariantengebiete. Für die Rückkehrer bedeutet das: eine 14-tägige Quarantäne, egal ob geimpft oder nicht. Weil Deutschland in der Regel einige Tagen im Voraus ankündigt, welches Land zum Virusvariantengebiet wird, bildeten sich etwa am Flughafen in Moskau lange Schlangen von Menschen, die noch rechtzeitig vor der Einstufung nach Deutschland wollten.
Denn für Rückkehrer aus Virusvariantengebieten, insgesamt sind das derzeit 15 Länder, gelten in Deutschland die strengsten Regeln. Touristen aus diesen Staaten dürfen nicht ins Land, nur deutsche Staatsangehörige und Menschen ohne deutschen Pass mit Wohnsitz in Deutschland. Bei der Einreise müssen die Rückkehrer einen negativen Corona-Test vorlegen und sich in einem Anmeldesystem eintragen. Ein frei-testen aus der Quarantäne ist nicht möglich. Die Einhaltung der Quarantäne überprüfen die Gesundheitsämter vor Ort. Deutschland unterscheidet zwischen Virusvariantengebieten, Hochinzidenzländern und Risikogebieten.
Als Risikogebiet gelten in Deutschland Staaten und Regionen, in denen es in den letzten sieben Tagen mehr als 50 Neuinfizierte pro 100.000 Einwohner gab. Hochinzidenzgebiete sind Risikogebiete mit besonders hohen Fallzahlen mit mehr als 200 Neuinfizierte pro 100.000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen. Virusvariantengebiete werden als solche klassifiziert, wenn eine besonders ansteckende Corona-Mutante sich dort ausbreitet.
Streng bei Portugal, lasch bei anderen
Am Flughafen selbst ist die Bundespolizei zuständig. Am heutigen Dienstag stellten sich die Beamten auf acht Flüge aus Portugal ein, sagt ein Sprecher der Bundespolizei am Frankfurter Flughafen der DW: "Es wird Sonderkontrollen direkt an der Flugzeugtür geben." Denn Portugal sei für die Bundespolizei ein Sonderfall. Weil das Land zum Schengen-Raum gehört, entfallen normalerweise Grenzkontrollen. Bei Ländern wie Russland könne die Bundespolizei die Kontrollen der Corona-Unterlagen, wie dem negativen Test, gleich bei der Passkontrolle mit übernehmen. Bei Portugal muss das nun gesondert passieren.
Das südeuropäische Land ist bisher der einzige Staat in der Schengen-Zone, der zu einem Virusvariantengebiet erklärt wurde. Andere europäische Länder innerhalb des Schengen-Raums sind entweder Risikogebiete, Hochinzidenzgebiete oder unterliegen gar keinen Einreisebestimmungen mehr. Bei diesen Ländern würden die Corona-Unterlagen, wie der Vorweis eines negativen Tests, stichprobenartig kontrolliert, sagt der Sprecher der Bundespolizei am Frankfurter Flughafen der DW. Das bedeutet aber auch: wer gestern aus Portugal einreiste, wurde womöglich nicht kontrolliert.
Zu wenig, zu analog
Diese Stichproben sind einigen Ministerpräsidenten in den vergangenen Tagen zu wenig gewesen. Nicht nur die Stichproben an Flughäfen, sondern vor allem die an den Landgrenzen. Dort an den Grenzen etwa zu den Niederlanden oder Frankreich lässt sich weitaus schwieriger nachvollziehen, wer mit einem negativen Corona-Test einreist und wer nicht. Auf DW-Anfrage teilte das Bundesinnenministerium mit, die Bundespolizei habe zwischen dem 14. Januar und dem 27. Juni diesen Jahres rund 7,7 Millionen Kontrollen vorgenommen. Davon seien rund 4,7 Millionen Kontrollen an den Landesgrenzen und rund 2,9 Millionen Kontrollen an den Flughäfen geschehen. Gegen das sogenannte Beförderungsverbot hätten demnach 13.670 Verstöße vorgelegen. Im Falle von Virusvariantengebieten dürfen Fluggesellschaften, Bus- und Bahnunternehmen nur noch Staatsangehörige und Menschen ohne deutschen Pass mit Wohnsitz in Deutschland befördern.
Die Kontrollen seien von der Menge her ausreichend, sagt Bernd Reuther der DW. Die Kontrollen müssten auch effizient sein und nicht so gestaltet werden, dass in der Urlaubszeit die Menschen zwei Stunden am Grenzübergang stünden. Der Bundestagsabgeordnete der liberalen, oppositionellen FDP hatte im März kritisiert, die Bundesregierung habe kein Konzept oder Strategie, was die Reiserückkehrer angehe. Auch jetzt im Sommer sieht er noch keine langfristige Strategie: "Delta wird nicht die letzte Mutante sein. Wir brauchen eine Strategie, nicht nur bei Urlaubern, sondern auch bei Geschäftsreisen."
Das betreffe vor allem auch die Erfassung der Rückkehrer. Seit November vergangenen Jahres müssen sich Rückkehrer aus Risikogebieten in ein Anmeldesystem eintragen. So wissen die Gesundheitsämter, wessen Quarantäne sie überprüfen müssen. Allerdings zeigt die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP-Fraktion im Bundestag: Viele Anträge werden nicht digital erfasst, sondern stattdessen, beispielsweise am Flughafen, analog ausgefüllt und dann an die Gesundheitsämter geschickt. Obwohl die meisten Bürger ihre Daten digital angeben. Im Januar beispielsweise registrierten sich 670.000 Rückkehrer digital, 190.000 füllten das Formular analog aus. "Wenn man stattdessen einfach einen QR-Code auf dem Handy hätte, würde die Erfassung schneller gehen, effektiver sein und weniger Personal binden", sagt Reuther.
Kein Kurswechsel, bereits strikte Regeln
Am Montag hatten mehrere Ministerpräsidenten der Bundesländer einen Kurswechsel gefordert. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder forderte vom Bund klare Vorgaben für Urlaubsrückkehrer. Im vergangenen Jahr habe er zur Hauptreisezeit zu spät gehandelt, dies dürfe sich nun nicht wiederholen.
Auch Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher kritisierte, dass bei Einreisen aus Risikogebieten derzeit ein einmaliger, einfacher Antigentest reiche, um eine Quarantäne zu vermeiden. "Das ist zu unsicher", sagte er der Zeitung die "Welt". Stattdessen sollten alle nicht geimpften Reiserückkehrenden aus Risikogebieten und Hochinzidenzgebieten grundsätzlich in Quarantäne gehen, die frühestens nach fünf Tagen bei einem negativen PCR-Test aufgehoben werden dürfe.
Stichproben-artige Kontrollen auf Bundesebene
Die Bundesregierung bleibt jedoch bei ihrem bisherigen Kurs. Auf DW-Anfrage teilte das Bundesgesundheitsministerium mit, die geltenden Regeln zur Einreise nach Deutschland seien "bereits strikt". Auf was es in der Urlaubssaison vielmehr ankäme, sei eine konsequente Kontrolle dieser Regeln. "Wenn die Länder nun ankündigen, die geltenden Test- und Quarantäneregeln noch stärker zu kontrollieren, können wir das nur begrüßen", teilte das BMG mit. Der bayerische Gesundheitsministers Klaus Holetschek hatte zuvor gefordert, Urlauber an den Grenzen engmaschig auf Impfausweise und negative Corona-Tests zu kontrollieren.
Auf Bundesebene wird es wohl vorerst bei zumeist stichproben-artigen Kontrollen bleiben. Die geltende Einreiseverordnung werde nicht kurzfristig geändert werden. Das war das Ergebnis von Beratungen von Bund und Ländern am Montag. Kanzleramtsminister Helge Braun bekräftigte am Dienstagmorgen im Morgenmagazin, Deutschland habe bereits die strengsten Einreiseregeln für Virusvariantengebiete aller europäischen Länder.