Gefährliches Spiel mit Corona-Impfstoff
25. September 2020Es ist ein umstrittenes Verfahren: Gesunde, erwachsene Freiwillige werden unter kontrollierten Quarantäne-Bedingungen dem Coronavirus ausgesetzt, nachdem sie zuvor einen potenziellen Impfstoff verabreicht bekommen haben. Bislang waren Pläne für solche Tests vor allem theoretischer Natur. Doch nun laufen in Großbritannien tatsächlich Vorbereitungen für sogenannte "Human Challenge"-Tests. Erste klinische Studien sollen im Januar starten, berichtet die "Financial Times".
Man arbeite mit Partnern zusammen, um mithilfe von "Challenge"-Tests die Entwicklung von Impfstoffen zu beschleunigen, bestätigte ein britischer Regierungssprecher der Deutschen Presse-Agentur. Das federführend von dem Londoner Imperial College geleitete Projekt soll in der kommenden Woche offiziell vorgestellt werden.
Über 38.000 registrierte Freiwillige
Die US-amerikanische Organisation "1DaySooner" sucht bereits weltweit nach Menschen, die freiwillig an "Challenge"-Studien teilnehmen möchten. Auf der Internetseite der Organisation können sich Interessierte registrieren. Bisher haben das - laut "1DaySooner" - über 38.000 Menschen aus 166 Ländern getan. Ihre Motivation? "Wir wollen diese Pandemie loswerden", schreibt eine Krankenschwester aus Sierra Leone. "Die Menschen in Sierra Leone sterben und wenn dieser Impfstoff nicht rechtzeitig zur Verfügung steht, werden wir noch mehr Menschenleben verlieren."
"Human Challenge"-Tests sind unter Wissenschaftlern umstritten. Einige betonen den großen Nutzen, den solche Studien für eine ganze Gesellschaft haben könnten. Andere äußern ethische Bedenken und verweisen auf enorme gesundheitliche Risiken, die die Infektion mit einem in vieler Hinsicht noch unerforschten Erreger wie SARS-CoV-2 haben könnte.
New York will eigene Prüfung eines Impfstoffs
Auch in den USA wird mit Hochdruck nach einem wirksamen Impfstoff geforscht. Die Nation ist mit über 200.000 Toten das am schwersten von der Corona-Pandemie betroffene Land weltweit. Die oppositionellen Demokraten äußerten bereits die Befürchtung, Trump übe massiven Druck auf Forscher und Gesundheitsbehörden aus, damit möglichst bald ein Impfstoff zugelassen wird. Der US-Präsident hatte in den vergangenen Tagen immer wieder gesagt, dass er bereits in den kommenden Wochen mit einem Corona-Impfstoff rechnet.
"Wie die Bundesregierung mit dem Impfstoff umgegangen ist, gibt es jetzt ernsthafte Fragen, ob der Impfstoff politisiert worden ist oder nicht", sagte der demokratische Gouverneur des Bundesstaates New York, Andrew Cuomo. Es gebe ein politisches Motiv des republikanischen US-Präsidenten, so schnell wie möglich vor der Wahl ein Mittel anzukündigen.
"Ehrlich gesagt werde ich der Meinung der Bundesregierung nicht vertrauen", sagte Cuomo mit Blick auf eine mögliche Zulassung eines Impfstoffes. Das würde er auch New Yorkern nicht empfehlen. Deswegen würde ein potenziell freigegebener Stoff zunächst von einer unabhängigen New Yorker Expertenkommission geprüft, bevor er verteilt werden dürfte.
mir/fab (dpa, rtr, afp, Financial Times, 1daysooner)