Corona: Honduras und die Gefängnishölle
In Honduras' Gefängnissen haben die Häftlinge Angst, sich mit dem Coronavirus zu infizieren. Soziale Distanz ist in den überfüllten Zellen unmöglich. Das verstärkt auch die seelische Belastung der Insassen.
Wenn die Sonne untergeht...
Für Yerbin Israel Estrada (Mitte) ist der schlimmste Teil des Tages, wenn die Sonne untergeht. Dann müssen Hunderte Insassen des La-Esperanza-Gefängnisses im Landesinneren von Honduras den kleinen Innenhof verlassen und in ihre engen Zellen zurückkehren. "Dann beginnt die Hölle erst wirklich," sagt der drahtige 26-Jährige, der wegen Marihuana-Besitzes sechs Jahre Haft absitzen muss.
Drangvolle Enge
Estrada ist wie viele andere Insassen in einer völlig überfüllten Zelle untergebracht. Bis zu 130 Menschen leben in manchen Zellen zusammen auf engstem Raum und teilen sich die Betten. In der Nacht, erzählt Estrada, höre er das Wimmern seiner Nachbarn und Ratten durch die Zelle laufen.
Das Gesetz der Straße
Die Zustände in dem Gefängnis sind verheerend. Es hat Platz für 70 Personen - doch tatsächlich sind dort über 450 Straffällige inhaftiert. Beschwerden bringen nichts: Denn hier herrscht die Devise: sehen, hören, Klappe halten. Das ist auch das Motto der Gangs in Mittelamerika. Estrada sagt: "Man kommt hier nur heil raus, wenn man den Kopf gesenkt hält."
Besuche verboten
Die einzige Atempause für die Insassen waren bisher die Tage, an denen ihre Frauen und Familien sie besuchten. Als sich das Coronavirus auch in Honduras verbreitete, untersagten die Behörden Besuche. Und weil die Tarife für Anrufe unbezahlbar sind und es ohnehin nur drei funktionierende Telefone gibt, sind die Häftlinge jetzt praktisch von der Außenwelt abgeschnitten.
Hohes Infektionsrisiko
Laut Johns-Hopkins-Universität gibt es in Honduras derzeit rund 3700 Coronavirus-Infizierte und mehr als 170 Tote. Die Regierung nennt offiziell niedrigere Zahlen - sie sagt, es gebe 2000 Infizierte. Doch Experten gehen davon aus, dass die Zahl höher liegt, denn in Honduras wird nicht ausreichend getestet. Im Gefängnis befürchten viele Insassen, dass sie sich anstecken.
Keine Hoffnung
Zu den Gesundheitsrisiken durch die Überbelegung kommt die psychische Belastung der Insassen durch die Pandemie. "Ihnen die Besuche zu streichen, ist das Schlimmste, was passieren kann. Es ist das, was sie brauchen, weil es ihnen Hoffnung gibt", sagt Jacinto Hernández, Psychologe im La-Esperanza-Gefängnis. "La Esperanza" heißt auf spanisch "Hoffnung".
Fatale Folgen
Bisher soll es in den 29 Gefängnissen des Landes kaum Corona-Infektionen gegeben haben. Doch sollte sich das Virus in einer Haftanstalt ausbreiten, könnte das katastrophale Folgen haben. Die Gefängnisse in Honduras bieten keine Möglichkeit, Abstand zu halten. 22.000 Menschen sitzen in Gebäuden, in denen eigentlich insgesamt nur für 10.000 Häftlinge Platz ist.