Corona-Impfung nur mit einem Gesetz?
5. Dezember 2020Die Bundesregierung will die Impfung gegen das Coronavirus nur per Verordnung regeln. Doch das ist laut einer Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages der falsche Weg. In dem Papier, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, heißt es etwas umständlich: "Der überwiegend vertretenen Auffassung, wonach die Priorisierung bestimmter Bevölkerungsgruppen beim Zugang zu Impfstoffen eines förmlichen Gesetzes bedarf, das zumindest die wesentlichen Kriterien für die Verteilung eines knappen Impfstoffes regelt, ist zuzustimmen."
Weiter wird darauf verwiesen, dass das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe festgehalten hat, dass insbesondere die Grundrechtsrelevanz einer Maßnahme dafür entscheidend ist, ob diese durch ein formelles Gesetz zu regeln ist.
Die Möglichkeit, Impfschutz gegen den Auslöser der Krankheit COVID-19 erlangen zu können, sei für die gesamte Bevölkerung von enormer Relevanz, da alle gleichermaßen von der Ansteckungsgefahr und den daraus folgenden Einschränkungen im Alltag betroffen sind, halten die Experten weiter fest. Die Entscheidung, welche Bevölkerungsgruppen bei der Verteilung zunächst zu bevorzugen sind, weise somit "eine hohe generelle Grundrechtsrelevanz auf", heißt es in der Ausarbeitung, die der FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae angefordert hatte.
"Bundestag muss einbezogen werden"
Der Bundestag dürfe hier "nicht wieder nur zum Zuschauer degradiert werden", mahnte Thomae. In einer Demokratie müsse das Parlament über die wesentlichen Fragen entscheiden. "Mit der Zuteilung des Impfstoffs verteilen wir im wahrsten Sinne des Wortes Lebenschancen", sagte Thomae. Deshalb sei es nicht zu akzeptieren, dass die Regierung und allen voran Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) die Debatte dazu im Bundestag scheue.
Nach der Zulassung eines Corona-Impfstoffs sollen in Deutschland - aufgrund der begrenzten Anzahl der Dosen - zuerst Bevölkerungsgruppen geimpft werden, die ein deutlich erhöhtes Risiko für schwere oder tödliche Krankheitsverläufe haben. Der Deutschen Ethikrat, die Nationale Wissenschaftsakademie Leopoldina und die Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut (RKI) haben deshalb Anfang November im Auftrag der Bundesregierung Empfehlungen abgegeben, wer sofort immunisiert werden sollte. Hierzu zählen alte Menschen, Personen mit Vorerkrankungen sowie Mitarbeiter von Gesundheitsämtern und Sicherheitsbehörden, Polizisten, Feuerwehrleute, Lehrer und Erzieher.
Mehr als 23.000 Neuinfektionen
Das RKI meldete an diesem Samstag 23.318 Neuinfektionen innerhalb von 24 Stunden - etwa 1600 Fälle mehr als vor einer Woche. Mit 483 neuen Todesfällen im Zusammenhang mit dem SARS-CoV-2-Erreger wurde der zweithöchste Stand seit dem Ausbruch der Pandemie erreicht. Insgesamt sind bislang 18.517 Menschen in Deutschland an oder mit COVID-19 gestorben. Infiziert mit dem Virus haben sich laut Daten des Robert Koch-Instituts seit Ausbruch der Seuche insgesamt 1.153.556 Menschen in Deutschland.
Aufgrund der anhaltend hohen Corona-Infektionszahlen fordert die SPD-Fraktion, die Kontaktbeschränkungen über die Weihnachtstage nicht zu lockern. Die für Gesundheit zuständige stellvertretende Fraktionsvorsitzende Bärbel Bas sagte: "Sollten die Zahlen bis zum 20. Dezember auf diesem hohen Niveau bleiben, sollten die Maßnahmen über die Feiertage nicht gelockert werden." Sonst drohten im Januar und Februar noch höhere Infektionszahlen, die weitergehende Beschränkungen nötig machten.
Seit dem Dezember gelten in den weitaus meisten Bundesländern strenge Kontaktauflagen. Private Zusammenkünfte mit Freunden, Verwandten und Bekannten sind auf den eigenen und einen weiteren Haushalt und in jedem Fall auf fünf Personen zu begrenzen, Kinder bis 14 Jahre sind davon ausgenommen. Hotels und die Gastronomie sind weiter geschlossen. Es dürfen nur Gerichte zum Mitnehmen verkauft werden.
Bund und Länder hatten zudem vereinbart, bei Familientreffen vom 23. Dezember an bis zum 1. Januar zehn Personen plus Kinder im Alter bis 14 Jahre zuzulassen. Einige Bundesländer wollen auf diese Lockerung verzichten oder zumindest den Zeitraum dafür verkürzen. Hierzu zählt auch Bayern, das im Tagesverlauf Einzelheiten bekanntgeben will.
November-Hilfen erst im Januar?
Vereinbart worden war auch, dass vom Teil-Shutdown im November betroffene Unternehmen drei Viertel ihres Vorjahresumsatzes ersetzt bekommen sollen. Das dürfte den Bund rund 15 Milliarden Euro kosten. Doch die Auszahlungen der staatlichen Überbrückungshilfen an die Wirtschaft verzögern sich nach Informationen der "Bild"-Zeitung bis in den Januar 2021. Das Software-Tool zur Antrags-Bearbeitung sei bislang noch nicht fertiggestellt, schreibt das Blatt unter Berufung auf eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP-Fraktion.
Der Hotel- und Gaststättenverband sprach von Frust und Verzweiflung bei vielen Unternehmen. Nun müssten die Abschlagszahlungen deutlich aufgestockt werden, ansonsten seien Insolvenzen vorprogrammiert. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) prüft deswegen höhere Abschlagszahlungen für den Dezember.
Merkel begründet Corona-Hilfen
Die Bundesregierung hat für die Corona-Hilfen nach den Worten von Kanzlerin Angela Merkel in kurzer Zeit so viel Geld zur Verfügung gestellt wie noch nie. In ihrem neuen Video-Podcast erklärte Merkel, das trage Deutschland eine sehr hohe Neuverschuldung ein. "Aber noch höher wären die Kosten, finanziell wie sozial, wenn viele Unternehmen zusammenbrächen und Millionen von Arbeitsplätzen verloren gingen." Die große Koalition aus Union und Sozialdemokraten will im kommenden Jahr fast 180 Milliarden Euro neue Schulden aufnehmen und dafür wieder die Schuldenbremse im Grundgesetz aussetzen.
se/kle (dpa, rtr, afp, epd)