Die Uhr tickt für den Hallensport
31. August 2020"Bei uns steht immer eine Kerze im Fenster", sagt Jens Staudenmeyer der DW und lacht. Seinen Humor und die Hoffnung auf bessere Zeiten nach der Corona-Krise hat der kaufmännische und sportliche Leiter der Basketball-Bundesliga (BBL) noch nicht verloren. Dabei haben die Verantwortlichen in der Politik die Kerze erst einmal wieder ausgeblasen. Am vergangenen Donnerstag erteilten Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Regierungschefs der Länder wegen der erneut ansteigenden Zahl von Infektionen mit dem Coronavirus größeren Sportveranstaltungen mit Zuschauern vorerst weiter eine Absage.
Mindestens bis Ende Oktober. Bis dahin soll eine Arbeitsgruppe der Länder einen bundesweit einheitlichen Vorschlag für den Umgang mit Zuschauern vorlegen. "Eigentlich bräuchte man diese Arbeitsgruppe nicht", sagt Uwe Schwenker, Präsident der Handball-Bundesliga (HBL) der DW. Hygiene- und Betriebskonzepte lägen nicht nur für den Fußball auf dem Tisch, sondern auch für die Indoor-Sportarten. "Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht." Sportart-übergreifend.
Konzepte für bis zu 50 Prozent Zuschauerauslastung
Die Verantwortlichen der drei großen deutschen Profiligen außerhalb des Fußballs - Handball, Basketball und Eishockey - haben einen gemeinsamen Leitfaden erarbeitet, wie man trotz Corona Spiele vor Zuschauern zulassen kann. "Unser Konzept geht von einer Zuschauerauslastung von 20 bis 50 Prozent aus, je nach Infektionslage vor Ort", sagt Schwenker. "Ich rechne mit regionalen Unterschieden."
Der sportliche Leiter der Basketball-Liga, Staudenmeyer, hält "eine Auslastung von 40 bis 50 Prozent für machbar", abhängig von der Arena. Dabei spiele etwa die Wegeführung eine Rolle, oder auch die Art, wie die Halle entlüftet werde. Eines aber sei sicher, so Staudenmeyer: "Wir gehen ganz klar von Zuschauerveranstaltungen mit Mund-Nasen-Schutz aus."
Auch aus Reihen der Deutschen Eishockey Liga (DEL) wird darauf hingewiesen, dass die Konzepte alles andere als leichtfertig mit der Gesundheit der Zuschauer umgehen. "Wir sind bereit, unseren Beitrag zu leisten. Die Zeit drängt. Wir haben Konzepte, die alle Vorgaben des Infektionsschutzes aus unserer Sicht gut abarbeiten", sagt Philipp Walter, Geschäftsführer des DEL-Klubs Kölner Haie, der DW. "Der Politik muss klar sein, dass es jetzt Lösungen braucht, sonst wird es für alle Sportarten - nicht nur das Eishockey - mehr als eng."
Hilfspaket der Bundesregierung reicht nicht aus
Die finanzielle Lage der drei großen Indoor-Ligen ist ähnlich prekär. Kurzarbeit und Gehaltsverzicht sind an der Tagesordnung. Sowohl im Handball als auch im Basketball und Eishockey rechnet man mit Einnahmeausfällen durch die Corona-Krise von jeweils bis zu 25 Millionen Euro. Anfang Juli hat der Deutsche Bundestag ein Hilfspaket von 200 Millionen Euro für den Sport außerhalb von erster und zweiter Fußball-Bundesliga beschlossen. So sollen Insolvenzen verhindert werden. Doch das Geld wird breit auf viele Sportarten gestreut, pro Klub liegt die Maximalförderung bei 800.000 Euro.
"Das Hilfsprogramm der Bundesregierung ist zwar immens wertvoll, wird die Ausfälle der Klubs aber nicht vollständig kompensieren", sagt HBL-Präsident Schwenker. "Auf Dauer hilft uns nur, wenn wir wieder Zuschauer bekommen." Schwenker verweist darauf, dass etwa der deutsche Meister THW Kiel normalerweise Ticket-Einnahmen von rund 250.000 Euro pro Partie habe. "Da kann man vielleicht drei oder vier Spiele ohne Zuschauer kompensieren, neun oder zehn sind aber nicht verkraftbar. Je länger wir ohne Zuschauer spielen müssen, desto existenzbedrohender wird die Situation für die Klubs."
Hallenerlebnis zählt mehr als Einschaltquote
Anders als im Fußball liegen die Einnahmen aus TV-Geldern in den Hallensportarten so niedrig, dass sie in den Etats der Klubs kaum eine Rolle spielen. So finanzieren sich die Vereine der Handball-Bundesliga zu 72 Prozent aus Sponsorengeldern und zu 25 Prozent aus Zuschauereinnahmen. Ähnlich sieht es im Basketball aus. "Das Sponsoring ist meist regional ausgerichtet", sagt Jens Staudenmeyer von der BBL. "Das heißt, das Hallenerlebnis ist relevant, nicht so sehr die Einschaltquote." Mit anderen Worten: Fehlen die Zuschauer, wird das Event für die überwiegend regionalen Sponsoren uninteressant.
"Der Worst Case ist, wenn wir dauerhaft deutlich unter einer Zuschauerauslastung von 40 Prozent bleiben oder sogar ohne Zuschauer spielen müssen", so der kaufmännische Leiter der BBL. "Dann wird es mit jedem Tag und jeder Woche für die Klubs schwieriger." Das gleiche Bild in der DEL: "Zuschauereinnahmen machen bei uns 50 bis 60 Prozent aus", sagt Haie-Chef Walter. "Ohne Fans oder ohne Unterstützung geht es nicht."
"Zeigen, dass es uns noch gibt"
Die Saison der Basketballliga soll am 6. November beginnen, die der Deutschen Eishockey Liga am 13. November. Für die Klubs dieser beiden Ligen besteht also noch die Hoffnung, dass sich die Arbeitsgruppe der Bundesländer bis Ende Oktober und damit rechtzeitig zum Saisonstart auf ein einheitliches Konzept für Sportveranstaltungen mit Zuschauern einigt.
Anders sieht es für die Handball-Bundesliga aus, die bereits am 1. Oktober starten soll. "Wir haben kaum eine andere Möglichkeit", sagt HBL-Präsident Schwenker und verweist unter anderem auf den dichten Zeitplan der 20 Klubs umfassenden Liga. "Wir müssen auch Ausweichtermine vorhalten für den Fall, dass Teams wegen Infektionen mit dem Coronavirus aus dem Spielbetrieb genommen werden müssen." Doch auch aus einem anderen Grund sei es wichtig, an dem frühen Beginn festzuhalten, so Schwenker: "Wir müssen der Öffentlichkeit zeigen, dass es den Handball noch gibt. Je länger wir verschwinden, desto schwieriger wird die Situation."
Mit Solidarität statt Ellbogen
Philipp Walter appelliert, auch in der Corona-Krise die Möglichkeiten des Sports insgesamt nicht aus dem Blick zu verlieren. "Sport stiftet Identität, verbindet Menschen, hat einen sozialen, integrativen und inklusiven Auftrag. Spitzensport strahlt in Nachwuchs- und Breitensport und bildet Vorbilder für unsere Kinder aus", so der Geschäftsführer des DEL-Klubs Kölner Haie. "All das sagen auch Politiker, wenn sie den Sport wertschätzen. Jetzt ist die Zeit, zu beweisen, dass das auch ernst gemeint ist."
Doch die Uhr tickt. Trotz der prekären Lage sieht Uwe Schwenker für die Zukunft der Indoor-Sportarten nicht schwarz. "Wir sind nach wie vor optimistisch, dass wir durch die Krise kommen", sagt Schwenker und lobt die große Solidarität, angefangen von den Spielern, über die Klubs bis zu den Ligen, die Sportart-übergreifend zusammenarbeiteten. "Da gab es keine Ellbogen-Mentalität. Alle haben gemerkt, dass wir in einem Boot sitzen und nur gemeinsam überleben können." Und wie wäre es darüber hinaus mit Beistand von ganz weit oben? Darauf sagt Schwenker nur: "Eine Kerze stelle ich nicht hin."