Alle wollen spielen, dürfen aber (noch) nicht
30. April 2020An diesem Donnerstag (30. April) wird in Deutschland mit einer Entscheidung der Politik darüber gerechnet, ob Bundesliga und 2. Liga den Spielbetrieb im Mai wieder aufnehmen dürfen oder nicht. Auf dem Tisch liegt ein Konzept der DFL für so genannte "Geisterspiele", das die 36 Profiklubs der beiden Liga abgesegnet haben. Die anderen vier Topligen Europas sind noch nicht so weit. Ein Überblick:
Italiens Serie A
Corona-Lage (Stand 28. April): In Italien wurden bisher rund 200.000 Infektionen registriert, etwa 27.000 Menschen starben an COVID-19, die Mortalitätsrate ist mit 13,4 Prozent die vierthöchste weltweit. Der strikte "Lockdown" im Land gilt bis 3. Mai inklusive, danach soll er vorsichtig gelockert werden.
Stand der Liga: In der Serie A ruht der Ball seit dem 9. März. Zwölf komplette Spieltage stehen noch aus, dazu müssen noch vier wegen der Corona-Krise ausgefallene Ligaspiele nachgeholt werden. In der Tabelle führt Juventus Turin (63 Punkte) vor Lazio Rom (62) und Inter Mailand (54, ein Spiel weniger).
Finanzielle Lage: Die Serie A schätzt die Verluste im Falle eines Abbruchs der Saison auf rund 700 Millionen Euro. Alleine an TV-Geldern würden 450 Millionen Euro verloren gehen. Sollte die Saison nicht fortgesetzt werden können, hat die Serie A nahegelegt, die Spielergehälter um ein Drittel zu kürzen. Bisher haben lediglich die Profis von Juventus Turin und AS Rom auf Gehalt verzichtet - jeweils im Umfang von etwa vier Monatsgehältern.
Wiederaufnahme der Spiele: Die 20 Erstligaklubs haben sich mit Verbandschef Gabriele Gravina darauf geeinigt, die Saison zu Ende zu spielen, "sollte die Regierung im Einklang mit den Vorschriften für die öffentliche Sicherheit die Genehmigung zur Fortsetzung der Meisterschaft erteilen". Doch danach sieht es aktuell noch nicht aus. "Laut Umfragen ist die Mehrheit der Italiener gegen eine Wiederaufnahme der Meisterschaft, doch ich lasse mich nicht beeinflussen", sagte Sportminister Vincenzo Spadafora. "Die soziale Bedeutung des Fußballs und seine positiven Auswirkungen auf andere Sportarten ist mir bewusst, doch wir können nur bei höchsten Sicherheitsbedingungen neu starten." Diskutiert wird über den Vorschlag, die Spiele möglicherweise nur in vier Städten auszutragen und dabei den von der Pandemie besonders hart getroffenen Norden Italiens auszunehmen.
Spaniens La Liga
Corona-Lage (Stand 30. April): In Spanien wurden bislang rund 237.000 mit dem Coronavirus infizierte Menschen registriert, über 24.000 starben. Die Mortalitätsrate liegt bei 10,3 Prozent. Wie in Italien herrscht auch in Spanien eine strikte Ausgangssperre, die gerade sehr vorsichtig gelockert wird.
Stand der Liga: Die Saison in der höchsten Spielklasse La Liga wurde am 12. März offiziell unterbrochen - nach 27 Spieltagen, elf stehen noch aus. In der Tabelle führt der FC Barcelona (58 Punkte) vor Real Madrid (56) und dem FC Sevilla (47).
Finanzielle Lage: Schon am 9. April sprach der spanische Liga-Präsident Javier Tebas von einem Verlust von mindestens 150 Millionen Euro. Ein vorzeitiges Saisonende, so Tebas, könnte La Liga sogar bis zu einer Milliarde Euro kosten, davon rund 600 Millionen Euro an Erlösen aus TV-Rechten. Der FC Barcelona und Atletico Madrid verkündeten einen vorübergehenden massiven Gehaltsverzicht ihrer Spieler: 70 Prozent weniger. Real Madrid zahlt seinen Profis zehn Prozent weniger, im Falle eines vorzeitigen Saisonendes 20 Prozent weniger.
Wiederaufnahme der Spiele: Im Zuge der vorsichtigen Lockerung der Ausgangssperre in Spanien wollen die Klubs der ersten spanischen Liga vom 3. Mai an wieder ins Training einsteigen, in kleinen Gruppen von bis zu acht Spielern. Der La-Liga-Fahrplan sieht einen Re-Start der Saison für Mitte Juni vor. Liga-Chef Javier Tebas drängt mit Blick auf die drohenden Verluste darauf, die Meisterschaft unbedingt zu Ende zu spielen. Er drohte den Teams für den Fall, dass sie sich weigern sollten, mit einem Disziplinarverfahren. "Der Sport wird zurückkehren", twitterte Sportministerin Irene Lozano am Mittwoch. Allerdings müsse der Verlauf der Pandemie mit berücksichtigt werden.
Englands Premier League
Corona-Lage (Stand 30. April): Großbritannien verzeichnete bisher mehr als 166.000 Infektionen und mehr als 26.000 COVID-19-Todesfälle. Die Sterblichkeitsrate liegt bei 13,4 Prozent. Premierminister Boris Johnson hat nach seiner überstandenen Corona-Erkrankungen erklärt, der Lockdown, der seit dem 24. März gilt, könne noch nicht gelockert werden.
Stand der Liga: Die Saison wurde offiziell am 12. März unterbrochen, nach dem 29. Spieltag. Neun komplette Runden und zwei Nachholspiele stehen noch aus. In der Tabelle führt der FC Liverpool (82 Punkte) überlegen vor Manchester City (57, ein Spiel weniger) und Leicester City (53).
Finanzielle Lage: Sollte die Saison nicht zu Ende gespielt werden können, droht der Premier League ein Verlust von bis zu 1,25 Milliarden Euro, davon 800 Millionen Euro an TV-Geldern. Laut Premier-League-Chef Richard Masters geht es für einige Vereine ums Überleben. Die Verhandlungen der Klubs mit den Spielern über einen möglichen Gehaltsverzicht gestalten sich zäh. Bisher haben sich lediglich die Profis des FC Southampton und von West Ham United bereit erklärt, einen Teil ihrer Bezüge später zu erhalten.
Wiederaufnahme der Spiele: Die 20 Vereine der Premier League sind sich darin einig, dass sie die Saison zu Ende spielen wollen. Mehrere Klubs, darunter der FC Arsenal und Tottenham Hotspur, begannen wieder mit dem Individualtraining ihrer Spieler. Ziel aller Vereine ist es, Mitte Mai wieder ins Mannschaftstraining einzusteigen und vom 9. Juni an zu spielen - vor leeren Rängen. An diesem Freitag sollen bei einer Videokonferenz weitere Details abgestimmt werden. Unter anderem wird darüber diskutiert, die Spiele an wenigen neutralen Spielorten auszutragen, möglicherweise auch nur auf Trainingsplätzen statt in Stadien.
Frankreichs Ligue 1
Corona-Lage (Stand 30. April): In Frankreich wurden bislang mehr als 166.000 Infektionen mit dem Corona-Virus erfasst, über 24.000 Menschen starben an COVID-19. Die Mortalitätsrate liegt mit 14,0 Prozent extrem hoch, nur in Belgien ist sie noch höher (15,5, Prozent). Die seit Wochen geltende strenge Ausgangssperre soll nach Angaben der Regierung vom 11. Mai an vorsichtig gelockert werden. Große Menschenansammlungen bleiben verboten.
Stand der Liga: Die Saison-Unterbrechung der Ligue 1 wurde am 13. März verkündet - nach dem 28. Spieltag. Zehn Runden stehen noch aus, dazu das Nachholspiel zwischen Racing Straßburg und Paris St. Germain (PSG). An der Tabellenspitze steht PSG (68 Punkte, ein Spiel weniger) vor Olympique Marseille (56) und Stade Rennes (50).
Finanzielle Lage: Im Falle eines Abbruchs der Saison würden der Ligue 1 Einnahmen in Höhe von rund 400 Millionen Euro verloren gehen, davon 200 Millionen Euro an Fernsehgeldern. Nach Medienberichten würde dann mindestens jedem dritten Profiverein der Konkurs drohen. Die Klubs und die Spielergewerkschaft UNFP einigten sich auf eine Empfehlung an die Profis zum Gehaltsverzicht, gestaffelt nach der Höhe der Einkommen. So sollen Spieler mit einem Monatseinkommen von mehr als 100.000 Euro auf die Hälfte ihres Gehalts verzichten.
Wiederaufnahme der Spiele: In Frankreich steht die Fußball-Saison vor dem Abbruch. Premierminister Edouard Philippe verkündete am Dienstag vor dem Parlament, in Frankreich dürfe es bis einschließlich August keine Sport-Großveranstaltungen mehr geben. Dazu gehöre auch die Ligue 1 - ob mit Zuschauern oder als Geisterspiele. "Die Fußball-Saison 2019/20 kann nicht wieder aufgenommen werden“, stellte Philippe klar. Die Liga hatte zuvor einen Neustart der Spiele am 17. Juni angepeilt. An diesem Donnerstag beraten die Klubs der Ligue 1 darüber, wie es nach der Entscheidung der Regierung weitergehen soll.
Der Fall des an COVID-19 erkrankten Profis Junior Sambia vom HSC Montpellier, der im künstlichen Koma liegt, hatte die Spielergewerkschaft UNFP auf den Plan gerufen, die ihre Vorbehalte gegen eine Wiederaufnahme des Spielbetriebs in der Ligue 1 erneuert hatte. Die vorgelegten Vorschläge, um die Gesundheit der Spieler sicherzustellen, reichten nicht aus, hatte die UNFP erklärt.