Corona: Welche Regeln gelten wo in Europa?
2. November 2020Während in Europa die Blätter von den Bäumen fallen, steigen die Infektionszahlen rasant: Allein in der vergangenen Woche registrierte die EU-Seuchenschutzbehörde ECDC mehr als 1,4 Millionen gemeldete Neuinfektionen mit dem Coronavirus. Insgesamt haben sich in der EU, Großbritannien, Island und Norwegen demnach bereits gut 7,5 Millionen Menschen infiziert. Schon mehr als 222.000 Tote wurden gezählt.
Um das rasante Infektionsgeschehen auszubremsen, gelten auf dem Kontinent teils unterschiedliche Regeln - ein Überblick über die Corona-Schutzmaßnahmen in ausgewählten Ländern:
Belgien
Kein europäisches Land verzeichnet gerade im Verhältnis zur Einwohnerzahl so viele Neuinfektionen wie Belgien: Binnen 14 Tagen sind zuletzt 1735 Fälle pro 100.000 Einwohnern hinzugekommen. Seit diesem Montag gilt ein sechswöchiger Lockdown, bei dem alle nicht dringend notwendigen Geschäfte geschlossen bleiben. Wer kann, muss von zu Hause arbeiten. Zusätzlich gilt in weiten Teilen des Landes ab 22 Uhr eine nächtliche Ausgangssperre.
Dazu gelten strenge Kontaktbeschränkungen: Bewohner von Mehrpersonenhaushalten dürfen darüber hinaus nur je eine Person pro Woche treffen, wer allein lebt, hat zwei Kontakte frei. Davon gilt einer als "Knuffelcontakt" - also eine Person, die geknuddelt werden darf.
Bulgarien
Bereits seit vergangener Woche gelten in Bulgarien Einschränkungen: Gymnasien und Universitäten mussten auf Fernunterricht umstellen, Sportevents können nur ohne Publikum stattfinden, Bars und Discos müssen ihre Innenräume geschlossen halten. Es gelten die vielerorts üblichen Masken- und Abstandspflichten, jedoch keine Kontaktbeschränkungen im engeren Sinne. Die Maßnahmen gelten vorerst für zwei Wochen. Allerdings haben viele Kliniken bereits Personalnot, nachdem in ihren Reihen mehr als 2000 Corona-Fälle aufgetreten sind.
Auch der bulgarische Regierungschef Boiko Borissow ist an COVID-19 erkrankt. Dennoch wird
gegen ihn seit mehr als 100 Tagen jeden Abend demonstriert. Eines der Protestbündnisse hat laut lokalen Medienberichten nun jedoch wegen der COVID-19-Situation appelliert, vorerst auf Straßenkundgebungen zu verzichten, um kein Infektionsrisiko einzugehen.
Dänemark
Dänemark hat ein neues fünfstufiges Warnsystem eingeführt, in dem seine fünf Regionen künftig wöchentlich von Experten einzeln eingestuft werden. Aktuell steht das ganze Land auf Stufe 3 - das heißt, das Virus greift in der Gesellschaft um sich und könnte sich rasch ausbreiten. In dieser Lage gelten Beschränkungen für Restaurants und Kneipen sowie eine mittlerweile auch auf viele Geschäfte ausgedehnte Maskenpflicht. Discos und Theater sind geschlossen, private Kontakte sollen begrenzt werden.
Deutschland
Der 2. November ist der erste Tag mit neuen Beschränkungen: In der Öffentlichkeit dürfen sich nur noch höchstens zehn Personen aus bis zu zwei Haushalten treffen. Touristische Übernachtungen und Barbetrieb sind verboten, Restaurants dürfen nur noch Speisen zur Mitnahme verkaufen. Schulen und Einzelhandel sind unter besonderen Hygiene- und teils Abstandsregeln offen. Allerdings hat Bundeskanzlerin Angela Merkel angekündigt, dass sie eine Schließung von Läden für angemessen hielte, sollten Gerichte mit Verweis auf offene Geschäfte die Schließung der Gastronomie kippen.
Frankreich
In Frankreich sind die verschärften Maßnahmen bereits drei Tage früher in Kraft getreten: Hier gilt ein echter Lockdown, der den Einwohnern nur eine Stunde Frischluft pro Tag und in einem Radius von einem Kilometer um die Wohnung zugesteht. Private Treffen sollen nur in der Kernfamilie stattfinden. Nur dringend notwendige Geschäfte und Einrichtungen bleiben geöffnet, ansonsten soll von zu Hause gearbeitet werden. In weiten Teilen Frankreichs gilt eine nächtliche Ausgangssperre.
Griechenland
Ab Dienstag steht Griechenland unter einem Teil-Lockdown mit nächtlicher Ausgangssperre. Den ganzen November über sollen Restaurants und Sportstätten in Athen und anderen Städten geschlossen bleiben. Dagegen sollen Schulen und Einzelhandel offen gehalten werden.
Großbritannien
Im Vereinigten Königreich sind die Landesteile zu großen Teilen selbst für die Corona-Bekämpfung zuständig. Aktuell gelten unterschiedliche Kontaktbeschränkungen: In Nordirland dürfen Haushalte für vier Wochen nur mit maximal einem anderen Haushalt eine Kontaktblase bilden, ansonsten soll auf private Kontakte verzichtet werden. Wie streng sich die Bewohner Schottlands isolieren müssen, hängt vom Infektionsgeschehen in den einzelnen Bezirken ab - hier stehen insbesondere viele größere Städte auf Stufe drei von vier, die Treffen von höchstens sechs Menschen aus zwei Haushalten in der Öffentlichkeit zulassen.
In Wales gilt gerade ein 18-tägiger "Brandschneisen-Lockdown", der das Virus an der weiteren Ausbreitung hindern soll. Noch bis zum 9. November müssen die Waliser weitgehend zu Hause bleiben. Für England hat Premier Boris Johnson nun ähnliche Maßnahmen verhängt, die vom 5. November bis zum 2. Dezember gelten. Dort wäre auch eine Verlängerung denkbar.
Irland
Irland war das erste EU-Land, das seine Einwohner in einen zweiten Lockdown geschickt hat: Seit 22. Oktober müssen knapp fünf Millionen Menschen weitgehend zu Hause bleiben. Zum Sport dürfen sie sich innerhalb eines Fünf-Kilometer-Radius um die Wohnung bewegen, nicht lebensnotwendige Geschäfte bleiben zu. Schulunterricht findet hingegen vor Ort statt.
Italien
Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte befürchtet, dass binnen eines Monats die Intensivstationen in den meisten Regionen überfüllt sein könnten. Deshalb hat er in einer Rede vor dem italienischen Unterhaus eine nächtliche Sperrstunde, Museumsschließungen und Fernunterricht für weiterführende Schulen angekündigt. Außerdem sollen Einkaufszentren an Wochenenden geschlossen bleiben.
Im öffentlichen Nahverkehr soll die Passagierzahl begrenzt werden, zudem soll die Reise von und nach Regionen mit hohem Infektionsgeschehen eingeschränkt werden. Offiziell eingesetzt sind die neuen Maßnahmen noch nicht. Zuvor hatte die Regierung etwa eine Sperrstunde für die Gastronomie durchgesetzt; in der vergangenen Woche wurde teils gewaltsam gegen die Einschränkungen demonstriert.
Luxemburg
In Luxemburg gilt seit Ende Oktober bis Ende November eine nächtliche Ausgangssperre. Bis Ende des Jahres dürfen zudem nur noch maximal vier Personen ohne Mund-Nasen-Bedeckung in Restaurants oder Privaträumen zusammenkommen.
Niederlande
In den Niederlanden gelten bereits seit Mitte Oktober verschärfte Kontaktbeschränkungen: Privathaushalte dürfen maximal drei Gäste pro Tag empfangen, im öffentlichen Raum dürfen sich höchstens vier Gruppen oder ein Haushalt gemeinsam aufhalten.
Österreich
Am Wochenende hat Bundeskanzler Sebastian Kurz eine nächtliche Ausgangssperre nach 20 Uhr verkündet. Von Dienstag bis Ende November müssen zudem Restaurants, Hotels, Kultur- und Sporteinrichtungen geschlossen bleiben. Auch in der Alpenrepublik bleiben Schulen und der Einzelhandel bis auf Weiteres offen.
Polen
Eigentlich gelten in Polen regionale Beschränkungen, derzeit ist das ganze Land jedoch rote Zone: Restaurants dürfen nur Speisen für den Verzehr außer Haus verkaufen, in Geschäften und im Nahverkehr gibt es Obergrenzen. Drogerien und Supermärkte haben besondere Einkaufszeiten exklusiv für Senioren. Private Feiern sind verboten, berufliche und private Treffen auf 20 Personen begrenzt. Kultureinrichtungen dürfen nur jeden vierten Platz besetzen, viele Sportstätten sind ganz geschlossen. Unterricht findet unter Einschränkungen statt.
Portugal
In Portugal steht der Ausnahmezustand kurz bevor: Ministerpräsident Antonio Costa hat Staatsoberhaupt Marcelo Rebelo de Sousa um Sonderbefugnisse zur Pandemiebekämpfung gebeten. Am Mittwoch gehen mehr als 120 der rund 300 Kommunen des Landes in einen Teil-Lockdown für mindestens zwei Wochen. Gearbeitet werden soll von zu Hause, die Schulen sollen offen bleiben.
Slowakei
Die Slowakei nimmt unter allen genannten Ländern eine Sonderrolle ein: Seit dem Wochenende sollen sich alle 5,4 Millionen Einwohner, die älter als zehn Jahre sind, einem kostenlosen und freiwilligen Antigen-Schnelltest auf das Coronavirus unterziehen. Einem Zwischenstand am Sonntag zufolge wurden bis dahin ein Prozent der Teilnehmenden positiv getestet. Die Regierung hatte die Aktion als Alternative zu einem Lockdown angepriesen - und schickt gleichzeitig diejenigen in Quarantäne, die sich nicht daran beteiligen. Die liberale Präsidentin Zuzana Caputova kritisierte im Vorfeld, der "Passierschein für die Freiheit" teile die Bürger in eine Zwei-Klassen-Gesellschaft ein.
Spanien
In Spanien ist klar, dass es noch lange dauern wird, bis wieder Normalität einkehrt: Das Parlament hat den landesweiten Gesundheitsnotstand bis Mai verlängert. Fast alle Regionen schotten sich zunächst zwei Wochen lang vollständig oder teilweise ab. In Madrid gab es am vergangenen Wochenende einen Shutdown, der am kommenden Wochenende wiederholt werden soll.
Tschechien
Hinter Belgien ist derzeit Tschechien das europäische Land, in dem sich das Virus am zweitschnellsten in der Bevölkerung ausbreitet: Dort liegt die 14-Tage-Inzidenz des ECDC bei 1.575 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner. Und das, obwohl die Regierung bereits Anfang Oktober einen Notstand ausgerufen und Maßnahmen wie eine nächtliche Ausgangssperre, Schul- und Restaurantschließungen verhängt hat. Das Regelwerk wurde am Freitag bis zum 20. November verlängert.