Coronavirus: die neuesten Entwicklungen
27. Januar 2020Das neue Coronavirus zieht, ausgehend von der chinesischen Metropole Wuhan, immer weitere Kreise: Aktuell sind mehr als 2700 Fälle bestätigt, bislang verzeichnete die chinesische Gesundheitsbehörde 81 Tote. Knapp zwei Monate nach den ersten Verdachtsfällen rund um den Fischmarkt von Wuhan hat die Ausbreitung stark an Dynamik gewonnen. Ein Überblick über die Entwicklungen an diesem Montag.
Welche Länder haben bereits Fälle bestätigt?
Bislang sind Infektionsfälle in Kambodscha, Thailand, Vietnam, Japan, Südkorea, Taiwan, Singapur, Australien, den USA, Kanada und Frankreich bekannt. In einigen weiteren Ländern gibt es Verdachtsfälle, darunter in Russland, Indien, Indonesien, Mexiko, Brasilien und Schweden.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat unterdessen eigene Angaben zum internationalen Gefährdungsniveau durch das neuartige Coronavirus korrigiert. Weltweit sei die Gefährdung "hoch", erklärte die Organisation und korrigierte damit bisherige Angaben. Die WHO schätze das Risiko "sehr hoch in China, hoch in der Region und hoch auf weltweitem Niveau" ein.
In Erklärungen der WHO von vergangener Woche hatte es dagegen immer geheißen, das Risiko sei "sehr hoch in China, hoch in der Region und moderat auf weltweitem Niveau". Dies sei ein "Formulierungsfehler" gewesen, sagte WHO-Sprecherin Fadela Chaib. Sie betonte, dass die neue Formulierung nicht die Ausrufung eines internationalen Gesundheitsnotstandes bedeute. Dieser wird nur äußerst selten erklärt.
Welche Maßnahmen ergreifen andere Länder?
Malaysia hat eine vorübergehende Einreisesperre für Bewohner von Wuhan und der umliegenden Provinz Hubei verhängt. Auch in die chinesische Sonderverwaltungszone Macau dürfen sie vorübergehend nur, wenn sie nachweisen können, virusfrei zu sein. Die Mongolei hat die Grenzen zum südlichen Nachbarn China geschlossen und eine Woche Ferien in Kindergärten, Schulen und Universitäten verhängt, um die Ansteckungsgefahr zu senken. Die Regierung der Mongolei betrachtet das Risiko als sehr hoch, obwohl in dem Land bisher keine Fälle des Coronavirus gemeldet wurden.
Russische Tourismus-Unternehmen böten vorerst keine Reisen mehr nach China an, teilte der Branchenverband mit. Den Angaben zufolge sind derzeit rund 7000 russische Touristen mit einer Reisebuchung in China, etwa 6000 davon auf der Insel Hainan, der Rest auf dem Festland. Sie sollen ausgeflogen werden. Auch der deutsche Reiseveranstalter Studiosus hat Reisen nach China bis Mitte April abgesagt. Aktuell hat Studiosus nach eigenen Angaben keine Gäste in China. Der nächste Trip sollte ab dem 15. März stattfinden. Chinagäste mit Abreise bis zum 31. Mai können demnach kostenlos umbuchen oder stornieren.
Viele westliche Länder wie die USA, Großbritannien, Japan und Frankreich haben Maßnahmen angekündigt, um ihre Bürger aus der Provinz Hubei oder der abgeriegelten 11-Millionen-Stadt Wuhan selbst herauszuholen und nach Hause zu bringen. Auch die Bundesregierung erwägt, deutsche Staatsbürger auszufliegen. In Wuhan leben laut einer Sprecherin des Auswärtigen Amts etwa 90 Deutsche. Wie das Magazin "Spiegel" berichtet, sollen diese von der Bundeswehr ausgeflogen werden. Die Luftwaffe solle am Mittwoch oder Donnerstag nach China fliegen und die deutschen Staatsbürger abholen, berichtete das Nachrichtenmagazin. Neben einem Truppentransporter vom Typ A310 sei auch einer der mit mehreren medizinischen Behandlungsplätzen ausgestatteten "Medevac"-Airbusse im Gespräch.
US-Präsident Donald Trump twitterte, die USA hätten China Hilfe angeboten und stünden in engem Kontakt mit der Volksrepublik.
Die Sportwelt reagiert ebenfalls auf die Lungenkrankheit. Der Basketball-Weltverband Fiba entschied, das Olympia-Qualifikationsturnier der Frauen nicht im chinesischen Foshan stattfinden zu lassen. Stattdessen wird es nach Serbien verlegt. Das Turnier soll vom 6. bis 9. Februar ausgetragen werden. Auch das für Anfang Februar geplante Olympia-Qualifikationsturnier im Frauenfußball wird nicht in Nanjing in China stattfinden, sondern in die australische Stadt Sydney verlegt. Auch die "International Tennis Federation" regierte und entschied, dass Tennisspielerinnen im Rahmen eines "Fed Cup" nächsten Monat nicht im chinesischen Dongguan, sondern in Kasachstan gegeneinander antreten werden.
Wie ist die Lage in China selbst?
Angesichts der rasanten Ausbreitung der vergangenen Tage stehen die chinesischen Behörden und die Staatsführung unter Druck, sich als Krisenmanager zu beweisen. In fast allen chinesischen Provinzen sind Fälle der neuartigen Lungenkrankheit bestätigt. Behörden meldeten den ersten Coronavirus-Todesfall in der Hauptstadt Peking. Seit dem 23. Januar stehen die Millionenstadt Wuhan und benachbarte Städte unter Quarantäne. Das Finanzministerium in Peking und die Gesundheitsbehörde haben gut 60 Milliarden Yuan, umgerechnet knapp acht Milliarden Euro, für den Kampf gegen die Ausbreitung des Virus bereitgestellt.
Die Ferien zum chinesischen Neujahrsfest wurden vom Kabinett um drei Tage bis zum 2. Februar verlängert, damit sich der übliche Reiseverkehr über die zusätzlichen Tage verteilt. In Shanghai gilt der Zwangsurlaub sogar noch eine Woche länger: Beschäftigte von Behörden und privaten Unternehmen, ausgenommen Medizin- und Pharmafirmen, sollen erst am 9. Februar wieder zur Arbeit kommen.
Der Bürgermeister von Wuhan hat im Staatssender CCTV Fehler beim Umgang mit der Epidemie eingeräumt. Das Krisenmanagement sei "nicht stark genug" gewesen. Zuvor hatte Ministerpräsident Li Keqiang die Millionenstadt besucht und sich vor Ort über die laufenden Bemühungen zur Eindämmung der Epidemie informiert und mit Patienten und Personal gesprochen.
Wie groß ist die Gefahr für Deutschland?
Bisher handelt es sich bei nahezu allen Fällen in westlichen Ländern um Personen, die sich zuvor selbst in Wuhan aufgehalten haben. Die Gefahr für die deutsche Bevölkerung sei "sehr gering", sagte der Präsident des Robert-Koch-Instituts, Robert Wieler, im ZDF-"Morgenmagazin". Deutschland sei zudem "absolut gut vorbereitet". Wichtig sei, dass mögliche Erkrankungen sehr früh erkannt würden. Wielers Einschätzung zufolge ist die Gefahr einer massenhaften weltweiten Ausbreitung "zur Zeit gering" - da es sich um ein neues Virus handelt, sei jedoch noch nicht sicher zu beurteilen, wie gefährlich der Erreger sei.
Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sieht Deutschland für den Fall eines Auftretens des neuen Coronavirus gut gewappnet. "Grundsätzlich sind wir wachsam, wir nehmen die Dinge sehr ernst, wir sind aber auch gut vorbereitet", sagte Spahn in Berlin. Pandemie- und Umgangspläne sorgten für Klarheit, was im Fall der Fälle an den Flughäfen und an den Kliniken zu tun sei. Eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums ergänzte, sie könne nicht ausschließen, dass es auch Kontrollen in Form von Screenings an den Flughäfen geben werde. Derzeit rate die Weltgesundheitsorganisation von Screenings aber ab.
ehl/djo (rtr, dpa, afp, ap)