Costa Concordia-Kapitän vor Gericht
28. Januar 2014Gerichtstermin in Grosseto. Die Stadt in der Toskana ist zum Schauplatz eines Prozesses geworden, den nicht nur die Italiener mit Interesse verfolgen, sondern die ganze Welt. Fernsehteams aus Japan, den USA und Südamerika belagern das Justizgebäude. Vor Gericht steht Francesco Schettino, der Kapitän der Costa Concordia. Als das größte italienische Kreuzfahrtschiff im Januar 2012 vor der Mittelmeerinsel Giglio auf einen Felsen lief und teilweise kenterte, war das Entsetzen groß. 32 der mehr als 4000 Menschen an Bord starben, darunter zwölf Deutsche. Was später an Details zum Unglückshergang heraus kam, hat für noch mehr Entsetzen gesorgt. Ein verbotenes Manöver, ein abgeschaltetes Radarsystem, ein Kapitän, der sich mit seiner Geliebten vergnügte statt auf der Kommandobrücke zu stehen und der sein Schiff verließ, bevor die Passagiere gerettet waren, all das wird in Grosseto strafrechtlich aufgearbeitet.
Schettino, der einzige Angeklagte
Schettino ist der einzige verbliebene Angeklagte. Die Offiziere Ciro Ambrosio und Silvia Coronica, der Steuermann Jacob Rusli Bin, der Manager Manrico Giampedroni und Roberto Ferrarini, Leiter der Krisenkoordinationsstelle der Reederei Costa Crociere, hatten sich schuldig bekannt und so in Eilverfahren Haftstrafen zwischen anderthalb Jahren und zwei Jahren und zehn Monaten erhalten. Schettinos Verteidiger hatten drei Jahre und fünf Monate Gefängnis angeboten, was die Staatsanwaltschaft als "lächerlich" zurückwies und das Gericht ablehnte. Die Anklagepunkte wiegen schwer: mehrfache fahrlässige Tötung und Körperverletzung, Havarie, Zurücklassen Hilfsbedürftiger, vorzeitiges Verlassen des Schiffs, Verweigerung der Zusammenarbeit mit den Behörden.
Francesco Schettino gibt die Schuld an dem Zusammenprall mit dem Felsen, der die Schiffsflanke aufriss, seinem Steuermann. Dieser habe seine Anordnungen nicht korrekt ausgeführt und den Unfall so herbeigeführt. Laut der Sachverständigen, die das Gericht angerufen hat, habe der Fehler des Steuermannes eine Verzögerung von 13 Sekunden ergeben, ohne die es ebenfalls zum Aufprall gekommen wäre. Einer Studie der Universität Pisa zufolge hätte das Unglück jedoch noch gerade vermieden werden können. Details wie dieses sind für den Ausgang des Prozesses entscheidend.
Ortstermin im Wrack
Zu seiner Verteidigung hatte Francesco Schettino verlangt, an Bord des havarierten Schiffes gehen zu dürfen, um nach entlastendem Material zu suchen. Die Richter gestatteten dies, und kamen gleich selbst mit. Der Ortstermin auf dem gesicherten Wrack der Costa Concordia vor einigen Tagen erbrachte kaum neue Beweise für oder gegen den Kapitän, aber eine Reihe von Fotos aus dem Inneren der Costa Concordia. "Das Meer hat die Wahrheit verschluckt" habe einer der Staatsanwälte geraunt, berichten italienische Medien. Das Wrack ist zugänglich, da es in einer komplizierten Bergungsaktion im Herbst 2013 aufgerichtet worden war und seitdem fest verankert auf einer Plattform ruht. Was mit dem Schiffswrack weiter geschehen soll, wird in Italien heiß diskutiert.
Das Rennen um den Abwrack-Auftrag
Das Schiffswrack werde im Juni dieses Jahres weggeschleppt, sagt Franco Gabrielli, Chef des italienischen Katastrophenschutzes und von der Regierung eingesetzter Koordinator für die Bergungsarbeiten des Kreuzfahrtschiffes. Die Frage ist nur: Wohin? In welchen Hafen? Ursprünglich war der nächstgelegene Hafen Piombino favorisiert worden. Die Regierung von Mario Monti hatte sogar ein Dekret verabschiedet, das Piombino als letzte Destination der Costa Concordia explizit nannte. Nur: die notwendige Vergrößerung des Hafenbeckens, um den Kreuzfahrtriesen aufnehmen zu können, haben noch nicht begonnen und die Chancen, sie in nur einem halben Jahr abschließen zu können, sind gering. Die Reederei Costa Crociere, die zum US-Kreuzfahrtkonzern Carnival gehört, hat den lukrativen Auftrag auch international ausgeschrieben. Zwölf Häfen haben sich beworben, neben vier italienischen auch Häfen aus Großbritannien, Frankreich, Norwegen, der Türkei und China. Bislang hat Costa Crociere nach Angaben ihres deutschen Vorstandschef Michael Thamm 600 Millionen Euro für die Bergung ausgegeben.
Wie viel die Verschrottung des Wracks und seine umweltgerechte Entsorgung kosten wird, wisse man noch nicht. Der Konzern ziehe einen italienischen Hafen vor, sagte Thamm laut deutschen Zeitungen. Im italienischen Fernsehen äußerte sich Italiens Umweltminister Andrea Orlando jedoch anders. Er sagte, dass Costa Crociere darauf dränge, das Wrack in der Türkei zu entsorgen. "Aber wir interpretieren die europäische Richtlinie zur Müllentsorgung so, dass das Wrack in Italien bleibt, weil der riskante Transportweg dann kürzer ist", sagte der Minister. Palermo, Genua und Civitavecchia sind die italienischen Häfen, die sich um den Abwrack-Auftrag beworben haben. Wobei allein der sizilianische Hafen über die entsprechenden räumlichen Kapazitäten und ein ausreichend tiefes Hafenbecken verfügt. Doch der Hafen wäre damit für die nächsten zwei Jahre komplett blockiert und das wäre für Costa Crociere nicht gut. Der Konzern lässt in Palermo nämlich einen Teil seiner Flotte bauen. Laut einem Konzernsprecher hat Costa Crociere das niederländische Transportschiff "Dockwise Vanguard" reserviert, mit dem ein Abtransport der Costa Concordia in weiter entfernt liegende Häfen möglich wäre. Die Entscheidung über die letzte Reise der Costa Concordia werde im März fallen, hat Franco Gabrielli vom italienischen Katastrophenschutz angekündigt.
Die Entsorgung als Imagefrage
75.000 Tonnen Metall müssen fachgerecht entsorgt und recycelt werden. Wer diese Aufgabe erfolgreich löst, kann sich damit international einen Namen machen. Es geht also nicht nur um Geld und Arbeitsplätze. Es geht auch ums Image, und Italien kann einen Imagegewinn brauchen. "Der Unfall der Costa Concordia, der durch menschliches Versagen herbeigeführt wurde, hat ein schlechtes Licht auf Italien geworfen", sagt Rocco Pinatt. Für den Unternehmer im Exportgeschäft müsse Italien nun alles tun, um das Vertrauen im Ausland zurückzugewinnen. Von der Schuld des Kapitäns ist Pinatt überzeugt: "Unverantwortlich, wie sich dieser Mann verhalten hat. Wenn er rechtzeitig Hilfe angefordert hätte, wäre niemand ums Leben gekommen. Man kann sich nur für ihn schämen."