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Costa-Gavras im Gespräch

Das Interview führte Hans Christoph von Bock6. Februar 2008

Der griechisch-französische Regisseur Costa-Gavras gewann vor 18 Jahren einen Goldenen Bären. Bei den 58. Internationalen Filmfestspielen in Berlin ist der Vertreter des engagierten, politischen Films Jurypräsident.

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Costa Gavras, 29.1.2008, (Quelle: dpa)
Jurypräsident Costa Gavras freut sich auf viele schöne Filme auf der BerlinaleBild: picture-alliance/ dpa

DW-WORLD.DE: Sie haben einige Filme auf der Berlinale gezeigt und auch Auszeichnungen für "Musik Box" und "Amen" bekommen. Was bedeutet es für Sie, dieses Jahr Präsident der Jury zu sein?

Costa-Gavras: Erstmal konnte ich es kaum fassen. Dann habe ich mich riesig gefreut nach Berlin zu kommen, aber auch zurück nach Deutschland zu kommen, denn ich habe hier einige Freunde. Ich arbeite viel mit deutschen Schauspielern und brauche auch einige deutsche Schauspieler für meinen nächsten Film, also ist es ein großer Moment.

Sie werden sich viele Filme anschauen während des Filmfestivals. Könnten Sie uns beschreiben, wie der Job eines Jury-Präsident aussieht?

Ich schaue mir Filme an, bespreche diese mit der Jury und dann versuchen wir unser Bestes, den besten Film auszuzeichnen. Das ist alles. Ich versuche wirklich als Zuschauer zur Berlinale zu kommen, nicht als ein Techniker oder Kino-Experte. Das ist natürlich nicht so einfach, aber ich will mich wirklich in die Rolle eines beliebigen Zuschauers versetzen und frei von ideologischen oder ästhetischen Ideen sein.

Die Berlinale wird als politisches Filmfestival betrachtet, weil sie politischen Filmen mehr Aufmerksamkeit gibt. Stimmt dies mit Ihrer Idee von Kino überein?

Ich denke alle Filmfestspiele sind in gewisser Weise politisch. Die Berlinale ist vielleicht etwas ausdrücklicher politisch als andere Festivals weil eine bestimmte Richtung festgesetzt wird. Ich finde, das Kino braucht so etwas. Aber ich denke, dass Filmfestspiele Filme hervorheben sollten, die einen sozialen Inhalt haben, nicht nur Filme die Unterhaltung bieten. Das ist das wichtige. Denn wenn man zurückschaut auf die Geschichte des Films und des Theaters, da ging es in den wichtigsten Filmen meistens um sozial-politische Themen.

Ihre Filme wurden einstmals als Befreiung von der Diktatur der Vergnügungsindustrie Hollywoods gepriesen. Wenn Sie nun zurückschauen, wie weit ist das politische Kino heute gekommen?

Das hängt vom Geld ab. Manchmal hängt es vom Staat ab, manchmal aber auch von den Stars. In den letzten drei bis vier Jahren haben wir viele verschiedene Filme über die Probleme im Irak und die Probleme wegen des Öls gesehen, weil die großen Stars sich dazu entschieden hatten, solche Filme zu machen. Die großen Firmen wollen oft solche Filme nicht machen, aber sie fühlen sich wegen der Stars dazu verpflichtet, sie wollen sie zufrieden stellen, denn dies bedeutet, dass sie auch in Zukunft weiter mit ihnen arbeiten können. Das ist etwas Neues in der Kinogeschichte. Vorher waren es hauptsächlich die Regisseure oder die politische Situation in der Welt selbst, die die Firmen und Produzenten dazu drängten, Filme mit einem starken politischen Inhalt zu produzieren.

Also kann man sagen, dass es heute mehr politische Filme in Hollywood gibt?

Es gibt mehr in Hollywood, ja, aber auch in Europa, denn es gibt immer mehr Probleme auf der Welt. Ich glaube es gibt da eine Art Bewegung, direkt darüber zu sprechen. Ich persönlich glaube, dass alle Filme politisch sind. Der französische Philosoph Roland Barthes hat das einmal gesagt. Jeder Film beinhaltet etwas politisches, oder wir können jeden Film politisch analysieren, sagte er. Ich glaube das wirklich. Sogar Action-Filme haben einen gewissen sozialen Effekt auf junge Leute, oder das große Publikum, und das ist auch politisch.

Was können denn Filme in der heutigen Welt, in der wir einen Anstieg von Gewalt und ein sinkendes Interesse der Gesellschaft an Politik beobachten können, ausrichten?

Deutschland Film Berlinale Plakat in Berlin Potzdamer Platz
Bild: AP

Kino muss nicht sehr stark sein um die Gesellschaft zu verändern. In den 1930er Jahren haben wir gesehen wofür Kino benutzt werden kann. Aber ich bin der Meinung, Kino sollte in den Menschen Gefühle anregen, sollte richtig über Probleme sprechen, und dann sollten die Zuschauer entscheiden was sie damit machen. Das Publikum muss frei und unabhängig sein. Ich denke, Filme sollten den Menschen keine Ideen aufzwingen, die sie nicht mögen. Ich denke auch, dass Kino Unterhaltung ist, aber dass es auch notwendig ist, ein bisschen Inhalt zu haben.

Sie sprachen gerade von den 1930er Jahren. Glauben Sie also, dass Kino einen politischen Einfluss haben kann?

Einen enormen Einfluss. Die Welt hat sich schon oft wegen des Kinos geändert. Aber Produzenten und Regisseure müssen vorsichtig sein, ihre Ideen nicht zu propagieren, so wie es in den 30ern geschah. Das ist natürlich ein demokratisches Problem, bei dem die persönliche Erkenntnis eine große Rolle spielt.

Glauben Sie, dass sich politisches Kino mit Unterhaltung, oder sogar Humor, verbinden lässt?

Ja, denn selbst purer Unterhaltungsspektakel, so wie Fußball oder Zirkus, spielen eine Rolle in der Gesellschaft. Seit der Antike, spielen Tragödien eine große Rolle im Aufbau der Demokratie. Aber nicht nur eine Sorte von Kino ist wichtig, sondern das gesamte Kino.

Also heißt das, politisches Kino und Humor funktionieren zusammen?

Absolut. Schauen Sie sich doch Molière an, da funktionieren beide zusammen. Bei Shakespeare und Brecht auch. Theater hat das meistens gemacht, und für Kino gilt das gleiche. Alle großen Regisseure, so wie Fritz Lang, Renoir, John Ford, Kazan, haben in ihren Filmen die beiden Elemente gemeinsam benutzt und es funktionierte.

In ihren Filmen haben Sie oft Mechanismen von Macht in Diktaturen untersucht. Welche Themen interessieren Sie heute am meisten?

Ich finde, in unserer Gesellschaft ist Macht die wichtigste Angelegenheit, wer die Macht hat Gutes oder Schlechtes zu tun. Ich glaube wir haben alle Macht über Menschen, aber stehen auch unter der Macht anderer. Diese Machtpyramide ist Politik. Wenn Firmen wie Nokia zum Beispiel einfach tausende von Menschen ohne Arbeit auf der Strasse lassen, dann ist das Macht und auch Politik. In meinen Filmen geht es um diese Machtverhältnisse und auch um die Macht zwischen den einzelnen Menschen, wir zwischen mir und meinem Sohn zum Beispiel. Macht ist überall, und die Beziehung von Menschen untereinander läuft immer über Machtverhältnisse.

Zurück zur Berlinale. Am 7. Februar geht es los. Worauf freuen Sie sich am meisten?

Wissen Sie, wenn ich ins Kino gehe freue ich mich darauf, glücklich gemacht zu werden oder auch sauer. Ich freue mich darüber, zum Lachen gebracht zu werden, oder auch zum Weinen. Diese Gefühle sind die besten Momente in einem Film.

Was muss ein Film haben um Ihre Aufmerksamkeit zu erregen?

Ein gutes Drehbuch, gute Schauspieler, einen guten Regisseur, und etwas Geld. Billy Wilder sagte, sobald man ein gutes Drehbuch hat, hat man auch alles andere, und besonders das Geld. In Europa ist es manchmal schwierig, Geld zu bekommen.

Worum geht es in Ihrem nächsten Film "Eden is West"? Und, stimmt es, dass Sie den Film seit langer Zeit mal wieder in Griechenland drehen werden?

Nur ein Teil des Films wird in Griechenland gedreht. Es ist schwierig, in wenigen Sekunden einen Film zu beschreiben. Es ist ein Film über das Heute. Es ist ein Roadmovie über einen jungen Mann, der herausfindet, dass die westliche Welt nicht das Paradies ist, das er sich erhofft hatte.

Ihr Geburtstag ist während der Berlinale, am 13. Februar. Werden Sie feiern, und was wünschen Sie sich?

Wissen Sie, ich glaube, ab einem gewissen Alter muss man das Alter nicht mehr feiern. Mein einziger Wunsch ist, nicht zu feiern. Ein schönes Geschenk wäre vielleicht, einen guten Film an diesem Tag zu sehen.