1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Dürre in Frankreich, ein Dauerzustand?

Andreas Noll
16. Mai 2023

Seit Juli 2022 wird der Ort Coucouron im Zentralmassiv per LKW mit Trinkwasser versorgt. Dabei galt die Region bisher nicht als gefährdet. Wegen der Trockenheit im Land hat Paris eine Wasserstrategie verabschiedet.

https://p.dw.com/p/4RN3p
Frankreich See Montbel Europa Dürre Winterdürre
Sand und Steine statt Wasser und Wellen: Der Lac Montbel im Süden FrankreichsBild: VALENTINE CHAPUIS/AFP/Getty Images

Ein Badesee für die ganze Familie ist neben der Mittelgebirgslandschaft die einzige Touristenattraktion, die Coucouron im Zentralmassiv zu bieten hat. Doch nach der Dürre im vergangenen Sommer und einem drastisch gesunkenen Wasserspiegel konnte von Badespaß im See keine Rede mehr sein.

Der Wassermangel wurde zum großen Thema im Dorf, das mit seinen fast 800 Einwohnern ein Zentrum in der dünn besiedelten Haute Ardèche bildet. Denn das Wasser fehlte nicht nur im See, sondern auch im Boden. Das sonst sattgrüne Gras auf den Feldern und Weiden blieb bis zum Frühjahr braun - wochenlang fiel auch im Winter kein Tropfen Regen vom Himmel. Die Folge: Trinkwasser gibt es für die Menschen derzeit nur, weil es mehrmals in der Woche aus anderen Gemeinden in das Dorf auf mehr als 1000 Meter Höhe transportiert wird.

Seit fast einem Jahr sitzt Coucouron auf dem Trockenen: Die zahlreichen, aber kleinen natürlichen Quellen, die die Menschen bisher zuverlässig mit sauberem Wasser versorgt haben, sind durch die lang anhaltende Trockenheit weitgehend versiegt. Keiner der Dorfbewohner kann sich erinnern, so etwas in der Gegend schon einmal erlebt zu haben. Eigentlich gilt die Region als niederschlagsreich - im Umkreis von 30 Kilometern entspringen die Ardèche, der Allier und die Loire, der längste Fluss Frankreichs.

Nachbargemeinden helfen aus

Seit Juli 2022 kommt das Wasser über die Straße nach Coucouron. Große Tankwagen, die jeweils rund 12.000 Liter Wasser aufnehmen können, fahren derzeit zweimal pro Woche nach Saint-Cirgues-en-Montagne, um in der 13 Kilometer entfernten Nachbargemeinde eine Quelle anzuzapfen.

Für Coucouron eine teure Angelegenheit: Rund 100.000 Euro hat der Wassertransport über die Straße bereits verschlungen. Hinzu kommen die indirekten wirtschaftlichen Folgen: Die örtliche Käserei, mit 15 Mitarbeitern einer der wichtigsten Arbeitgeber, musste die Produktion des überregional bekannten Schimmelkäses vorübergehend drosseln.

Süd-Frankreich Saint-Cirgues-en-Montagne
Hilfe fürs Nachbardorf: In Saint-Cirgues-en-Montagne wird das Wasser für Coucouron abgepumpt Bild: Andreas Noll/DW

Doch nicht nur die Käseherstellung verbraucht viel Wasser. Schon die Milchproduktion verschlingt große Mengen: 120 Milchkühe hat allein einer der Handvoll Bauernhöfe im Dorf - jede Kuh trinkt rund 100 Liter am Tag. Eine ganze Tankwagenladung Wasser reicht auf dem Bauernhof gerade mal für einen Tag. Überall im Dorf wird also gerade spitz gerechnet.

Profiteure des Klimawandels

Bislang waren Wassermangel und die Folgen des Klimawandels für Coucouron keine Bedrohungen. Im Gegenteil: Die Region gilt als beliebter Rückzugsort für Menschen, die im Sommer unter der großen Hitze der südlich gelegenen Provence leiden. 

Auf 1000 Metern Höhe wird es in der Haute Ardèche auch im Juli und August selten wärmer als 30 Grad. Im Winter, wenn das Thermometer regelmäßig unter -10 Grad fällt, wirkt das Dorf dann wie ausgestorben. Aber auch für die wenigen verbliebenen Bewohner musste in diesem Jahr das Wasser mit Tankwagen herangeschafft werden.

Macron präsentiert nationale Wasserstrategie

Coucouron ist nur einer von vielen Orten in Frankreich, deren Wasserversorgung unter Druck geraten ist. Mehr als 500 Gemeinden wurden im vergangenen Sommer mit Trinkwassertankwagen versorgt. Ein unhaltbarer Zustand für ein so ehrgeiziges Land wie Frankreich. Längst ist das Thema Wasser auf höchster politischer Ebene angekommen.

Frankreich Corbère-les-Cabanes | Trinkwasser-Versorgung
Bisweilen bringt der Staat das Trinkwasser direkt ins Haus: wie hier in Corbère-les-Cabanes (Pyrenäen)Bild: RAYMOND ROIG/AFP

Ende März besuchte Staatspräsident Emmanuel Macron den Dürre-Hotspot Savines-le-Lac in den Alpen und stellte eine nationale Wasserstrategie vor. Bis 2030 soll das Land zehn Prozent Wasser einsparen.

Das Sparen sei nötig, so der Präsident, weil Frankreich wegen des Klimawandels bis 2050 rund 30 bis 40 Prozent weniger Wasser zur Verfügung haben werde. "Dieser Wasserplan ist vor allem ein Plan der Enthaltsamkeit und der langfristigen Effizienz bei der Wassernutzung", so Macron.

Frankreichs Präsident Macron
Steht dort, wo eigentlich Wasser sein sollte: Präsident Macron in Sainte-Savine-Le-LacBild: Sebastien Nogier/AP/picture alliance

Drastische Wasserverbote gehören längst zum Alltag. Auch im Winter und Frühling durften Anwohner in betroffenen Gemeinden weder Rasen sprengen noch ihre Gemüsegärten wässern. Neben Einsparungen will Macron auch auf die Wiederverwendung von gebrauchtem Wasser setzen - auch in Kläranlagen. Derzeit werde nur ein Prozent des Wassers wiederverwendet, in Spanien sind es 15 Prozent. 

Erneuerung der Infrastruktur

Parallel zu Sparappellen an die Bürger und strengeren Vorgaben für die Landwirtschaft möchte der französische Staat auch in die Infrastruktur investieren. In Coucouron wurde damit bereits begonnen. Die Schwierigkeiten mit der Wasserversorgung haben die über die Jahre gewachsene Gemeinde veranlasst, ihr Wassernetz genauer unter die Lupe zu nehmen.

Vier große Löcher in den Leitungen entdeckte ein Spezialist per Ultraschall und ließ die Lecks umgehend schließen - allein dadurch sank der Wasserverbrauch um 40 Kubikmeter pro Tag. Der durch die Trockenheit betonharte Boden hatte offenbar die Bildung der Lecks begünstigt.

Süd-Frankreich Coucouron Wanderweg
Grüne Wiesen, blauer Himmel, viele Wanderwege: Wie wirkt sich die Dürre im Zentralmassiv auf den Tourismus aus? Bild: Andreas Noll/DW

Doch ein modernes Leitungsnetz und die Hoffnung auf ergiebigen Regen reichen nicht aus. Derzeit graben Bauarbeiter eine sechs Kilometer lange Verbindung zu einer Wasserquelle in einem abgelegenen Weiler. Im März haben die Arbeiten für die neue Trinkwasserversorgung begonnen. Wenn die Leitung voraussichtlich im Juni in Betrieb geht, soll das Problem gelöst sein - und die Tankwagen wieder Milch statt Wasser transportieren.

Rund eine Million Euro investiert die Gemeinde in die Erschließung der neuen Quelle. Zu viel für den kleinen Haushalt - das Dorf hat einen Kredit aufgenommen und muss damit perspektivisch den Gürtel enger schnallen. Wenn im Sommer die Touristen wieder an den Badesee strömen, so hoffen die Verantwortlichen im Rathaus, soll für die Gäste aber wieder alles sein wie früher.