1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Dafür sind Freunde da!

27. September 2014

Freunde braucht man zum Feiern und in Krisenzeiten. Und wenn sie nur zuhören. Für die evangelische Kirche erzählt Gerhard Richter von den Sorgen und Hoffnungen, die uns mit Freunden verbinden.

https://p.dw.com/p/1DLPy
Schnee auf der Zugspitze
Bild: picture-alliance/dpa

Unerwartet kann sich alles ändern
Ich weiß, ich sollte meinen Tag nicht damit beginnen, dass ich meine Emails aufrufe. Zuviel Zeit raubt einem das, wenn man sich einmal darauf eingelassen hat. Aber ich erwarte eine dringende Nachricht von einer guten Freundin.

Letzte Woche hatte sie mich besucht. Etwas müde sah sie aus. Matt fühle sie sich. Erzählte sie mir. Jetzt schon seit drei Wochen könne sie nicht mehr richtig essen. Sie müsste sich regelrecht dazu zwingen irgend etwas in den Magen zu bekommen. Aber in 90 Prozent der Fälle nimmt das Essen wieder einen schnellen Abschied. Oben oder unten...

Die Blutuntersuchungen wären ohne Befund. Das Labor könnte nichts Auffälliges finden. Die Ärzte seien ratlos. Tatsächlich war sie nur noch ein Schatten ihrer selbst. Sie hatte bereits einige Kilo abgenommen. In der vergangenen Woche hatte ein Arzt eine Gewebeprobe entnommen. Sie sollte auf Krebszellen geprüft werden.

Damit war das Verhängnis in ihr Leben eingebrochen.Unerwartet. Durch die Hintertür. Was hatte sie getan. Womit hatte sie sich diese Krankheit herangezogen? Krebs – eines der Schreckgespenster der modernen Medizin. Unheilbar. Meist mit starken Schmerzen verbunden. Der Alltag wäre von Behandlungen bestimmt. Gott sei Dank hat sie keine Schmerzen. Und sie hat ein sonniges Gemüt. Sie steht auf dem Standpunkt: Sterben muss ich sowieso. Die Frage ist nur wann und wie.

Der Glaube trägt auch in größter Gefahr
Dennoch: Als sie mir das alles berichtete, machte sich Schweigen zwischen uns breit. Natürlich hätte ich ihr vieles sagen können. Vor einigen Jahren war ich in einer ähnlichen Situation. Die Ärzte hatten mich mit dem Hubschrauber ins Krankenhaus verfügt. Ein Herzinfarkt war der Anlass für das Flugticket. Ebenso unerwartet. Alternativen gab es keine. „Operation am offenen Herzen“ hieß der Plan.

Damals habe ich mir auch Gedanken gemacht, wie ich aus diesem Abenteuer hervorgehen werde. Möglicherweise wache ich ja aus der Narkose nicht wieder auf. Aber seltsamer Weise hatte ich keine Angst. Ich war durchaus nicht sicher, dass ich lebend wieder aus dem Operationssaal kommen würde. Aber ich war davon überzeugt, dass mir nichts Schlimmes passieren könnte.

Logisch – mein christlicher Glaube hat mir dabei den Rücken gestärkt. Ich war der festen Überzeugung, dass ich mich vor dem Sterben nicht fürchten muss. Mein Leben ist mehr als Fleisch und Blut. Und ich bin davon überzeugt, dass Geist und Seele Bestand haben werden. Zusagen dafür gibt es in der Bibel genügend. Mir hilft immer schon der Satz: „Fürchte dich nicht, ich bin bei dir bis an das Ende der Welt.“

Aber das war meine Geschichte, mein Glaube. Das kann ich doch niemandem anbieten, von dem ich nicht weiß, ob sie – oder auch er – dieses Gottvertrauen teilt. Glaube ist eine sehr persönliche Sache.

Es gibt immer wieder Gründe, dankbar zu sein
Sie selbst löste das Schweigen, indem sie sagte: „Weißt du, ich bin froh, dass du dir das alles anhörst. Im Moment ist mir das Herz in die Hose gerutscht. Ich bin froh, dass du dir die Zeit nimmst und dir meine Sorgen anhörst. Ich weiß schon, dass man da wenig raten kann. Aber allein, dass du zuhörst, tut mir gut.“

„Wenn es nur das ist.“ habe ich ihr darauf geantwortet. „Dafür hat man doch Freunde – oder?“ Sie hat nur gelächelt. „Na und manchmal auch zum Feiern – meinst du nicht?“ Ich habe nicht darauf geantwortet. Das Feiern muß wohl noch eine Weile warten. Nun sitze ich da und warte auf ihre Nachricht. Gestern hatte sie den Befund erwartet. Sie wollte mir gleich Bescheid geben. Ich hoffe sehr, dass sie eine gute Nachricht bekommen hat. Kein Krebs – das wäre wirklich ein Grund zum Feiern. Und zum Danken. Das mache ich übrigens seit jener Operation auch öfter als vorher.

Zum Autor:

Pfarrer Gerhard Richter
Pfarrer Gerhard Richter, BibraBild: GEP

Gerhard Richter (Jahrgang 1957) ist seit November 2004 Gemeindepfarrer im Dörfchen Bibra im Süden Thüringens, das zur Gemeinde Grabfeld gehört. 2011 wurde er zum 2. Stellvertreter der Superintendentin des Kirchenkreises Meiningen gewählt. 1997 entsandte ihn das Evangelisch-Lutherische Missionswerk Leipzig für sieben Jahre in den Distrikt Nordmassai der Arusha-Diözese in der Evangelisch Lutherischen Kirche in Tansania als Missionar. Gerhard Richter hat zwei Söhne und eine Tochter, die mittlerweile schon das dritte Enkelkind geboren hat.