Danke, Amerika!
29. Mai 2015Es ist ein Volltreffer. Brasilien bejubelt die Festnahme der FIFA-Funktionäre in der Schweiz, insbesondere die Verhaftung von José Maria Marín, bis vor kurzem Präsident des mächtigen brasilianischen Fußballverbandes CBF.
"Die Stimmung hier ist sehr optimistisch, Wir hoffen, dass die Ermittlungen weitergehen", erklärt der brasilianische Sportjournalist Ubiratan Leal vom Internet-Portal "Trivela" gegenüber der DW. "Wir betrachten den Schlag gegen die FIFA als einen Sieg, den es zu feiern gilt".
Schadenfreude, Triumphgefühle, Erleichterung: In der brasilianischen Öffentlichkeit ist die Verhaftung der FIFA-Funktionäre und Sportmanager mit großer Sympathie und Genugtuung aufgenommen worden. Nach den Erfahrungen während der WM gilt der Weltfußballverband in Brasilien als Inbegriff für Korruption, Arroganz und Inkompetenz.
"Wir wollen Transparenz"
"Das ist nur die Spitze des Eisbergs", meint auch der ehemalige Mittelstürmer Alex de Souza vom "Bom Senso FC". In dem Fußballklub "für den gesunden Menschenverstand", so die Übersetzung des Namens haben sich Spieler und ehemalige Spieler zusammengeschlossen, die den brasilianischen Fußball reformieren wollen. "Wir hoffen, dass die Ermittlungen der US-Justiz auch die CBF und die Klubs zu mehr Transparenz zwingen".
Brasiliens ehemaliger Fußballstar Romário beglückwünschte die amerikanische Justiz und Schweizer Polizei zu ihrem Coup. "Irgendwann musste es passieren", meint der Fußballspieler aus Rio, der seit 2014 im brasilianischen Senat sitzt. "Schade nur, dass die Funktionäre nicht in Brasilien festgenommen wurden".
Nach mehreren gescheiterten Anläufen stimmte der brasilianische Senat am Donnerstag auf seinen Druck hin der Einberufung einer parlamentarischen Untersuchungskommission (CPI) zu, die den Korruptionsvorwürfen gegen den brasilianischen Fußballverband (CBF) nachgehen soll. Romário, von den Brasilianern liebevoll "der Kleine" genannt, kommt beim FIFA-Gate groß raus.
Unter den in der Schweiz festgenommenen Verdächtigen befinden sich neben dem ehemaligen CBF-Chef José Maria Marín auch José Hawilla, Inhaber der Sportmarketingfirma Traffic, und José Margulies, Inhaber mehrerer Firmen, die Fernsehübertragungen verhandeln.
Der 83jährige Marin ist in Brasilien nicht nur als Fußballfunktionär, sondern auch als Politiker der brasilianischen Militärdiktatur (1964 – 1985) bekannt. Marin war 1969 Bürgermeister der Metropole São Paulo und von 1982 bis 1983 Gouverneur des gleichnamigen Bundesstaates.
Erinnerung an die WM
"In Brasilien wird José Maria Marín aufgrund seiner Kollaboration mit den Militärs von vielen gehasst", weiß Sportjournalist Ubiratan Leal. "Viele sagen sich, jetzt fehlt nur noch eins: Ein Foto von Marin hinter Gittern!".
Dass Ermittlungen gegen Fußballfunktionäre nicht nur in den USA, sondern auch in Brasilien gründlich und effizient geführt werden können, stellte die Justiz des Landes während der WM unter Beweis. Am 4. Juli 2014 nahm die Polizei in Rio Manager und Mitarbeiter von FIFA-Vertragspartnern fest, die Eintrittskarten illegal auf dem Schwarzmarkt zu horrenden Preisen weiterverkauft hatten.
Der Coup der brasilianischen Polizei sorgte damals weltweit für Schlagzeilen. Die Aktion setzte die FIFA, die Brasilien stets wegen mangelhafter WM-Vorbereitung kritisiert und sogar mit der Verlegung des Turnier gedroht hatte, selbst auf die Anklagebank.
Die Ermittlungen des FBI haben nun die brasilianische Justiz erneut auf den Plan gerufen.Brasiliens Justizminister José Eduardo Cardozo beauftragte die Staatsanwaltschaft, "etwaige Unregelmäßigkeiten führender Funktionäre und Ex-Funktionäre des brasilianischen Fußballs zu ermitteln".
Brasiliens Justiz muss liefern
Die Anti-FIFA-Ikone Romário ist zuversichtlich, dass dies gelingen kann: "Heute ist der Startschuss für eine neue Phase im brasilianischen Fußball gefallen", erklärte er nach dem Beschluss des Senats zur Gründung eines Untersuchungsausschusses. "Ich hoffe, dass bald auch Joseph Blatter noch verhaftet wird".
Für Sportjournalist Ubiratan Leal ist Blatter bereits vom Thron gestoßen worden - trotz seiner erneuten Wiederwahl zum FIFA-Präsident. "Die Wahl verschafft ihm lediglich Zeit, um seinen Abgang zu organisieren", prognostiziert er. "Ein FIFA-Präsident, der beim europäischen Fußball keinen Rückhalt mehr genießt und gegen den die amerikanische Justiz ermittelt, hat keine Zukunft".