Abe in Gefahr
13. Juli 2007DW-WORLD.DE: Mehrere Skandale haben in den vergangenen Wochen Ministerpräsident Shinzo Abe belastet. Der Verteidigungsminister musste wegen umstrittener Äußerungen zu den Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki zurücktreten. Dem Landwirtschaftsminister werden Bilanzierungs- und Steuertricks vorgeworfen. Sein Vorgänger hatte im Juni Selbstmord begangen, weil er wegen dubioser Fondsgeschäfte ins Zwielicht geraten war. Welche Auswirkungen werden diese Affären auf die Wahlen haben?
Patrick Köllner: Sie werfen auf jeden Fall ein negatives Licht auf die Parteienlandschaft in Japan im Allgemeinen und auf die regierende Liberaldemokratische Partei (LDP) im Besonderen. Premierminister Abe hatte seine Amtszeit im Herbst 2006 verheißungsvoll begonnen mit verschiedenen hoch angelegten Besuchen in China und Südkorea. Das Moment verflüchtigte sich dann aber doch ziemlich schnell und er verhedderte sich in einer Reihe von Fallstricken der einheimischen Politik.
Welche Chancen hat die LDP bei der Oberhauswahl?
Abes Unterstützung ist zwar deutlich abgesackt, seit er ins Amt gekommen ist. Er gilt aber immer noch als populärer als der Kandidat der größten Oppositionspartei (Demokratische Partei Japans, DPJ), deren Vorsitzender Ichiro Ozawa ist. Abe kann also zumindest noch mit ein bisschen persönlicher Popularität punkten. Aber die Unterstützungswerte für seine eigene Partei sind doch deutlich in den Keller gegangen. Man redet in Japans Regierungspartei von einer magischen Grenze von 45 Sitzen, die Abe erhalten müsste. Wenn das nicht gelingen sollte, dann könnte er in der Tat nach der Wahl ganz schnell vom Fenster weg sein.
Ist die Oberhauswahl als weniger wichtig einzustufen als eine Unterhauswahl?
Sie ist als etwas weniger wichtig einzustufen, weil das Unterhaus eigenständig den Haushalt verabschieden kann und eigenständig Verträge mit dem Ausland abschließen kann. Es kann auch bei Meinungsverschiedenheiten mit Zweidrittelmehrheit das Oberhaus überstimmen. Das ist aber ein sehr mühsamer Prozess. Wenn die LDP nun die Mehrheit im Oberhaus verlieren sollte, erschwert das die Regierungsarbeit, und es könnte die Regierung das eine oder andere Mal in Verlegenheit bringen. Insofern sind die Oberhauswahlen nicht unter zu bewerten. Sie sind nicht nur eine wichtige Trendwahl. Sie wirken sich auch auf den politischen Entscheidungsprozess aus. Schließlich sind sie ganz entscheidend für die Akteure an den Spitzen der Parteien. Es ist ja nicht nur die Zukunft des Premierministers Abe, über die hier entschieden wird, sondern auch die des Vorsitzenden der DPJ, Ozawa. Der hat schon gesagt, er werde zurücktreten, wenn die Opposition keine eigene Mehrheit im Oberhaus gewinnen sollte.
Wenn Abe keinen Mindesterfolg bei den Wahlen erzielt, wird er also nicht nur als LDP-Chef, sondern auch als Ministerpräsident ausgetauscht?
Absolut! Im Endeffekt würde es gleichzeitig passieren. Es kann keinen Wechsel im Amt des LDP-Chefs geben, wenn es nicht gleichzeitig einen Wechsel im Amt des Premierministers gibt - und umgekehrt. Es ist eine Frage der Größenordnung der Niederlage. Denn, dass die LDP geschwächt aus der Wahl hervorgehen wird, ist ganz sicher. Wenn es der LDP allerdings gelingen sollte, zusammen mit ihrem Koalitionspartner, der Neuen Komeito (NK), und ein oder zwei unabhängigen Abgeordneten die eigene Mehrheit im Oberhaus zu verteidigen, dann könnte das noch reichen, um Abe im Amt zu halten. Sollte aber die Regierungskoalition die Mehrheit verlieren und auch mit unabhängigen Abgeordneten nicht zurückbekommen, dann bedeutet das fast unausweichlich, dass Abe zurücktreten muss.
Wer sind mögliche Nachfolger? In Lauerposition stehen etwa Außenminister Taro Aso und der ehemalige Finanzminister Sadakazu Tanigaki, die beide schon im vergangenen September ins Rennen um das Präsidium der LDP gestiegen waren.
Auf jeden Fall muss man die beiden an erster Stelle sehen. Sie hatten beide bei der letzten LDP-Präsidentschaftswahl ihren Hut in den Ring geworfen. Und insbesondere Aso, der Außenminister, konnte dabei einen wirklichen Achtungserfolg in der Partei verzeichnen. Deshalb ist er der heißeste Anwärter auf das Amt des Premierministers. Tanigaki hat zwar einen sehr guten Ruf als nüchterner Technokrat. Er ist sehr gut in Finanzfragen. Und er ist auch sehr wohl gelitten bei ausländischen Wirtschaftspartnern. Aber er gilt doch als ein wenig blutleer und verfügt nicht über ein so großes Standing in der eigenen Partei. Es würde mich überraschen, wenn er an Aso vorbeizöge.
Sind das die beiden einzigen Alternativen?
Nein, man könnte aber auch die Frage stellen, falls die Partei tief genug in der Krise rutscht und keiner der nachrückenden Kandidaten aussichtsreich sein sollte, ob der ehemalige Premierminister Koizumi es sich doch noch einmal überlegen könnte oder man ihn überreden könnte, noch einmal in die Verantwortung zurückzukehren.
Dr. habil. Patrick Köllner ist Direktor des GIGA Institut für Asien-Studien in Hamburg.