Darf Julia Timoschenko zur Behandlung nach Deutschland?
31. März 2012Sei es bei der Paraphierung des mühsam ausgehandelten Assoziierungsabkommens Ende März, sei es beim Gipfeltreffen im Dezember: Auch in Brüssel war der Ukraine immer wieder deutlich gemacht worden, dass ohne eine Freilassung der früheren Ministerpräsidentin Julia Timoschenko an eine Annäherung an die Europäische Union nicht zu denken sei. Nun scheint sich nach Presseberichten ein Weg zu öffnen, Timoschenko freizubekommen und gleichzeitig der ukrainischen Führung zu ermöglichen, dabei ihr Gesicht zu wahren.
Von Charkow in die Charité
Die "Süddeutsche Zeitung" (SZ) berichtet, die Bundesregierung setze sich vorsichtig, aber nachhaltig dafür ein, die bei Charkow inhaftierte Oppositionsführerin zur Behandlung in die Berliner Charité zu holen. Nach Informationen des Blattes sagte die ukrainische Seite bereits zu, die rechtlichen Voraussetzungen für eine Entlassung Timoschenkos schaffen zu wollen. Die Generalstaatsanwaltschaft in Kiew solle dazu ein Gesetz über Auslandsbehandlungen für Häftlinge prüfen.
Genannt wird insbesondere der außenpolitische Berater von Bundeskanzerin Angela Merkel, Christoph Heusgen, der in Verhandlungen stehe mit dem Leiter des ukrainischen Präsidialamtes, Sergej Lewotschkin. Auf sein Betreiben hin hätten bereits der Leiter der Berliner Charité, Karl Max Einhäupl, und der Orthopäde Norbert Haas Timoschenko im Februar zwei Stunden lang untersuchen dürfen, gemeinsam mit kanadischen Ärzten, schreibt die "Süddeutsche".
Die beiden Deutschen hätten einen Bandscheibenvorfall diagnostiziert und seien damals zu dem Schluss gekommen, dass die Politikerin nicht in einem Gefängnis behandelt werden könne. In Verhandlungen mit der ukrainischen Staatsführung bot das Bundeskanzleramt nach "SZ"-Informationen deshalb eine Therapie der 51-Jährigen in der Charité an.
Chance auf Einlenken vor Fussball-WM?
Timoschenko war im Oktober wegen eines angeblich illegalen Gasgeschäftes mit Russland zu einer siebenjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Im Westen gilt ihre Verurteilung als politisch motiviert. Der Politikerin drohen allerdings noch weitere Prozesse in der Ukraine wegen mutmaßlicher Steuerhinterziehung und Veruntreuung öffentlicher Gelder.
Die Führung in Kiew unter Präsident Viktor Janukowitsch hofft auf die Unterzeichnung des am Freitag paraphierten Assoziierungsabkommens mit der Europäischen Union und muss außerdem Kritik während Fußball-Europameisterschaft fürchten, die im Juni in Polen und der Ukraine ausgetragen wird. Beides dürfte in Berlin als möglicher Anreiz für ein Entgegenkommen im Fall Timoschenko eingeschätzt werden.
SC/kle (afp,dapd,SZ)