Das BIP wackelt, die Kauflaune sinkt
25. November 2021Die deutsche Wirtschaft hat im Sommer ihr Wachstumstempo etwas gedrosselt. Die Wirtschaft ist im dritten Quartal weniger stark gewachsen als zunächst gedacht. Wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag mitteilte, stieg das Bruttoinlandsprodukt (BIP) gegenüber dem zweiten Quartal 2021 um 1,7 Prozent. Das sind 0,1 Prozentpunkte weniger als in den vorläufigen Berechnungen von Ende Oktober angenommen. Die Bundesbank rechnet damit, dass die Wirtschaft im laufenden Quartal auf der Stelle treten könnte. Einige Fachleute befürchten sogar ein Schrumpfen des Bruttoinlandsproduktes.
Wie das Bundesamt weiter mitteilte, war die Wirtschaftsleistung gegenüber dem vierten Quartal 2019 - dem Quartal vor Beginn der Corona-Krise - 1,1 Prozent geringer. Getragen wurde das Wachstum im dritten Quartal 2021 vor allem von höheren privaten Konsumausgaben, die gegenüber dem Vorquartal preis-, saison- und kalenderbereinigt um 6,2 Prozent zulegten.
Abgeschwächter Aufholprozess beim Wirtschaftswachstum
Auch der für die deutsche Wirtschaft wichtige Export kann dem BIP gegenwärtig nicht helfen. Der Handel mit dem Ausland nahm ab: Im 3. Quartal 2021 wurden bereinigt 1,0 Prozent weniger Waren und Dienstleistungen exportiert als im zweiten Quartal; die Importe sanken mit 0,6 Prozent etwas weniger.
Insgesamt zeigen sich für das dritte Quartal laut Bundesamt bei der Bruttowertschöpfung Unterschiede je nach Wirtschaftsbereich. Während es in den meisten Dienstleistungsbereichen demnach "deutliche Anzeichen einer Erholung" gab, ging sie im Verarbeitenden Gewerbe (minus 2,2 Prozent) und im Baugewerbe (minus 1,2 Prozent) gegenüber dem zweiten Quartal zurück.
Im Vorjahresvergleich lag das BIP bereinigt um 2,5 Prozent höher als im dritten Quartal 2020. "Der Aufholprozess nach den historischen Rückgängen 2020 setzte sich somit abgeschwächt fort", erklärte das Bundesamt. Im zweiten Quartal dieses Jahres war das BIP im Vorjahresvergleich demnach zweistellig um revidiert 10,4 Prozent gestiegen.
Ende der Erholungsphase?
Sebastian Dullien, der Vorsitzende des Institutes für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) sagte dazu der Nachrichtenagentur Reuters: "Die Erholung im dritten Quartal war in erster Linie vom privaten Konsum getrieben. Die Investitionen waren eher schwach. Hinter der Investitionsschwäche dürften Lieferschwierigkeiten bei Vorleistungen wie Halbleitern, aber auch Baumaterialien stehen."
Die mittelfristigen Aussichten sieht IMK-Chef Dullien getrübt: "Im laufenden vierten Quartal dürfte die Konsumerholung allerdings zu einem Ende kommen. Die neue Infektionswelle und neue Kontaktbeschränkungen werden den Konsum dämpfen, und wir könnten hier sogar ein Minus sehen. Die Hoffnung ist, dass sich im Gegenzug die Industrie etwas besser entwickelt, weil sich die Lage bei den Vorprodukten allmählich entspannt."
Sinkende Kauflaune gefährdet Weihnachtsgeschäft
Die Nürnberger GfK-Marktforscher sagen in ihrem Konsumklima-Barometer für Dezember einen Rückgang um 2,6 auf minus 1,6 Punkte voraus. Das ist der niedrigste Wert seit einem halben Jahr. Von Reuters befragte Experten hatten lediglich mit minus 0,5 Zählern gerechnet. "Das Konsumklima wird gegenwärtig von zwei Seiten in die Zange genommen", erklärte GfK-Fachmann Rolf Bürkl am Donnerstag.
Die explodierenden Corona-Inzidenzen und die Furcht vor weiteren Einschränkungen laste auf der Verbraucherlaune. Zum anderen lasse eine hohe Inflationsrate von derzeit 4,5 Prozent die Kaufkraft der Verbraucher dahinschmelzen: "Dies dämpft die Aussichten für das bevorstehende Weihnachtsgeschäft etwas." Hinzu komme auch, dass die Sparneigung ansteige.
Die GfK hatte für die Studie vom 4. bis zum 15. November im Rahmen der Studie "GfK-Konsumklima MAXX" im Auftrag der EU-Kommission rund 2000 Verbraucherinterviews geführt. Die Studie wird monatlich wiederholt.
Trübe Herbststimmung
"Die deutschen Konsumenten sind in Moll gestimmt", fasst der Ökonom Jörg Zeuner die Lage zusammen. "Die Bürger schätzen sowohl die volkswirtschaftliche als auch ihre persönliche finanzielle Situation schlechter ein als in den Vormonaten. Hinzu kommt: Selbst wer sein Geld ausgeben will, kann das nicht ohne weiteres tun, denn die Lieferengpässe belasten das Angebot und die Eindämmungsmaßnahmen halten manche Menschen von den Geschäften fern."
Beim Blick in die Zukunft wird der Chefvolkswirt bei Union Investment auch nicht zuversichtlicher: "Ein schneller Stimmungsumschwung ist nicht zu erwarten. Aber immerhin haben die Bürger und die Unternehmen in den vergangenen zwei Jahren gelernt, mit Infektionswellen umzugehen."
Noch hofft der Handel
Die deutschen Einzelhändler rechnen trotz aller Widrigkeiten dennoch mit einem Rekordumsatz in der laufenden Weihnachtssaison. Doch alles hänge vom weiteren Verlauf der Pandemie und den damit verbundenen Maßnahmen ab, warnte der Handelsverband Deutschland (HDE) jüngst. In mehreren Bundesländern gilt im Einzelhandel vorerst die 2G-Regel, so dass nur Genesene und Geimpfte Zutritt haben.
Die Bereitschaft der Verbraucher zum Kauf teurer Güter wie etwa Möbel oder Autos ließ laut GfK im November nach. Im Sog sinkender Konjunktur- und Einkommensaussichten büßte das Barometer für diese sogenannte Anschaffungsneigung ein und weist nun 9,7 Punkte auf. Ein niedrigerer Wert wurde für die Konsumstimmung zuletzt im Februar 2021 mit 7,4 Punkten gemessen. Im Vorjahresvergleich beträgt das Minus laut den Nürnberger Marktforschern nun knapp 21 Zähler.
dk/iw (rtr, dpa, afp)