Das Ende der Obama-Mania?
30. Oktober 2010Anfang Oktober ist Barack Obama in seine Heimatstadt Chicago gekommen, um Alexi Giannoulias zu unterstützen. In der größten Stadt des Bundesstaats Illinois sammelt der Präsident vor allem Spenden für seinen Parteifreund. Denn der 34-jährige Giannoulias soll jenen Sitz im Senat übernehmen, den der Präsident vor zwei Jahren aufgegeben hat, als er nach Washington ging.
Doch der Demokrat muss kämpfen. Politische Beobachter sehen ihn und seinen republikanischen Herausforderer Mark Kirk Kopf an Kopf. Und das liegt, wie im ganzen Land, vor allem an der mangelnden Begeisterung für die Demokraten, erklärt David Fagus: "Das Interesse der Menschen ist definitiv gesunken, sie sind apathisch." David Fagus mischt seit 1983 für die Demokraten in Wahlkämpfen mit, zunächst als Helfer, später selbst als Kandidat. In seinem Büro hängt heute noch ein Poster, das seinen Namen über dem von Barack Obama zeigt. Das war 2006, als Fagus sich um den demokratischen Bezirksvorsitz und Obama um den Senatssitz bewarb, der jetzt wieder zur Wahl steht.
Den Demokraten mehr Zeit verschaffen
Das Wahlkampfbüro von David Fagus liegt im 49. Stadtbezirk im Norden Chicagos. Es ist eines der liberalsten Viertel der Stadt, sagt er, und dennoch hat er noch nie erlebt, dass sich so wenige Freiwillige für eine Wahl engagieren: "Einige hatten unrealistische Erwartungen, was Barack als Präsident tun kann und wie schnell die Dinge sich ändern würden", erklärt er. Vor allem den jungen Leuten gehe der versprochene Wandel nicht schnell genug. Inzwischen, so Fagus, denken sie “Obama ist genau wie die anderen Politiker."
Die Sozialarbeiterin Joanne Smith ist eine der wenigen, bei denen es genau anders herum ist. Vor zwei Jahren hatte sie keine Zeit für den Wahlkampf, erklärt sie, aber jetzt kommt sie jeden Mittwoch in ein Gemeindezentrum in Chicagos Stadtteil Hyde Park. Ganz in der Nähe steht das Haus der Familie Obama. "Ich glaube, dass es sehr wichtig ist, dass die Leute zur Wahl gehen", erklärt sie, einen schwarzen Telefonhörer am Ohr. Die Demokraten hätten noch eine Chance verdient für ihre Politik des Wechsels. "Sie haben noch nicht genug Zeit dafür gehabt", sagt Joanne. Gemeinsam mit anderen Freiwilligen arbeitet sie die Telefonlisten ab, die Barack Obamas Wahlkampfteam "Organizing for America" zur Verfügung gestellt hat. Denn wenn die Republikaner an die Macht kommen, so die Sorge der Sozialarbeiterin, dann würden viele Sozialprogramme gekürzt.
Treue Aktivisten
Organisiert hat diese Telefonaktion Judy Lewis. Die 71jährige rüstige Chicagoerin hat auch schon vor zwei Jahren für Barack Obama um Stimmen geworben. Damals, im Januar 2008, war sie schon bei den ersten Vorwahlen in Iowa mit dabei. Judy Lewis meint, dass Obama viel erreicht hat: "Ich hätte niemals gedacht, dass er in den ersten anderthalb Jahren die Gesundheitsreform und die Finanzreform verabschiedet, die amerikanische Autoindustrie rettet, College-Studenten günstigere Kreditbedingungen verschafft und den Verbraucherschutz bei Kreditkarten verbessert", zählt sie auf und fährt fort: "Außerdem wird Frauen bei gleicher Arbeit jetzt das gleiche Einkommen wie Männern garantiert.
Es ist unverständlich, dass einige Leute sagen, es geht zu langsam." Und sie ist optimistisch. Je näher die Wahl rückt, sagt sie, desto mehr Freiwillige würden sich finden, desto motivierter würden die Demokraten: "Entscheidend ist die Wahlbeteiligung."
Im Moment sind aber vor allem die Republikaner motiviert. Wenn sie Obamas Senatssitz erobern, hätte das einen hohen symbolischen Wert, sagt Peter Coffey, Direktor der Abteilung für Regierungsangelegenheiten der De Paul Universität in Chicago. "Aber hier in Chicago ist man auf jeden Fall stolz darauf", so Coffey, "dass ein Sohn der Stadt Präsident ist." Das werde helfen, unabhängige Wähler zu gewinnen, die vielleicht nicht so von Obamas bisherigen Erfolgen überzeugt sind. Doch mit diesem Pfund kann der Präsident nur in seiner Heimatstadt wuchern. Deswegen lässt er sich hier auch gerne sehen, um apathische Wähler und Wahlkampfhelfer zu motivieren und er beschwört sie: "Wenn Ihr Euch noch einmal begeistern könnt, wenn Ihr an Türen klopft, Telefonanrufe macht, mit Freunden sprecht, und in die Schönheitssalons und Friseursalons geht, dann verspreche ich Euch, dass Alexi der nächste Senator des großartigen Staates Illinois sein wird." Ein gewagtes Versprechen angesichts der prekären Lage, in der sich die Demokraten derzeit befinden.
Autorin: Christina Bergmann
Redaktion: Mirjam Gehrke