Das Geschäft gegen den Hunger
22. Januar 2013Wenn Jürgen Fitschen, einer der zwei Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank, auf die Grüne Woche nach Berlin kommt, dann sicherlich nicht, um die kulinarischen Köstlichkeiten in den Messehallen zu genießen. Nahrungsmittel sind für Fitschen eine Ware und zwar eine, mit der man immer bessere Geschäfte machen kann. Für die Deutsche Bank zählt der Rohstoffhandel zu den Wachstumssegmenten im Kapitalmarktgeschäft. Zwar hatte die Deutsche Bank den Handel mit Agrar-Finanzprodukten im vergangenen Jahr ausgesetzt. Nach einem Vorstandsbeschluss, so Fitschen, sollen die Geschäfte mit börsennotierten Indexfonds aber wieder uneingeschränkt möglich sein. Man habe keinen Nachweis gefunden, dass die Spekulation für die Preisentwicklung verantwortlich sei, sagte Fitschen: "Es ist angedeutet worden, dass nicht völlig ausgeschlossen werden kann, dass es zur Volatilität unter bestimmten Umständen beitragen kann, aber die Volatilität gibt es auch in Abwesenheit von diesen Produkten."
Ohne Kapital keine Landwirtschaft
Die Deutsche Bank sichert nicht nur Börsengeschäfte mit Agrarrohstoffen ab, sondern vermittelt auch Kredite an Landwirte, Händler und Nahrungsmittelproduzenten in aller Welt. Jüngst wurde ein 135 Millionen US-Dollar schwerer Fonds aufgelegt, der den Agrarhandel und Investitionen in die afrikanische Landwirtschaft befördern soll. Ihn diesen Fonds seien auch Gelder aus der deutschen Entwicklungshilfe geflossen. Ohne Zugang zu Kapital, so resümiert Fitschen, könne die landwirtschaftliche Produktion weder ausgeweitet noch verbessert werden. Auch in der Landwirtschaft müsse gelten, was für jede andere Investitionsentscheidung Gültigkeit habe, "dass man sie nach sachlichen und rationalen Kriterien vornimmt. Das heißt, jeder Investor möchte für sein Investment eine angemessene Rendite haben."
Emotionen dürften keine Rolle spielen, so Fitschen. Er sagt das in einer Diskussionsrunde des Internationalen Agrarforums auf der Grünen Woche, in der auch Bärbel Diekmann, die Präsidentin der Welthungerhilfe, sitzt. Sie ist ganz anderer Meinung als Fitschen und entgegnet, dass Spekulationen eindeutig dazu beigetragen hätten, durch die Volatilität bei Preisen Hungersituationen gerade in kritischen Momenten zu verstärken. "Wenn 850 Millionen Menschen weltweit hungern, wenn Kinder unterernährt sind, obwohl ausreichend Lebensmittel weltweit produziert werden, wenn die Verteilung dieser Lebensmittel nicht klappt und wenn dann noch in Ländern, in denen es eine hohe Hungerquote gibt, Investoren nicht zu Gunsten der Kleinbauern investieren, dann bin ich emotional."
Vorbildliches Projekt von Nestlé
Finanzgeschäfte im Agrarbereich, bei denen in der Regel das Land gekauft und den Kleinbauern weggenommen werde und die Erträge exportiert würden, seien keine Investitionen in die Landwirtschaft, sondern reine Finanztransaktionen, so Diekmann. Mehr Sympathien hat die Präsidentin der Welthungerhilfe für ein Geschäftsmodell, das der Lebensmittelkonzern Nestlé verfolgt. Das Unternehmen bezieht seinen Rohkaffee von derzeit 680.000 Kleinbauern weltweit. Da Nestlé seinen Umsatz mit Kaffeeprodukten in den nächsten zehn Jahren verdoppeln will, wird der Konzern 500 Millionen US-Dollar investieren, um die Produktivität der Kaffee-Anbauer zu steigern. Die Kombination aus unternehmerischen Interessen und den Interessen der Kleinbauern sei der Schlüssel, meint Peter Brabeck-Letmathe, Präsident des Nestlé-Verwaltungsrats. "Wir geben den Kleinbauern in Afrika, China, Vietnam und Südamerika 220 Millionen neue kleine Pflanzen, die eine höhere Qualität und mehr Ertrag bringen. Wir trainieren sie, wir zeigen ihnen, wie sie mit weniger Wasser mehr produzieren können."
Das ist grundsätzlich ganz im Sinne der großen internationalen Organisationen wie der Welternährungsorganisation FAO. In den vergangenen Jahrzehnten waren die Investitionen in den Agrarsektor im Vergleich zu anderen Wirtschaftssektoren stets rückläufig. In den Entwicklungsländern investieren allein die Kleinbauern, sie können aber im Schnitt derzeit nur rund 114 Euro pro Jahr aufbringen. Die FAO schätzt, dass Investitionen in Höhe von insgesamt 83 Milliarden US-Dollar pro Jahr in die Landwirtschaft und die ländliche Entwicklung erforderlich sind, um die Nahrungsmittelnachfrage von mehr als neun Milliarden Menschen im Jahr 2050 abdecken zu können. Dabei sind die erforderlichen Investitionen in Infrastruktur, Lagereinrichtungen, Marktentwicklung, Ausbildung, Forschung und Entwicklung noch nicht eingerechnet.
Mosambik geht neuen Weg
Ein Land, das sich bereits intensiv mit dem Ausbau seines Agrarsektors beschäftigt, ist Mosambik. Noch vor zehn Jahren war der afrikanische Staat von Lebensmittelhilfe abhängig. Heute exportiert Mosambik Zucker, Baumwolle, Cashewnüsse, Mais und Bananen. Grund und Boden, so sagt Landwirtschaftsminister José Condungua Pacheco, seien in Mosambik Staatseigentum. Ausländische Investoren würden lediglich zeitlich begrenzte Konzessionen erhalten. Jedes private Investment in der Landwirtschaft Mosambiks fusse darauf, dass auf zehn Prozent der Fläche Nahrungsmittel angebaut würden. Dreißig Prozent der Investments basieren auf Verträgen mit den Gemeinden. Die lokalen Farmer arbeiten auf kommunalem Land. Und: "Private Investitionen sind nur in einer Partnerschaft mit den Kommunen möglich. Es geht darum, die lokalen Erzeuger in ihrer Verhandlungsfähigkeit zu stärken. Wer Zugang zu Land in Mosambik haben will, muss das vor Ort verhandeln."
Solchen Bedingungen können Geldmanager wie Deutsche-Bank-Vorstand Jürgen Fitschen wenig abgewinnen. Auf dem Internationalen Agrarforum auf der Grünen Woche fragt Fitschen den Landwirtschaftsminister Pacheco, ob Mosambik bereit sei, Investoren eine beherrschende Stellung zuzugestehen und eventuell hinzunehmen, dass traditionelle Handelsströme dadurch zerstört werden könnten. Eine konkrete Antwort bleibt Pacheco in der Diskussionsrunde schuldig. Stattdessen fragt er Fitschen, warum Banken die Landwirtschaft "wie einen Krieg bewerten" würden. Erfolg werde sich nur einstellen, wenn alle bereit seien, die Risiken gemeinsam zu tragen.