Fünf Trends der 16. Architekturbiennale
26. Mai 20181. Häuser bauen reicht nicht!
Wer auf dieser Schau spektakuläre Architektur sucht, wird enttäuscht. Stattdessen: eine blühende Graslandschaft im australischen Pavillon, Webteppiche aus einem Frauenprojekt in Bangladesch, eine hinreißend elegante Bambusskulptur aus Vietnam, in deren großzügigem Schatten sich die Besucher dankbar in bequeme Lounge-Kissen fallen lassen. Die beiden Kuratorinnen Yvonne Farrell und Shelley McNamara, erfolgreiche Architektinnen aus Dublin, haben ein klares Ziel für ihre Biennale: So weit weg vom Immobilienmarkt wie möglich. "Wir haben nach Leuten gesucht, die mit Leidenschaft arbeiten, die sich für die Lebensqualität von Menschen einsetzen und nicht nur Geld verdienen wollen". Herausgekommen ist eine Biennale, in der viel über Raum und Zeit gesprochen wird - und wenig über Glasfassaden.
2. Nicht für die Ewigkeit planen!
Bauen für die Ewigkeit? Kein cooles Konzept mehr. "Infinite Spaces" nennen die Franzosen ihren Pavillon auf der Biennale und untersuchen Orte, deren Nutzung sich immer wieder verändert. Zentrale Frage der französischen Kuratoren an ihren eigenen Beruf: "Bauen wir eigentlich Gebäude oder Orte?". Unfertige, provisorische Architektur ist längst kein Schimpfwort mehr, sondern das Eingeständnis, auf eine sich rapide wandelnde Umwelt zu antworten. So stößt der Besucher in Venedig auf Wohnmodule aus Holz für Flüchtlinge und auf Ideen, wie in informellen Siedlungen wie Slums Lebensqualität entstehen kann. "Der Architekt muss Dienstleister für die Menschen sein und nicht für Investoren", sagt Jana Revedin, Architektin und Gründerin des Global Award for Sustainable Architecture.
3. Material ist alles!
Selten war eine Architekturbiennale sinnlicher: Es duftet nach geräuchertem Bambus, China-Pinie, australischem Eukalyptus und natürlichen Baustoffen wie Lehm, Ziegeln oder Feldsteinen. Architektur kenne viel mehr Möglichkeiten als Beton, Glas oder Stahl, sagt Shelley McNamara. "Die Wahl des Materials zeigt, dass Architektur immer auch ein physikalisches Phänomen ist. Selbst Licht oder Schwerkraft können Material sein".
4. Vergesst die Stararchitektur!
Die Elbphilharmonie der Baseler Architekten Herzog & de Meuron zeigt: Ein einzelner Bau kann immer noch eine ganze Metropole wie Hamburg in Bewegung setzen. Auch Abu Dhabi hofft mit dem neuen Louvre von Jean Nouvel auf diesen Effekt. Doch vorbei sind die Zeiten, als Manager und Politiker weltweit Schlange standen für "einen Gehry" oder "eine Zaha Hadid". Diese Biennale belegt, wie sich eine neue Generation von international ausgebildeten Architekten bereit macht, ihre Heimat zu gestalten, unbeeindruckt von den Baukästen globaler, oft seelenloser Markenarchitektur. Man muss sich nur im chinesischen Pavillon umsehen, bei Talenten wie Xu Tiantian, die mit kleinen, klugen Projekten Tradition und Moderne versöhnt. Den genialen Baumeister mit Starfaktor wird es immer geben. Die Zukunft aber gehört Architektenteams, die wissen, was wirklich zählt: Nachhaltigkeit. Lokaler Kontext. Die Bedürfnisse der Nutzer. In dieser Welt werden auch Architektinnen eine weit größere Rolle spielen als bisher.
5. Das Glück liegt im Detail!
Menschen lieben magische Orte. Architekten auch. Zehn von ihnen durften im Auftrag des Vatikan in einem malerischen Park auf der Insel San Giorgio Maggiore ihre Idee einer Kapelle umsetzen. Entstanden sind zehn Plätze der Stille und Schönheit. Diese steht - bei aller Diskussion um den sozialen Auftrag des Architekten - immer noch hoch im Kurs. Selbst ein Star wie Norman Foster freut sich über seine elegante Kapelle aus Holzspalieren, an der sich duftender Jasmin rankt. Das wahre Glück der Architektur liegt im Detail.