Das Hotel, das es nicht geben dürfte
18. August 2019Die Glinkastrasse ist zentral gelegen in Berlin Mitte. Der Boulevard "Unter den Linden", das Brandenburger Tor, der Gendarmenmarkt - alles in Laufweite. Kein Wunder, dass das "City Hostel Berlin" in der Glinkastrasse gut gebucht ist. Zumal man hier ein Zimmer an manchen Tagen schon für 17 Euro bekommt. Rund 100 Euro kostet im Durchschnitt ein Hotelzimmer in Berlin. Viele junge Leute aus ganz Europa kommen in das "City Hostel", über dessen Geschichte die wenigsten etwas wissen. Das Gebäude gehört: Nordkorea. Der Hotelbetreiber hat das Haus vom "steinzeit-kommunistischen Regime" nur gepachtet – für 38.000 Euro im Monat. Die internationalen Sanktionen zwangen die Nordkoreanische Botschaft vor zwei Jahren dazu, den Vertrag zu kündigen. Mittlerweile, so behauptet der Betreiber, landet die Miete auf einem Sperrkonto. Trotzdem ist das Hostel weiter im Betrieb. Ob und inwiefern eine Vereinbarung zwischen Pächter und Mieter besteht, ist unklar.
Der junge Engländer, der an diesem Sommertag aus dem Hotel kommt, kann es kaum glauben: "Ehrlich? Das gibt's doch nicht. Heißt das, dass das Geld, das man hier zahlt, nach Nordkorea geht? Das ist verrückt!" Ein anderer hat immerhin bemerkt, dass die Botschaft Nordkoreas gleich nebenan liegt. Das ist auch kaum zu übersehen. Auf dem Dach weht die blau-rote Flagge des Staates, auf einem gelben Schild steht: "Botschaft der Demokratischen Volksrepublik Korea", in einem Glaskasten daneben ist Machthaber Kim Jong Un beim Handschlag mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin zu sehen.
Billig, aber Bettwanzen
Die meisten Hotelgäste sagen, sie hätten das "City Hostel" gewählt, weil es unschlagbar billig ist. Aber nachdem sie erfahren haben, wem das Gebäude gehört, gibt es schon einige, die sagen, sie hätten das anders entschieden, wenn sie das gewusst hätten. Schaut man in die Kommentarspalten im Internet, dann spielt der Besitzer aber kaum eine Rolle. Dass es hier und da Bettwanzen gibt, ist dagegen ein Thema. Nur vereinzelt kommt eine Bemerkung wie diese: "Fragwürdig, dass das Hostel anscheinend Nordkorea finanziert?"
Die Geschichte des Hotels und der Botschaft ist bizarr, es weht ein Hauch des Kalten Krieges durch die Erzählung. In der früheren DDR baute das sozialistische Bruderland Nord-Korea Anfang der Siebziger Jahre die Botschaft. Nach dem Fall der Mauer und der Einheit wurde die Mission geschlossen. Seit 2001 hat das geeinte Deutschland wieder diplomatische Beziehungen zu Nordkorea, aber nur auf Sparflamme. Es gibt kaum Politikerbesuche auf beiden Seiten, Kontakte sind schwierig herzustellen, die Botschaftsarbeit findet nur in einem kleinen Teil der Gebäude statt. Ein anderer Teil wurde deshalb an einen Hotelbetreiber verpachtet.
Verstoß gegen UN-Resolution
Das stößt der deutschen Regierung schon lange sauer auf. Denn 2016 beschlossen die Vereinten Nationen eine Resolution, die es verbietet, Immobilien von Nordkorea zu mieten oder zu pachten. Auch eine EU-Verordnung gibt es dazu. Schließlich könnte das Regime das Geld nutzen, um sich Materialien für ihr Atomprogramm zu besorgen. Auf allen denkbaren Kanälen versucht die Bundesregierung seitdem, die Kommunisten aus Asien zum Schließen der Mission zu bewegen. Zunächst mit Erfolg. Anfang 2018 kündigte die Botschaft dem Hotelbetreiber und leitete sogar eine Räumungsklage ein. Aber damit das auch vor Gericht verhandelt werden kann, müsste das Regime aus Asien Gerichtskosten schon mal vorab zahlen. Das tut es nicht. Die Vermutung unter Kritikern macht die Runde: Nordkorea verzögere die Sache, um weiter an dem Hotel zu verdienen.
Einer der Kritiker: Tom Schreiber. Er ist Landtagsabgeordneter in Berlin, sein Wahlkreis ist Treptow-Köpenick. "Es ist schon sehr bemerkenswert, dass Pächter und Verpächter hier keine Lösung finden wollen und dass sie im Grunde genommen auch davon profitieren”, sagt er der DW im Interview. Normalerweise hat Schreiber nicht allzu viel Berührungspunkte mit dem nordkoreanischen Diktator Kim Jong Un und seinem Nuklearprogramm. Bis einer seiner Mitarbeiter ihn auf die Geschichte aufmerksam machte. Schon vor zwei Jahren. Seitdem hat der Sozialdemokrat bereits zwei Anfragen an die Senatskanzlei von Berlin gestellt. Er möchte endlich Schwung in die Aufklärung der Sache bringen, denn: "So skurril es auch sein mag, dass hier in Berlin Mitte die nordkoreanische Botschaft auch noch ein eigenes Hostel anbietet, so muss es auch deutlich und klar sein, dass hier die Dinge sauber umgesetzt werden müssen, dass das da in der Form auch beendet wird.”
Auswärtiges Amt: 'Wir machen Druck'
Und die Bundesregierung, was tut sie? Im Saal der Bundespressekonferenz findet dreimal in der Woche die Routine-Pressekonferenz mit Ministern oder ihren Sprechern statt. Die Sprecherin des Auswärtigen Amtes, Maria Adebahr, hält erst einmal Rücksprache mit ihren Mitarbeitern, als sie nach dem neuesten Stand in Sachen Nordkorea und Botschaft gefragt wird. Nur ja nichts Falsches sagen. Nach einigen Minuten teilt sie mit: Ja, Deutschland hat nach wie vor ein Interesse daran, dass das Hostel schließt: "Wir sind als Auswärtiges Amt dahinter und machen auch Druck, dass die bestehende Rechtslage dort umgesetzt wird. Es ist allerdings so, dass eine Räumungsklage nur zugestellt werden kann, wenn der entsprechende Gerichtskostenzuschuss eingezahlt wird. Und das ist noch nicht erfolgt." Wie genau macht das Auswärtige Amt nun Druck? Mit wem spricht das Ministerium jetzt genau? Anders ausgedrückt. Wie spricht man mit Nordkorea, einem eigentlich komplett abgeschotteten Land? Das möchte die Sprecherin in der Öffentlichkeit so nicht sagen.
Keine Ausnahme
Die Machenschaften der Nordkoreanischen Botschaft in Berlin sind keine Ausnahme. Im Gegenteil. In monatelangen Untersuchungen deckte CNN in Mosambik ein geheimes Netz von Frontfirmen, und unter anderem dem Schmuggel von Boden-Luft-Raketen und Radarsystemen auf. Die New York Times berichtete, dass auf dem Gelände der Botschaft in Sofia ein Veranstaltungsraum vermietet wird - für Hochzeiten zum Beispiel. In Warschau sollen laut Medienberichten 40 Unternehmen an der Adresse der nordkoreanischen Botschaft gelistet sein - wie viele tatsächlich dort sind, ist unklar. Das sind nur drei Beispiele von vielen. Einem Bericht des Telegraph zufolge sind viele der 40 nordkoreanischen Botschaften selbst für die Finanzierung ihrer diplomatischen Einsätze zuständig. Das kann ein Grund sein. Außerdem: Devisenbeschaffung. Sicher ist: alle kommerziellen Aktivitäten verstoßen gegen die UN-Sanktionen.
Öffentlicher Druck, so hofft der Landtagsabgeordnete Tom Schreiber, wird das Thema in Berlin weiterbringen. Er hat vor, endlich alle Ebenen mal an einen Tisch zu setzen. Zur Koordination. Der skurrile Fall des City Hostel ist schließlich in einem globalen Kontext zu sehen. Das kann nicht jedes Hostel in Berlin von sich sagen.