Das lange Leid mit dem Tanker-Öl
24. März 2014Es war der 23. März 1989, ein Karfreitag. Die Exxon Valdez war auf dem Weg von der Öl-Verladestation der Trans-Alaska-Pipeline in Richtung Kalifornien. 163.000 Tonnen Rohöl schwappten an Bord des 300 Meter langen Supertankers. Der Lotse, der das Schiff sicher durch die Valdez-Meerenge gebracht hatte, war von Bord gegangen, Kapitän Joseph Hazelwood hatte das Kommando übernommen. Weil auf der normalen Route Eisberge gemeldet worden waren, ordnete er an, einen riskanteren Ausweichkurs einzuschlagen. Dann ging er in seine Kajüte und betrank sich. Das Kommando hatte er einem seiner Offiziere überlassen.
Aber der Mann, der den Tanker durch die schwierige Passage manövrieren sollte, war überarbeitet und übernächtigt. Und so nahm das Unglück seinen Lauf: Um 0.04 Uhr rammte die Exxon Valdez durch einen Manövrierfehler das Bligh Riff vor der Südküste Alaskas, schlug Leck. Und weil nur eine einfache Schiffswand das Öl umschloss, gab es keine Rettung mehr: Das Rohöl lief aus.
Zunächst war das Wetter ruhig. Allerdings war das für Notsituationen bereitstehende Schiff nicht einsatzfähig, und ohnehin hätte man so viel Öl nicht bergen können. Also passierte während der ersten Tage gar nichts, außer dass sich der Ölteppich ausbreitete. Schließlich liefen mehr als 40 Millionen Liter Rohöl in das kalte, arktische Ozeanwasser. Dann zog ein schwerer Sturm auf, der den Ölteppich auseinanderriss. Ein Teil des Öls trieb an Land, verschmutzte mehr als 2100 Kilometer steiniger und felsiger Meeresküste. Ein anderer Teil trieb davon und wieder ein anderer sank auf den Meeresboden.
Der "Schwarze Tod" von Alaska
Verheerend wirkte sich das Öl allemal aus, denn es tötet auf viele Arten: Es zerstört Kiemen und Lungen der Meeresbewohner, verklebt das Fell der Meeressäuger und das Gefieder von Vögeln. Sie erfrieren dann oder ertrinken, weil sie nicht mehr schwimmen können. Und beim Versuch, sich zu reinigen, vergifteten sich die Tiere. Sie vergiften sich auch, wenn sie mit Öl belastete Nahrung fressen. Und so starben in den ersten Tagen nach der Havarie mindestens 250.000 Seevögel. Es können aber auch bis zu 675.000 gewesen sein.
250 Weißkopfseeadler wurden tot aufgefunden und 3500 Seeotter. 300 Robben verendeten und 22 Schwertwale. Dazu kommen ungezählte tote Muscheln, Seesterne, Krabben, Krebse, Schnecken, Bodenfische... Milliarden von Fischeiern in den Laichgründen des Prinz-William-Sunds waren vernichtet, auch das pflanzliche Plankton überstand den Ölteppich nicht. Die Nahrungskette riss. Für die Menschen, die bis dahin als Fischer vom Meer abhingen, war ihr altes Leben von einem Tag auf den anderen vorbei, die Wirtschaft einer ganzen Region brach zusammen.
Heute lauert das Öl unter der Oberfläche
Ein Vierteljahrhundert nach der Katastrophe scheinen die meisten Buchten sauber zu sein, und auch viele Tierarten haben sich auf den ersten Blick erholt. Aber das ist nur die Oberfläche.
Noch immer lauern geschätzt 80.000 Liter Öl im Untergrund. Ein Teil in Form von vergleichsweise harmlosen, weil stark verwitterten Teerklumpen. Gefährlich ist der Teil, der sich unter den Steinen in Sandlagen versteckt. Dorthin gelangt kein Sauerstoff und damit richten Mikroorganismen kaum noch etwa aus: Das Öl bleibt deshalb als dicke, mayonnaiseartige Emulsion erhalten. Untersuchungen des US-amerikanischen Geologischen Dienstes zeigen, dass diese Emulsionen nichts von ihrer Giftigkeit verlieren. Allerdings sorgt die Auflast der Steine wenigstens dafür, dass der Sand nicht ausgespült wird, so dass die Belastung des Meerwassers selbst gering ist - jedenfalls solange schwere Stürme die Emulsion nicht freilegen.
Das Gift belastet die Tiere immer noch
Auch ein Vierteljahrhundert nach der Havarie finden sich Spuren von Kohlenwasserstoffen im Gewebe von Muscheln und Bodenlebewesen. Und auch 2013 entnommene Proben aus den Lebern von Enten und Seeottern zeigen, dass sie bei der Nahrungssuche immer noch mit dem Öl in Kontakt kommen. Allerdings gibt es im Meer vor Alaska allein durch die normale Tätigkeit der Ölindustrie so viele Schadstoffe, dass sich die Belastung nicht mehr der Exxon Valdez zuordnen lässt. Das macht die Beurteilung der langfristigen Folgen schwierig.
So starben bei der Havarie 1989 die Eier und Jungtiere der Heringe. Das Öl schwächte die ausgewachsenen Heringe, die 1993 dann eine Epidemie hinwegraffte. Die großen Schwärme von einst sind bis heute Geschichte. Damit ist nicht nur die Heringsfischerei zum Erliegen gekommen. Die Heringe fehlen auch in der Nahrungskette, wo sie normalerweise eine ganz zentrale Stellung einnehmen. Die Frage ist: Liegt das allein an der Exxon Valdez oder stressen inzwischen die Folgen von Öl-Förderung, Verladen und Transport die Ökosysteme so sehr, dass sich die Bestände nicht erholen können?
Jedenfalls begann es den Seeottern erst 20 Jahren nach der Havarie langsam besser zu gehen. Bis dahin war die Geburtenrate lange niedrig, die Sterblichkeit von Jungtieren und ausgewachsenen Ottern hoch. Außerdem stören schon geringe Giftmengen die Entwicklung von Fischembryonen. Sie sterben ab oder entwickeln sich nicht normal. Auch die Bestände mancher Seevogelarten bleiben niedrig, ebenso die der Schwertwale, während auf der anderen Seite mehr Buckelwale im Prinz William Sund leben als früher.
Ein Gutes hatte das die Katastrophe der Exxon Valdez auf jeden Fall: Sie ereignete sich früh genug, um Lehren für die großen Pläne der Ölindustrie in der Arktis zu ziehen. Denn je mehr Öl dort gefördert wird, umso größer ist die Gefahr der Verschmutzung.