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Das Ringen um die Fachkräfte

Naomi Conrad7. Juni 2013

Die Bundesregierung wirbt um Fachkräfte - auch aus Entwicklungsländern. Doch für viele gut Ausgebildete bleibt Deutschland zweite Wahl. Der Grund: restriktive Zuwanderungsgesetze und geringe Aufstiegschancen.

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Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen, Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler und der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, auf der Plattform eines Hubwagens vor einem Riesenposter mit der Aufschrift "Ein guter Platz für Fachkräfte - Gemeinsam Deutschlands Zukunft sichern" (Foto: picture alliance/dpa)
Deutschland FachkräfteBild: picture-alliance/dpa

Mädchen, die von ihren Arbeitgebern verprügelt und vergewaltigt werden, eine junge Frau, die mit einem Bügeleisen verbrannt wird - so habe er sich die Arbeit bei der philippinischen Botschaft in Saudi-Arabien nicht vorgestellt, sagt Mardomel Celo Melicor und lächelt etwas gequält. Seit der Wirtschaftskrise in den siebziger Jahren, sind viele Filipinos als Gastarbeiter in die Golfstaaten gezogen, um dort als Hausangestellte oder Hilfsarbeiter auf Baustellen zu arbeiten. Doch trotz der Bemühungen seitens der saudischen und philippinischen Behörden: Misshandlungen und Ausbeutung bleiben keine Seltenheit. Melicor schüttelt den Kopf. Er sei froh gewesen, mit seiner Familie Saudi-Arabien wieder zu verlassen.

Heute ist Melicor philippinischer Generalkonsul in Berlin. Im März haben die Philippinen und Deutschland eine sogenannte "Vermittlungsabsprache" unterzeichnet. Demnach kann die deutsche Agentur für Arbeit aktiv Krankenschwestern in den Philippinen rekrutieren. Seit Jahren ziehen bestens ausgebildete Krankenschwestern und -pfleger ins Ausland, derzeit vor allem nach Kanada, Großbritannien und in die USA. Das Abkommen, erklärt Melicor, gehe vor allem auf den Druck deutscher Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen zurück. Denn diese suchen verzweifelt qualifizierte Krankenpfleger. Aktuell gibt es nach Angaben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales etwa 10.000 offene Stellen im Pflegebereich, soll heißen, Stellen, für die es keine geeigneten Bewerber in Deutschland gibt. Der Grund: Die Arbeit ist hart und oft schlecht bezahlt.

Alte Frau im Pflegeheim (Foto: picture alliance/dpa)
Deutschland braucht Fachkräfte - auch im PflegebereichBild: picture-alliance/dpa

Kritik an Aufnahmebedingungen

Deshalb versucht die Bundesrepublik auch im Ausland Fachkräfte zu rekrutieren. So hat die deutsche Regierung im März ein Abkommen mit der indischen Regierung unterzeichnet, wonach Deutsch als Fremdsprache in den staatlichen Schulen in Indien unterrichtet werden soll. Auch auf den Philippinen sollen Deutschkurse angeboten werden. Denn die Voraussetzung für ein deutsches Visum sind relativ gute Deutsch-Kenntnisse. Das kritisiert Melicor. Damit setze Deutschland viel zu hohe Hürden und bekomme so "nicht die guten, sondern nur zweitklassige Krankenschwestern".

Auch Ajit Gupte, Stellvertretender Generaldirektor der indischen Botschaft in Berlin, ist skeptisch, ob viele seiner Landsleute langfristig nach Deutschland kommen werden. "Deutschland ist einfach nicht attraktiv für Inder", sagt er. Viele seiner Landsleute, mit denen er in Deutschland gesprochen habe, wollten zurück nach Hause. Sie fühlten sich nicht wohl in Deutschland, auch nach Jahren blieben Deutsche "Bekannte, nicht Freunde". Gupte schüttelt den Kopf. "Bekannte" - das ist eines der wenigen deutschen Wörter, die der Diplomat, der früher in China gelebt hat, kennt.

Restriktive Zuwanderungspolitik und bürokratische Hürden

Hinzu kommt die restriktive Zuwanderungspolitik. So dürften Frauen erst nachziehen, wenn sie Grundkenntnisse in Deutsch nachweisen könnten. Auch würden viele indische Qualifikationen in Deutschland noch immer nicht anerkannt. Und schließlich: Es sei finanziell nicht sehr attraktiv, in Deutschland zu leben: Der Steuersatz von rund 40 Prozent sei deutlich höher als die 10 bis 30 Prozent in Indien.

Ajit Gupte, Stellvertretender Generaldirektor der Indischen Botschaft in Berlin (Foto: picture alliance/ZB)
Ajit Gupte: "Deutschland ist nicht attraktiv"Bild: picture-alliance/ZB

Außerdem gibt es bürokratische Hürden. "Eine Reise, die jeden Roman von Kafka erblassen lässt", habe er hinter sich, sagt Leander Hollweg von Tenman Prognosys. Das Hamburger Unternehmen vermittelt Ausbildungsplätze an Interessierte aus dem Ausland, vor allem im Pflegebereich. Während einige Behörden und Arbeitsagenturen durchaus seine Arbeit unterstützten, seien andere weniger hilfreich. Hollweg redet sich in Rage: Wochenlang habe er versucht, eine Abteilungsleiterin ans Telefon zu bekommen, um zu klären, ob der Abschluss einer indischen Pflegekraft anerkannt würde. "Das müssen Sie sich vorstellen: Die suchen doch eigentlich Leute!"

"Gläserne Decke" verhindert den Aufstieg

Und dann, sagt Ellen Bommersheim von Frankfurter Existenzgründungs-Zentrum "Kompass", gebe es noch die "gläserne Decke", an die Migranten stießen, wenn sie versuchten aufzusteigen. Die Organisation begleitet junge Migranten, die in ihre Heimatländer zurückkehren, um dort Unternehmen zu gründen. Das Hauptmotiv: "Die Aufstiegschancen sind Menschen mit Migrationshintergrund oft verwehrt." Damit gehe Deutschland viel Potenzial verloren. Es profitierten vor allem die Heimatländer. Oft würden die Heimkehrer Unternehmen mit "sozialen Aspekten" gründen. "Damit werden demokratische Ideen in die Herkunftsländer getragen."

Melicor schüttelt den Kopf. Er kann die Kritik nicht verstehen: Es sei leicht, sich in Deutschland zu integrieren. "Es gibt keine Berührungsängste." Es freut ihn, dass die Frauen in Saudi Arabien jetzt eine andere Option haben: Deutschland.

Er lächelt. "Und wenn die Frauen hierherkommen und sehen, dass die Arbeitsbedingungen doch nicht gut sind - dann gehen sie wieder." Denn auch in anderen Ländern fehlen Fachkräfte: In Europa und den USA, aber auch im riesigen China.