Spiel der Macht
4. Januar 2007Er ist ein harmloser Kerl, dieser Willie Stark (Sean Penn), ein kleiner, eher einfältiger Kämmerer aus der Provinz, der Orangenlimonade mit zwei Strohhalmen trinkt und sich beiläufig überreden lässt, für das Amt des Bürgermeisters zu kandidieren. Später fährt derselbe Mann als Gouverneur mit seiner Entourage in der schwarzen Limousine wie ein Gangster durch die Nacht, und seine fahrigen, vom Bourbon verschleierten Blicke finden keinen Halt mehr.
Mit der gnadenlosen Logik eines griechischen Dramas setzt Regisseur und Drehbuchautor Steven Zaillian, der für sein Script zu Steven Spielbergs "Schindlers Liste" 1994 mit einem Oscar ausgezeichnet wurde, in "Das Spiel der Macht" den rasanten Aufstieg und tiefen Fall eines Gouverneurs in den USA der 1950er-Jahre in Szene.
Vom Provinzpolitiker zum Demagogen
Das Werk erinnert an eine ungewöhnliche Politikerkarriere in den an solchen nicht gerade armen USA. Huey P. Long war von 1928 bis 1932 Gouverneur von Louisiana im Süden Amerikas, danach stieg er sogar zum Senator in Washington auf. 1935 verkündete Long seine Absicht, Präsident der USA zu werden. Doch dazu kam es nicht mehr, denn kurz darauf wurde der Senator, der aus einer armen, kinderreichen Farmerfamilie zum mächtigen Provinzfürsten aufgestiegen war, von einem Arzt erschossen. Dieses Politikerschicksal hat Robert Penn Warren 1946 zu seinem vielgerühmten Roman "All the King's Men" verarbeitet. Der deutsche Buchtitel "Das Spiel der Macht" ist nun auch der Titel der Verfilmung, die am 4. Januar in die deutschen Kinos kommt.
Der hochkarätig besetzte Politthriller stellt durchaus aktuelle Fragen. Wie konnte es passieren, dass aus einem mäßig begabten Provinzpolitiker ein haltloser Demagoge wird? Oder anders formuliert: Kann Politik, die immer von partikularen Interessen gesteuert ist, überhaupt so etwas wie eine moralische Basis beanspruchen?
Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht des Reporters Jack Burden, der von Jude Law gespielt wird. Burden kommt aus großbürgerlichen Verhältnissen. Fasziniert verfolgt er den Aufstieg eines Mannes, der noch viel lernen muss, bevor er zum mitreißenden Redner und umjubelten Volkstribun wird. Willie Stark ist der Mann aus dem und für das Volk, also keineswegs wohlgelitten bei den etablierten Politikern und ihren reichen Finanziers. Diese wollen deshalb Einfluss auf Burdens wohlwollende Berichterstattung über Starks Karriere nehmen. Der Reporter zieht die Konsequenzen und wechselt in den Stab des triumphal gewählten Gouverneurs von Louisiana.
Chronik verlorener Ideale
Doch Moral ist für Willie Stark bald nur noch eine Phrase. Den verarmten Bauern auf den Baumwollfeldern macht er haltlose Versprechungen, sie sind nicht mehr als Stimmvieh für seine Kampagnen. Sein Mentor und Freund Burden wendet sich sehr bald von dem selbstherrlich regierenden Gouverneur ab. Strippenzieher wie der skrupellose Tiny Duffy (James Gandolfini) übernehmen das Kommando. Als Stark sich mit dem mächtigen Richter Irwin (Anthony Hopkins) anlegt, läutet er selbst den Anfang seines Endes ein.
Sean Penn gibt als verbissen-ehrgeiziger Populist eine große Vorstellung ab: ein durchaus charismatischer, mit allen Wassern gewaschener Aufsteiger, der mit wenigen rhetorischen Tricks die Leute um den Finger wickelt. Ebenso stark sein Gegenspieler Anthony Hopkins als graue Eminenz im Hintergrund, ein routinierter Machtmensch, der alle Fäden in der Hand hält.
Zeitlose Parabel zum Machterhalt um jeden Preis
Dazwischen agiert Jude Law als Journalist Jack Burden klug und zurückhaltend: ein Mann ohne Eigenschaften, der böse zwischen die Fronten gerät. In der zweiten Hälfte dieses großartigen Schauspielerfilms avanciert dieser scheinbar unbeteiligte Chronist zur zentralen Figur – eine Biografie der verpassten Chancen tut sich auf. Den Verlust seiner Jugendliebe Anne (Kate Winslet) hat Jack ebenso wenig überwunden wie die Entfremdung zu deren Bruder Adam (Mark Ruffalo). Und mit dem Richter Irwin verbindet Jack fast eine Vater-Sohn-Beziehung.
Der gordische Knoten der weit in die Vergangenheit zurückreichenden Verwicklungen scheint unauflöslich. Am Ende steht nackte Gewalt als einziges Mittel der Politik. Willie Starks brutaler Leibwächter Sugar Boy (Jackie Earle Haley) verkörperte dieses Prinzip mit erstaunlicher Konsequenz von Anfang an.
Steve Zaillians Politthriller, der von Kameramann Pawel Edelman ("Ray") in elegisch düstere Farben getaucht wurde, mausert sich dank der durchweg erstklassigen Schauspieler zur fast zeitlosen Parabel über die Mechanismen von demokratischer Herrschaft und Machterhalt um jeden Preis. (rri)