Das tägliche Drama von Cúcuta
3,4 Millionen Venezolaner haben wegen der Versorgungskrise bereits ihre Heimat verlassen, täglich kommen Tausende hinzu. Für viele ist der kolumbianische Grenzort Cúcuta die erste Anlaufstation in eine ungewisse Zukunft.
Die Brücke als Symbol des Konflikts
"Puente Internacional Simón Bolívar" - die Brücke erlangte weltweite Berühmtheit, als der selbst ernannte venezolanische Übergangspräsident Juan Guaidó versuchte, Hilfslieferungen aus den USA von Kolumbien nach Venezuela zu bringen. Präsident Nicolás Maduro ließ die Brücke von venezolanischer Seite aus sperren. Bis heute ist sie formal geschlossen.
Willkommen in Kolumbien
Doch es gibt Ausnahmen: Personen über 55 Jahre, Mütter mit Kindern, Schüler und Behinderte dürfen die Brücke Richtung Kolumbien passieren. Unter ihnen sind Rentner, die im hohen Alter ihre Heimat verlassen, Mütter, die ihre Kinder in Kolumbien impfen lassen sowie Jugendliche und Kinder, die dort zur Schule gehen. Fast alle sind auch auf der Suche nach Medikamenten und einer warmen Mahlzeit.
Der gefährliche Gang über die "Trochas"
Denjenigen, die die Brücke nicht passieren dürfen, bleiben nur die "Trochas" - illegale Grenzübergänge, die täglich von Tausenden benutzt werden. Wer sich auf diese ungesicherten Wege begibt, geht jedoch ein hohes Risiko ein: Venezuelas "Colectivos", von der Regierung gelittene bewaffnete Schlägergruppen, erpressen Schutzgelder für den Grenzübertritt. Wer nicht zahlt, dem droht Gewalt.
Kolumbianisches Militär heillos überfordert
Das kolumbianische Militär kann die venezolanischen Flüchtlinge nur auf der kolumbianischen Seite schützen und stößt an seine Grenzen. Denn vor allem für Frauen ist der Weg über die "Trochas" viel mehr als nur ein Spießrutenlauf. Sexuelle Gewalt droht an jeder Ecke, nur wenige Venezolanerinnen schaffen es völlig unversehrt bis ins Nachbarland.
Venezuela und Kolumbien sind Freunde
Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen UNHCR beschwört die Freundschaft zwischen den Nachbarländern, doch das ist oftmals gar nicht notwendig. In Kolumbien hat man nicht vergessen, dass zu Zeiten des Bürgerkrieges Millionen Menschen nach Venezuela ausgewandert sind und dort ihr Glück probierten. Jetzt, sagen viele Kolumbianer, ist es an der Zeit, von der Hilfe etwas zurückzugeben.
Schlange vor der Einwanderungsbehörde
Kolumbien, das jahrzehntelang nur daran gewöhnt war, dass Menschen auswandern, musste nun innerhalb kürzester Zeit damit zurechtkommen, dass Menschen einwandern - und zwar so viele, dass dies einer Herkulesaufgabe gleichkommt. Die Brücke "Simón Bolívar" ist einer von sieben offiziellen Grenzübergängen zwischen Kolumbien und Venezuela. Direkt am Rand der Brücke geht es zur Einwanderungsbehörde.
Mutmacher für das neue Leben
Wer die Bürokratie erledigt hat, den heißen einen Steinwurf weiter das UNHCR und das Rote Kreuz willkommen. Die Hilfsorganisationen leisten hier erste gesundheitliche Sofortmaßnahmen und informieren die Neuankömmlinge über ihre Rechte, über Bildung und Gesundheitsschutz. Viele Venezolaner wissen bei ihrer Ankunft über all das nichts, sagen die Verantwortlichen.
Kirche öffnet die Tore als Suppenküche
Die erste Frage der Flüchtlinge laute indes fast immer, wo sie etwas zu essen bekommen könnten. Die Hilfsorganisationen schicken die Venezolaner dann zur Diözese von Cúcuta, die innerhalb kürzester Zeit eine riesige Suppenküche auf die Beine gestellt hat. Dort gibt es Frühstück und Mittagessen - allerdings nur für ältere Menschen, Behinderte, Frauen sowie Jugendliche und Kinder.
Nudeln, Kartoffeln und Bohnen gegen den Hunger
Mit Unterstützung des Welternährungsprogramms konnte die Suppenküche jetzt ein Jubiläum feiern: eine Million Essensrationen wurden mittlerweile ausgeteilt. Mit 200 Suppen fing man 2017 an, jetzt werden täglich 4000 Mittagessen zubereitet - und selbst das reicht meist nicht für alle.
Unterstützung aus der ganzen Welt
Es sind Freiwillige, die schon in den frühen Morgenstunden kochen, putzen und spülen. Insgesamt 200 Helfer, darunter auch Europäer, sind in der Diözese von Cúcuta tätig, 120 von ihnen braucht es jeden Tag, um den Betrieb am Laufen zu halten. Die meisten Freiwilligen sind Venezolaner, die selbst vor einiger Zeit nach Kolumbien gekommen sind. Nun wollen sie ihre Landsleute unterstützen.
Der Ultra-Marathon nach Bucaramanga
Die ersten Flüchtlinge kamen mit dem Flugzeug, die Oberschicht. Die zweite Welle mit dem Bus, die Mittelschicht. Nun kommen die Ärmsten. Und sie gehen zu Fuß, und zu Fuß ziehen sie auch weiter, weil nicht alle in Cúcuta bleiben können. Beim Roten Kreuz erhalten die Flüchtlinge zumindest Informationen über die Strecken. Nach Bucamaranga sind es nur knapp fünf Stunden mit dem Auto, aber zu Fuß ...?
Aufmunterung vor dem gefährlichen Marsch
Für einige venezolanische Flüchtlinge war es ein Gang in den Tod, weil sie die Anstrengungen und die kühlen Temperaturen im Hochland Kolumbiens auf 3000 Metern vollkommen unterschätzt hatten. Botschaften am Start des Marsches in Los Patios bei Cúcuta sollen Mut machen. Alle, die sich hier verewigt haben, schreiben, dass sie irgendwann in ihre Heimat Venezuela zurückkehren werden.