Wer braucht noch iranisches Öl?
13. Juni 2013Das schwarze Gold - es ist der Treibstoff für den Wohlstand und die technologische Entwicklung in den Industriegesellschaften. Es ist ein Segen für die Menschheit - und ein Fluch zugleich. Denn es ist mehr Sprengstoff als Rohstoff. Das Erdöl: Um das Kriege geführt wurden und geführt werden. Das oft ohne Rücksicht auf Mensch und Natur aus der Erde geholt wird. Und dennoch: Wir sind abhängig von ihm. Denn sieben Milliarden Menschen weltweit verbrauchen im Jahr rund vier Milliarden Tonnen. Und trotz des steigenden Einsatzes von Erneuerbaren Energien wächst die Nachfrage nach Erdöl. 2011 erreichte der Verbrauch ein neues Allzeithoch.
Die wenigsten Länder verfügen über diese Ressource: Saudi-Arabien, Kanada und Venezuela haben die meisten Erdölreserven. Direkt danach kommt der Iran mit 21 Milliarden Tonnen. Davon zählt jeder Tropfen, denn Öl ist ein endlicher Rohstoff. Doch der Westen tut so, als ob er auf einige der Reserven verzichten könnte - etwa auf die iranischen. Im vergangenen Jahr haben die USA, die Europäische Union und andere Staaten schrittweise das Öl- und Erdgas-Embargo gegen den Iran eingeführt, die Sanktionen wurden verschärft. Die Maßnahmen richten sich dabei gegen das iranische Atomprogramm. Dahinter vermutet der Westen Bestrebungen zum Bau von Atomwaffen. Welche Auswirkungen haben diese Sanktionen auf den globalen Ölmarkt und die iranische Wirtschaft? Und wie lange kann der Westen standhalten?
Die Psychologie des Ölpreises
Die Nervosität an den Rohstoffmärkten kennt keine Grenzen. Bahnt sich ein Konflikt an, reagiert der Rohölpreis sensibel. Das Ergebnis: Das Angebot wird knapp, der Preis steigt - die Logik des freien Marktes eben. Solche Schwankungen können tiefe Löcher in die Kassen einiger Staaten reißen. Gerade die wirtschaftsstarken Länder bekommen diese deutlich zu spüren. Nach einer Modellrechnung des Kieler Instituts für Weltwirtschaft könnte die Wirtschaftsleistung in Deutschland kurzfristig um 0,2 - 0,3 Prozentpunkte einbüßen, wenn der Preis für ein Barrel Erdöl um zehn Dollar steigen würde.
"Der globale Ölmarkt ist sehr dicht, es gibt nicht viele Produzenten. Wenn einer wegfällt, droht der Preis zu steigen. Derzeit platziert der Iran circa 1,5 Millionen Barrel täglich auf dem Weltmarkt", sagt Mamdouh G. Salameh, Öl-Experte und Berater für die Welthandelsorganisationen. Ohne das iranische Öl würde der Preis um 25 bis 30 Dollar pro Barrel steigen.
Der Kreis der Käufer ist, seitdem die USA den Druck auf Länder erhöht haben, die bislang Öl aus dem Iran importiert haben, zunehmend kleiner geworden. Der vom Ölexport abhängige Iran scheint als Verlierer aus der Sache herauszugehen. Denn für die Gegenseite ist der Wegfall des iranischen Öls zu kompensieren - bislang.
Wie abhängig ist der Westen vom iranischen Öl?
Für Europa war es ein leichtes Spiel: Nach dem verhängten Öl-Embargo konnten die EU-Länder den Ausfall schnell ersetzen - ein alter Bekannter sprang in die Bresche: "Europa hat vor dem Embargo 600.000 Barrel iranisches Öl am Tag importiert. Spanien und Griechenland waren die größten Abnehmer", sagt Salameh. "Als die Iran-Sanktionen in Kraft traten, kam Libyen wieder auf den Plan." Während der Unruhen im Land wurden sämtliche Produktionen eingestellt, doch Libyen fasste schnell wieder Fuß und fing nur kurze Zeit später wieder an zu exportieren. "Derzeit geht ein großer Teil der insgesamt 1,4 Millionen produzierten Barrel am Tag aus Libyen wieder in die EU", sagt Salameh.
Deutschland betraf das Iran-Embargo kaum: "Wir haben vor dem Embargo nur eine geringe Menge Erdöl aus dem Iran importiert, circa ein Prozent des gesamten Ölimports", sagt Hans-Georg Babies von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe. Der Wegfall hätte für Deutschland daher keine Bedeutung gehabt. Der Ausfall sei durch Länder wie Russland und Norwegen ausgeglichen worden, so Babies.
Die USA schauten sich nach anderen Lieferanten um und setzen vor allem auf die Karte Saudi-Arabien. Das Land ist das produktionsstärkste OPEC-Land mit täglich 9,1 Millionen Barrel. Gleichzeitig verfügt es mit 36 Milliarden Tonnen über die meisten Reserven weltweit. Ein Durstlöscher quasi. Doch Mamdouh G. Salameh ist skeptisch. Für ihn sind die Annahmen über die Förderkapazitäten von Saudi Arabien übertrieben. "Als 2008 der Preis auf 147 US-Dollar das Barrel kletterte, hatte Saudi- Arabien nicht genügend Kapazitäten, mehr zu produzieren, um so den Preis nach unten zu drücken. Sogar der damalige US-Präsident George W. Bush besuchte damals die Hauptstadt Riad und bat die Saudis, mehr zu produzieren", erinnert sich Salameh.
Das bestehende Angebot decke die aktuelle Nachfrage auf dem Markt, war die Antwort der OPEC-Länder. "Doch eigentlich konnten Saudi-Arabien und die OPEC der Welt einfach nicht sagen, dass sie nicht genug Produktionskapazitäten hatten. So war Saudi Arabien am Ende doch nur ein Zuschauer, der nicht in der Lage war, den Ölpreis zu beeinflussen", meint Salameh. Heute sei es nicht anders. Die USA könnten mit dieser Karte also am Ende doch verlieren, so der Experte.
Wie hart trifft es den Iran?
Im Iran haben sich die Einnahmen aus dem Ölexport innerhalb eines Jahres halbiert. Dabei ist der Verkauf des schwarzen Goldes der größte und wichtigste Posten im Staatshaushalt. Einige Quellen gehen davon aus, dass 85 Prozent des iranischen Fiskus über die Öleinnahmen finanziert werden. Die heimische Währung Rial fällt und fällt, seit 2011 hat sie 80 Prozent ihres Wertes zum Dollar verloren. Irans Wirtschaft ist angeschlagen. Die Lebensmittelpreise steigen ins Unermessliche. Die Menschen im Land kämpfen ums finanzielle Überleben. Haben die Sanktionen den Iran ins Mark getroffen? Nein, der Iran will davon nichts wissen: Nach iranischen Angaben fördert und verkauft das Land gar mehr als vor der Verschärfung des Öl-Embargos im vergangenen Jahr. Unabhängige Quellen belegen jedoch etwas anderes: Die Förderung ist um fast ein Drittel gesunken. "Der Iran hat es nicht geschafft, seine Staatseinnahmen zu diversifizieren", sagt Salameh. Und das mache ihm jetzt zu schaffen.
Die finanziellen Handelsströme, also die Bankgeschäfte stehen ebenfalls unter den verhängten Sanktionen - so wird der Öl-Export erschwert. Der Iran habe aber versucht, über Umwege sein Öl abzusetzen, sagt Salameh. Beispielsweise durch Tauschgeschäfte. So habe Indien Waren in den Iran importiert und im Gegenzug Öl bekommen. Doch auch dieser Tauschhandel sei durch den verstärkten Druck der USA schwieriger geworden, meint Alexander Poegl, Rohstoffexperte von Beratungsunternehmen JBC Energy. Worunter das Land aber besonders leide, seien die Sanktionen auf den Import von technischem Equipment und Know-How aus dem Ausland. "Das erschwert es dem Iran, das Ölproduktionsniveau auf einem stabilen Level zu halten", sagt Poegl.
Und noch etwas habe den Iran stark getroffen: die Versicherungen. "Vor den Sanktionen wurden bis zu 95 Prozent der Versicherungen auf die Handelsschiffe, die Öl transportiert haben, über europäische Institute abgewickelt. Die sind nun weggefallen", sagt Poegl. Für die Häfen oder die Abnehmer von iranischem Öl sei das Geschäft mit dem Iran dadurch erheblich riskanter geworden. Im Falle eines Schadens fehle es nun an Versicherungsgebern, während der Iran selbst nur sehr limitiert finanzielle Transaktionen tätigen kann. "Im Endeffekt ist der Iran der Verlierer in der Sache, weil die anderen Länder ihre Volumina ersetzen konnten." Nicht nur die Saudis kompensierten den Wegfall, auch irakisches, russisches, sowie westafrikanisches Öl sei jetzt stark im Umlauf, sagt der Rohstoff-Experte.
Wer hat den längeren Atem: der Westen oder der Iran?
Es ist ein psychologisches Spiel - eines, das beide Seiten unter Druck setzt, eines, das die Welt in Atem hält. Über den Erfolg der Sanktionen sind sich Experten nicht einig: Für Alexander Poegl sind die Maßnahmen gelungen, denn "dieses Mal scheint die internationale Gemeinschaft, inklusive Länder wie China, an einem Strang zu ziehen. Allein das ist schon ein großer Erfolg." Für Salameh haben die Sanktionen ebenfalls Wirkung gezeigt, doch der Iran denke nicht ans Aufhören: "Der Iran könnte sagen, wenn ihr weiter Druck auf uns ausübt, werden wir Druck auf euch ausüben, indem wir die Straße von Hormus abriegeln und die anderen Golfstaaten zwingen, dadurch nicht zu exportieren." Das werde den Ölpreis destabilisieren. Und der größte Verlierer würden dann am Ende doch die USA sein, so Salameh. Die Straße von Hormus passieren täglich 20 Millionen Barrel Rohöl.
Die Lösung des Problems sei die Anerkennung des Irans als Atommacht, sagt Salameh: "Unabhängig davon wie viel Druck der Westen auf den Iran ausübt, er wird weiter mit seinem nuklearen Programm weitermachen. Bislang sagt der Iran, dass es für friedliche Zwecke genutzt würde, aber sie sagen nur die halbe Wahrheit“, sagt Salameh. Alle wüssten, dass kein Land, das die Technologie, Uran anzureichern beherrscht, beim friedlichen Bestreben aufhöre. "Der Iran wird am Ende allen Druck ignorieren und eine Atommacht werden." Der Westen habe keine andere Wahl, als dies zu akzeptieren. Und genau darauf ziele der Iran ab.