1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Das untrinkbare Leitungswasser von L.A.

Lena Nozizwe
4. Juli 2017

In Los Angeles kommt dreckiges, rostiges Wasser aus dem Hahn. Nicht überall, betroffen ist eine Sozialwohnsiedlung. Die Anwohner dort trauen sich nicht mehr, das Wasser zu trinken. Jetzt beginnen sie sich zu wehren.

https://p.dw.com/p/2fsfF
Deutschland Hamsterkäufe Wasserflaschen
Bild: picture alliance/Photoshot

Viele neunjährige Mädchen verbringen ihre Wochenenden damit, Pokémon zu spielen oder ein Kaffeekränzchen mit ihren Puppen zu veranstalten, aber nicht Nashley Talbert.

Sie interessiert sich sehr für Wasser, genauer gesagt für die Farbe des Wassers, das aus ihrem Wasserhahn in der Jordan-Downs-Sozialwohnsiedlung im Stadtteil Watts von Los Angeles kommt.

Die Siedlung, in der 2700 Menschen leben, war in den 1990er Jahren die Kulisse für das bedrohliche Kino-Drama "Menace II Society". Heute haben die Bewohner eher Angst, dass sie in einer Umgebung leben, die ihre Gesundheit gefährdet.

"Mein Wasser sieht manchmal so dreckig aus. Es ist nicht klar. Da schwimmt schwarzes und gelbes Zeug drin", sagt Nashley.

Sie ist nicht die Einzige, die das beobachtet hat. Erste Ergebnisse einer Untersuchung in der Jordan-Down-Sozialwohnsiedlung haben gezeigt, dass fast 90 Prozent der Befragten erlebt haben, dass braunes oder rostiges Wasser aus ihren Rohren kam.

Der Bericht, der von der "Jordan Downs Environmental Justice Coalition" und dem "Harbor UCLA Medical Center" erstellt wurde, hat auch gezeigt, dass 95 Prozent der 80 befragten Haushalte ihr Leitungswasser nicht mehr für trinkbar halten.

Wie sicher ist sicher?

Jonathan Leung, der für die Wasserqualität verantwortliche Ingenieur des "Los Angeles Department of Water and Power", beschrieb den Bericht als einen "Weckruf".

"Wir müssen besser werden", sagte er gegenüber der DW, fügte allerdings hinzu, dass die Farbe des Wassers zwar vielleicht "ästhetische Auswirkungen" habe, dass dies aber nicht unbedingt bedeute, dass es "nachteilige Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit" habe.

Nashley Talbert, Lety Talbert und Patricia Morales
Nashley Talbert mit ihrer Mutter und Tante, Lety Talbert und Patricia Morales,die für sauberes Wasser in Jordan Downs kämpfenBild: DW/L. Nozizwe

Aber solche Zusicherungen sind nicht genug, um Nashley oder ihre Mutter Lety zu überzeugen. Lety sagt, sie trinke nie Leitungswasser und kaufe stattdessen Wasser in Flaschen. Das koste sie 100 US-Dollar (89 Euro) jeden Monat, was für sie finanziell schmerzhaft sei, aber sie wolle die Gesundheit ihrer Familie nicht aufs Spiel setzen.

Bedenken in Bezug auf Schwermetalle

Die Sorge um ihre Gesundheit führten Nashley, ihre Mutter Lety und ihre Tante Patricia Morales zum "Jordan Downs Health Summit" in die örtliche High School.

Daran nahm auch die Ärztin Jyoti Puvvula teil. Sie war geschockt von den Schilderungen.

"Ein Anwohner nach dem anderen sagte, sie müssten das Wasser stundenlang laufen lassen. Manche sagten tagelang. Manche sagten, das Wasser werde nie klar. Das ist wirklich beunruhigend", erklärte Puvvula gegenüber der DW.

Die größte Sorge der Menschen ist, dass das Wasser Blei enthalten könnte. Aber Leung versichert, ausgiebige Tests im Jahr 2016 hätten die Verfärbung auf Eisen und Mangan zurückgeführt. Die Bleiwerte in Jordan Downs seien so gering gewesen, dass man sie als "nicht feststellbar" und "zu niedrig, als dass ein Handeln notwendig wäre" bewertete.

Puvvula weist dagegen darauf hin, dass es für Kinder bisher keine als sicher geltenden Grenzwerte für diese Mineralien im Blut gibt. Es gibt etwa 300 Kinder in Jordan Downs,  Nashley ist eines von ihnen.

Dr. Jyoti Puvvula
Dr. Jyoti Puvvula arbeitet mit den Bewohnern von Jordan Downs, um sie für die Wasserproblematik zu sensibilisierenBild: DW/L. Nozizwe

Die Ärztin hat öffentlich darauf hingewiesen, dass im Boden um die Wohnsiedlung nicht nur Blei, sondern auch Arsen nachgewiesen wurde. Sie sieht sich in der Pflicht, die Bürger über die gesundheitlichen Risiken zu informieren.

"Meine große Aufgabe war es, die Einwohner von Jordan Downs darüber aufzuklären, was sie für ihre Kinder tun können, um die gesundheitlichen Schäden, die durch Blei und Arsen verursacht werden können, zu reduzieren", sagt Puvvula.

Nicht das nächste Flint, Michigan

Einige Bewohner von Jordan Downs haben Parallelen zur Wasserkrise in der Stadt Flint im Bundesstaat Michigan gezogen. Dort begann man, den Fluss Flint als Trinkwasserquelle für die Gemeinde zu nutzen. 

Leider vergaß man die korrekte Trinkwasseraufbereitung. Bei Tests wurden sehr hohe Bleiwerte im Blut der Einwohner von Flint festgestellt.

Trotz Bemühungen, die Bleikonzentration seit der Wasserkrise im Jahr 2014 im Leitungswasser zu senken, müssen die Einwohner von Flint ihr Wasser aus Flaschen trinken.

Die Bedenken zum Wasser in Jordan Downs sind noch nicht auf Krisenniveau angelangt, und Alexander Harnden, Anwalt von der "LA Legal Aid Foundation", möchte auch, dass das so bleibt.

"Wir würden gerne vermeiden, das nächste Flint, Michigan, zu werden", sagt er. "Wir wollen nicht auf eine Situation reagieren müssen, in der eine Menge Menschen krank sind."

Neue Anfänge schaffen neue Ängste

Da mag es auf den ersten Blick so wirken, als sei eine geplante umfangreiche Sanierung der Wohnsiedlung eine gute Lösung.

Jahrzehntelange Aktivitäten der Schwerindustrie und viele stark befahrene Autobahnen, die das Viertel umgeben, machen den Stadtteil Watts, und somit Jordan Downs, zu einem der am stärksten von Umweltverschmutzung betroffenen Orte in Kalifornien.

Die Bewohner befürchten, dass die Bauarbeiten Schadstoffe, sowohl im Boden als auch im Wasser, freisetzen werden, mit denen sie dann leben müssten.

Viele Bürger haben Angst, ihre Bedenken laut zu äußern, da sie befürchten, aus ihren Wohnungen geworfen zu werden.  

Ein Schild mit der Aufschrift "water pickup" (Wasserholstelle)
Bewohner in Flint, Michigan müssen immer noch abgefülltes Wasser trinkenBild: Lance Cheung

"Die Leute reden nicht miteinander. Sie äußern sich nicht öffentlich, weil es viele Ängste in der Gemeinde gibt", sagt Morales. "Sie haben die Befürchtung, dass sie aus ihrem Heim vertrieben werden, wenn sie sich öffentlich äußern."

So sind Lety Talbert und Patricia Morales zum Sprachrohr für viele und zu Aktivisten für Umweltgerechtigkeit geworden, und Nashley ist stolz auf ihre Entschlossenheit.

"Sie werden nicht aufgeben", sagt sie und wird wohl in ihre Fußstapfen treten.