Das Verborgene messen - wie Statistiker Korruption aufdecken wollen
30. April 2006Sie ist beinahe so alt wie die Menschheit, rückt allerdings erst seit einigen Jahren so richtig in das Licht der Öffentlichkeit: Die Korruption weltweit - vor allem seit ihr Zusammenhang mit Armut erkannt wurde. Laut Schätzungen von Transparency International (TI), der bekanntesten Organisation zur Bekämpfung der Korruption, beläuft sich der finanzielle Schaden durch Korruption weltweit auf jährlich 3,2 Milliarden US-Dollar. Korruptionsbekämpfer und Statistiker bemühen sich um neue Methoden, das Ausmaß der in verschiedenen Ländern zu erfassen. Auf Einladung von Transparency International und InWEnt, der Organisation für Internationale Weiterbildung und Entwicklung, diskutierten Experten aus verschiedenen Ländern über neue Methoden - und waren sich bei allen Unterschieden in ihren Ländern einig: Noch sind die Instrumente zur Messung von Korruption begrenzt.
Die Opfer sind weit weg
"Korruption ist schwer zu messen, weil die Leute, die daran beteiligt sind, natürlich nicht wollen, dass man das mitbekommt - was für viele Verbrechen gilt", sagt David Nussbaum, Leiter des internationalen Sekretariats von TI in Berlin. "Aber in diesem speziellen Fall ist es so, dass die Opfer von Korruption oft gar nicht dabei sind, wenn die Korruption passiert. Die Leute, die später keine Medizin oder keine Schulen haben, sind nicht dabei, wenn die anderen das Vermögen ihres Landes plündern. "
Dennoch lässt TI nicht locker - und gibt seit Jahren den so genannten CPI heraus, eine Art internationale Korruptions-Hitliste. CPI jedoch steht für "Corruption Perception Index", das heißt, gemessen wird bei Umfragen etwa unter Geschäftsleuten oder Bürgern die Wahrnehmung des Korruptionsgrades in einem Land durch die Befragten, nicht aber die tatsächliche Situation. Die Methode ist mehr als umstritten und reicht nicht, meinen viele, die neue, objektivere Methoden der Datensammlung und Messung von Korruption fordern.
Einbeziehung von Bürgern
Die Korruptionsbekämpfer und Statistiker weltweit versuchen, ihre Methoden zu erweitern. "In Bangladesch ermutigen wir die Bürger, ihre eigenen Umfragen auf lokaler Ebene, etwa in den Krankenhäusern oder Polizeistationen vor Ort vorzunehmen", sagt der Transparency-Vertreter Muhammad Sajjad Hussein. So könnten sie etwa prüfen, ob in einem örtlichen Krankenhaus Ärzte und Medizin verfügbar sind oder das Personal pünktlich ist. "Wir haben auf lokaler Ebene Bürgergruppen formiert und wir geben ihnen technische Unterstützung, damit sie ihre eigenen Erhebungen machen können." Bislang gebe es 30 solcher Gruppen in Bangladesch.
In Kolumbien wiederum setzt man auf "Transparenzmessungen" von Unternehmen, denn, so die These, je mehr Transparenz, desto weniger Korruption. Dazu werden zum Beispiel Webpages durchforstet, die Zahl der Treffen zwischen Vertretern öffentlicher Institutionen und Bürgern aufgelistet und Beschwerdeverfahren gecheckt. Vielfach allerdings ist man auch hier wieder auf Umfragen und subjektive Einschätzungen angewiesen, bedauert Marcela Rozo von TI in Bogotá. "Das Problem ist, dass diese Art Indikatoren einem nur Information über die Korruption im kleinen Stil gibt, also die Art von Korruption, die immer dann auftritt, wenn der Bürger zu den öffentlichen Institutionen in Beziehung tritt." Bei vielen Vorgängen seien die öffentlichen Institutionen jedoch gar nicht mit dem Bürger verbunden, etwa bei der öffentlichen Auftragsvergaben.
Transnationales Problem
Dazu könnte gehören, dass man die öffentlichen Ausschreibungen prüft oder zum Beispiel die Preisabweichungen beim Kauf gleicher Materialien oder Ausrüstungen an verschiedenen Orten untersucht. Auch der Staatshaushalt kann durchleuchtet werden. So kann etwa die Höhe des Budgets für den Bildungssektor in einem Land der Zahl neu errichteter Schulen oder der Analphabetismusrate gegenübergestellt werden. Gibt es hier erhebliche Diskrepanzen, lässt sich dahinter Korruption vermuten.
Recherchen im Privatsektor dagegen bleiben schwierig, da man auf die Auskunftsbereitschaft der Unternehmen angewiesen ist. Problematisch ist auch, dass meist ein ganzes Bündel an Akteuren beteiligt ist - vor allem auch ausländische Konzerne, die die Schwäche der Rechtssysteme in Entwicklungsländern ausnutzen. "Es ist schon peinlich, zu erfahren, dass der Großteil der Korruption bei uns in Afrika aus Europa oder der industrialisierten Welt kommt", sagt Simon Azia Nkwenti, TI-Vertreter in Kamerun. " Meistens kommt die Korruption von Ausländern. Sie kommen damit durch, weil wir so ein Rechtssystem haben. "
Natürlich werde die Eigenverantwortung der betroffenen Länder nicht geleugnet, so die TI -Vertreter aus den südlichen Ländern. Korruption sei aber nun mal transnational. Dass sie deshalb auch in den Industrieländern selbst stattfindet, wissen natürlich auch die Statistiker und Korruptionsbekämpfer. Izzedine Akesbi vom TI-Chapter in Marokko sieht trotzdem einen wesentlichen Unterschied. Während es in Industriestaaten meist ein funktionierendes Justizwesen gebe, seien die Kontrollsysteme in Entwicklungsländern oft mangelhaft: "Das eigentliche Problem ist, dass wir die Leute, die für Korruption verantwortlich sind, nicht vor Gericht bringen und für ihr Vergehen bezahlen lassen können. Wir wissen, dass sie korrupt sind. Aber wir können sie nicht dafür haftbar machen."