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Große Zukunft?

Das Interview führte Mathis Winkler 9. Februar 2007

Benjamin Heisenberg und Nicolas Wackerbarth zählen zur Avantgarde des jungen deutschen Films und gelten als Anhänger der "Berliner Schule". Im Interview mit DW-WORLD.DE wollen sie sich dieses Korsett aber nicht anziehen.

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Laut Heisenberg steckt der junge deutsche Film noch in den KinderschuhenBild: picture-alliance/ ZB

DW-WORLD.DE: Geht ihr zur Berlinale?

Benjamin Heisenberg: Klar, aber mittlerweile ist es bei mir eigentlich mehr so ein Empfangs-Hopping geworden, was ich ein bisschen bedauere, weil man weniger Filme sieht. Aber wenn man sich um die Zeitschrift und vor allem um die zukünftigen Projekte kümmert, dann sind die Empfänge wichtig.

Film "Frau2 sucht HappyEnd"
Wackerbarth (links) in "Frau2 sucht HappyEnd"Bild: picture-alliance/dpa

Nicolas Wackerbarth: Ich versuche die Auswahl der Filme möglichst gering zu halten und über Empfehlungen von Freunden, deren Urteil ich schätze, eine hohe Trefferquote zu erzielen. Das funktioniert eigentlich ganz gut.

Was haltet ihr von der Berlinale? Hat sie sich in den letzten Jahren verändert?

BH: Ich habe das Gefühl, dass es sich langsam wegbewegt von einem sehr politisch orientierten Festival hin zu einem Festival, das stärker den Ausgleich zwischen politisch orientierten und künstlerisch orientierten Filmen sucht. Das ist auch, was wir in Deutschland brauchen: ein Festival, das breit aufgestellt ist und trotzdem für künstlerische Qualität steht.

Neben eurer Filmarbeit seid Ihr auch Mitherausgeber der Filmzeitschrift Revolver. Worum geht es euch bei diesem Projekt?

BH: Wir interessieren uns sozusagen für eine Theorie der Praxis, das heißt, wir fragen, wie Filme gemacht werden und warum. Wir haben bisher vor allem im europäischen Arthouse-Kino gestöbert, aber seit einiger Zeit machen wir uns auch über den kommerzielleren Film Gedanken. Ich denke, da gibt es in Deutschland einen großen Nachholbedarf. Wenn man unsere Serien vergleicht mit Serien wie "24" oder "The Office", dann sieht man einfach, dass es da noch große Unterschiede in der Qualität gibt.

Film "Schläfer" von Benjamin Heisenberg, 2005
Szene aus "Schläfer"Bild: zorro film

Ich würde in Frage stellen, dass wir hier zurzeit das Know-how haben, um eine Serie wie "24" zu schreiben. Wenn wir solche Sachen produzieren wollen, dann müssen wir Strukturen aufbauen, die nicht aufs schnelle Geld schielen, sondern intelligente Ausbildung leisten. Gleichzeitig muss die Avantgarde gestärkt werden, sonst geht es wie in Amerika, wo der "independent film" sehr geschwächt ist. Frankreich hat es eher geschafft, durch ein sehr starkes Förderungssystem diese beiden Ebenen zu verbinden.

Euer Kollege, der Regisseur Matthias Luthardt, hat kürzlich gesagt, dass er sich gerne von euch erklären lassen würde, was die Berliner Schule ausmacht. Was würdet ihr ihm sagen?

NW: Ich glaube, es ist ein Missverständnis. Wir sind nicht der Verein, der Gütesiegel abgibt für die Berliner Schule. Wer sich unsere Hefte oder den gerade erschienen Sammelband durchliest, wird sehen, dass wir nie an Akademismus interessiert waren, sondern an einem breiten Spektrum von sehr unterschiedlichen Herangehensweisen.

Mich persönlich stört an der öffentlichen Rezeption des Begriffs, dass immer etwas Defizitäres damit verbunden wird: keine Narration, keine Musik, keine Konflikte. Man könnte genauso gut sagen, es beschreibt die Lücke einer Identität, die ja mit Deutschland sehr viel zu tun hat. Das sind Filme, die sich nicht schämen, auch eine gelbe Häuserwand zu filmen oder vor einem Betonbottich in einer Fußgängerzone eine Liebesgeschichte zu erzählen. Das ist doch etwas sehr Reichhaltiges! Ich finde es schön, dass das passiert.

Nicolas von Wackerbarth und Benjamin Heisenberg
Wackerbarth (l.) und Heisenberg im - rechtzeitig zur Berlinale - winterlichen BerlinBild: DW

BH: Wir sind gar keine Berliner, sondern fast alles Landeier. Ich habe das Gefühl, dass sich in unseren Filmen in der Darstellung unseres Landes und der Leute, mit denen wir leben oder die wir selbst sind, ein Bedürfnis ausdrückt, das wir lange hatten. Diese Haltung sieht man in den Filmen. Ich hätte das nicht wieder Berliner Schule genannt, weil keiner von uns Jüngeren hier studiert hat. Ich finde das Labeling langweilig. Es ist eine spannende Tendenz unter anderen im deutschen Kino und das ist gut. Die verschiednen Spielarten müssen alle nebeneinander existieren und man darf sie nie als stilistisches Korsett begreifen.

Von den Leuten die man jetzt zur "nouvelle vague allemande" oder Berliner Schule zählt, werden in Zukunft ganz heterogene Filme kommen. Bis jetzt sind es Erstlingsfilme gewesen, Startpunkte und auch Produkte der Selbstfindung, die einen hohen Standart gesetzt haben. Aber je stärker alle gefordert werden, umso stärker werden sie neue Richtungen ausloten, auch damit es für sie selbst spannend bleibt. Dieser Anspruch ans Kino, der jetzt herrscht, macht mir Spaß und deswegen freue ich mich darauf, wie es weiter geht. Ich würde mal sagen: Das war erst der Anfang.

Benjamin Heisenberg, Jahrgang 74, studierte zunächst Freie Bildhauerei bevor er sich ab 1997 auch an der Müncher Hochschule für Film und Fernsehen immatrikulierte. Ein Jahr später wurde er Mitgründer der Filmzeitschrift Revolver, die oft als Förderer der sogenannten "Berliner Schule" des jungen deutschen Films betrachtet wird. Sein erster Spielfilm, "Schläfer" lief 2005 im offiziellen Programm der Filmfestpiele Cannes und gewann unter anderem den Max Ophüls Preis. Er arbeitet derzeit an einem Film über einen österreichischen Serienbankräuber.

Nicolas Wackerbarth, Jahrgang 73, erhielt seine Schauspielausbildung an der Bayerischen Theaterakademie München. Seit 2000 studiert er Filmregie an der Deutschen Film und Fernsehakademie Berlin. Sein Fernsehfilm "Anfänger!" gewann Preise in Rom, Turin und Lissabon. Er ist Mitherausgeber von Revolver und arbeitet derzeit an einem Film über ein Kinderzeltlager.