Dauerzwist zwischen USA und Venezuela
26. August 2005Der seit Jahren schwelende Streit zwischen den USA und Venezuela wurde mit dem Besuch des Präsidenten Hugo Chávez am vergangenen Wochenende (20./21.8.2005) in Kuba wieder angeheizt. In einer gemeinsamen Fernsehansprache mit Kubas Staatschef Fidel Castro wetterten die beiden gegen ihren gemeinsamen Feind, die USA. Bei dem fast fünf Stunden dauernden Auftritt wiesen Chávez und Castro den Vorwurf der US-Regierung zurück, sie würden die ganze Region destabilisieren.
US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hatte nach seinem Südamerika-Besuch vergangene Woche erklärt, Venezuela und Kuba hätten einen schlechten Einfluss auf die Staaten Südamerikas, insbesondere auf Bolivien. Dort waren innerhalb von weniger als zwei Jahren zwei Präsidenten gestürzt worden.
Fernsehprediger ruft zum Mord auf
Der US-Fernsehprediger Pat Robertson verschärfte die rhetorischen Auseinandersetzungen. Er rief in seiner populären Fernsehshow "The 700 Club" zum Mord an Chávez auf. Ein Attentat sei billiger als ein Krieg, sagte Robertson. Später behauptete er jedoch, falsch verstanden worden zu sein. Schließlich entschuldigte er sich für den Mord-Aufruf. Der Fernsehprediger ist Gründer der "Christian Coalition" und hat unter den evangelikalen Christen in den USA beträchtlichen Rückhalt. Im US-Präsidentschaftswahlkampf 2004 warb er bei der christlichen Rechten für die Wiederwahl George W. Bushs.
Das erdölreiche Venezuela gehört zu den wichtigsten Lieferanten des kostbaren Rohstoffs für die USA. Die gegenseitigen wirtschaftlichen Abhängigkeiten sind groß. Also warum diese aufgeheizten Wortgefechte zwischen den USA und Venezuelas Präsident? "Chávez hat drei außenpolitische Schwerpunkte", sagt Klaus Bodemer, Professor am Institut für Iberoamerika-Kunde, im Gespräch mit DW-WORLD. "Zunächst benutzt er die Erdölpolitik als Mittel zur Außenpolitik." Weiterhin ziele Chávez auf eine gemeinsame, von den USA unabhängige südamerikanische Politik hin. Schließlich wolle er eine massive Front gegen die US-amerikanischen Alleingänge in der Weltpolitik schaffen.
Kalter Krieg des 21. Jahrhunderts?
"Diese Ziele verfolgt Chávez mit einer rhetorischen Radikalisierung", sagt der Venezuela-Experte. Doch auch die Wortwahl der US-Regierung trage zur Verhärtung der Fronten bei. Der venezuelanische Staatschef nutze außerdem das schlechte Image der Bush-Administration, um sich eine Führungsrolle in Südamerika aufzubauen.
Chávez gehe davon aus, dass der Öldurst der Industrieländer der Kalte Krieg des 21. Jahrhunderts sei, so die "Washington Post". Um die Ölquellen zu sichern, würden die Industriestaaten schwächere Nationen manipulieren wollen. Deswegen versuche Chávez - gestützt auf seine Erdöleinnahmen - eine Achse der Entwicklungsländer aufzubauen. "Damit ist er jedoch gescheitert", urteilt Bodemer. Allein Kuba habe Chávez ganz auf seine Seite ziehen können. Die Freundschaft mit dem Erzfeind der USA und die rhetorischen Attacken würden die Handelsbeziehungen zwar belasten, aber an einer ernsthaften Störung sei keiner der beiden Seiten interessiert. "Chávez weiß, wo die Grenzen sind", so Bodemer. Eine weitere Zuspitzung der Situation sei also eher unwahrscheinlich.