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David Lynch: Nichts für schwache Nerven

Sertan Sanderson ka
30. November 2018

Willkommen in der gruselig-rauschhaften Traumwelt des David Lynch: Der "Twin Peaks"-Regisseur war schon immer auch Künstler. Sein surrealistisches Werk ist jetzt in einer großen Schau in Maastricht zu sehen.

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Ausstellung David Lynch im Bonnefantenmuseum in Maastricht
Bild: Bonnefantenmuseum/David Lynch

Die meisten Menschen denken beim Namen David Lynch wohl zuerst an sein filmisches Werk: "Wild at Heart", "Blue Velvet" oder die genreprägende Serie "Twin Peaks" verkörpern den unverkennbar verstörenden Stil des Regisseurs, der gerne das untersucht, was unter der Oberfläche der amerikanischen Gesellschaft schlummert.

Doch David Lynch ist nicht nur Filmregisseur, sondern auch ein versierter Künstler, dessen Gemälde, Skizzen, Skulpturen, Fotografien und Videoinstallationen weltweit gezeigt werden.

Das Bonnefantenmuseum in Maastricht bringt Lynchs Werk als Künstler nun erstmals in die Niederlande. Die in der Ausstellung "David Lynch: Someone is in my house" gezeigten Werke reichen von Lynchs Kindheit in den 1950er Jahren bis zu seiner jüngsten Arbeit aus dem Jahr 2018.

"Er war immer ein Maler"

Es ist die größte Lynch-Retrospektive der Welt, betont Museumsdirektor und Kurator Stijn Huijts und erklärt, dass der Filmemacher an diesem weniger bekannten Teil seines Werks sein Leben lang gearbeitet habe: "Er war immer ein Maler. Er begann an einer Kunstschule in Philadelphia und setzt seitdem seine Praxis als Bildender Künstler fort. Tatsächlich hat er den größten Teil seines Lebens damit verbracht, bildende Kunst zu machen - mehr noch, als Filme zu machen."

Ausstellung David Lynch im Bonnefantenmuseum in Maastricht
"Six Men Getting Sick" von David LynchBild: Bonnefantenmuseum/Absurda/David Lynch

Der Besuch der Ausstellung fühlt sich an wie der Eintritt in eine von Lynchs gefeierten Leinwandarbeiten - trotz Huijts' Beharren darauf, Lynch für diese Schau vor allem als Bildenden Künstler zu betrachten. Ein allumfassendes Gefühl der Dunkelheit dominiert nicht nur Lynchs Werke, sondern auch die besondere Gestaltung der 15 Ausstellungsräume.

Spiel mit der Psyche der Besucher

"In Dunkelheit und Konfusion zu sein", sagte David Lynch einmal über seine Arbeit, "ist für mich interessant. Aber dahinter kann man heraustreten und die Dinge so sehen, wie sie wirklich sind. Dass es eine Art Wahrheit an der ganzen Sache gibt, wenn man nur zu dem Punkt kommen könnte, an dem man sie sehen, leben und fühlen könnte."

Diese Dunkelheit spielt mit der Psyche der Besucher: Man muss sich ständig fragen, ob man mutig oder neugierig genug ist, um den Kunstwerken zu erlauben, in das eigene Bewusstsein zu gelangen - wie Lynch es beabsichtigt. Es ist klar, dass seine Kunst den Betrachter auffordert, sich seinen inneren Dämonen zu stellen, wobei immer wiederkehrende Themen wie Sexualität, Zerstörung, Gewalt und Verfall im krassen Gegensatz zu Lynchs oft kindlichem Stil und seiner Bildsprache stehen.

Ausstellung David Lynch im Bonnefantenmuseum in Maastricht
Grusel garantiert: "Bob Loves Sally Until She Is Blue In The Face"Bild: Bonnefantenmuseum/David Lynch

"Jemand ist in meinem Haus"

Diese Bildsprache scheint das Gewicht des dargestellten Terrors oft zu verharmlosen oder zu verwerfen. Gleichzeitig fühlt es sich wie ein öffentlicher Appell an, all die hässlichen, schmerzhaften und abgründigen Seiten der menschlichen Verfassung anzunehmen. Die Kunst, die in der Ausstellung zu sehen ist, ist nach üblichen Maßstäben wohl nicht als schön zu bezeichnen, aber sie ist schön in ihrer Fähigkeit, jeden Besucher in seinem Innersten zu berühren.

Diese tiefgründige Reise durch den dritten Stock des Bonnefantenmuseums wird von eigentümlichen Klängen begleitet - sei es aus Klangkunstinstallationen oder den Soundtracks der in der Ausstellung gezeigten Kurzfilme. Das Gesamterlebnis ist auf mehreren Ebenen fesselnd und führt die Besucher genau zu den seltsamen Orten, die sie aus Lynchs Filmen kennen.

Während Fans von Lynch-Filmen immer den Trost haben zu wissen, dass sie nur Zuschauer sind, werden sie beim Besuch der Ausstellung in Maastricht zu Protagonisten in seiner Welt. Sie werden die Ausstellung verlassen und erkennen, dass sie die eigentlichen Eindringlinge waren, auf die im unheimlichen Titel der Ausstellung "Jemand ist in meinem Haus" verwiesen wird.

Ausstellung David Lynch im Bonnefantenmuseum in Maastricht
Explizit: "This Man Was Shot 0.9502 Seconds Ago"Bild: Bonnefantenmuseum/David Lynch

Gefallene Engel und gescheiterte Helden

Der Titel der Ausstellung greift es auf: Das Haus ist eine der wiederkehrenden Metaphern in Lynchs Kunst. Sowohl in seiner Arbeit als Regisseur als auch als Bildender Künstler mag David Lynch es, Dinge zu beleuchten, die hinter verschlossenen Türen in Wohngebäuden aller Art passieren. Tatsächlich vermittelt die Art des Gebäudes, das er wählt, häufig etwas über die Botschaft einer bestimmten Szene in einem Film oder, in diesem Fall, die Intention hinter einem Kunstwerk.

Oft in US-Vororten angesiedelt, verherrlichen Lynchs Bilder typisch Amerikanisches und entmystifizieren es gleichzeitig. Die auf seinen Gemälden, Skizzen und Fotos dargestellten Menschen sehen aus wie gefallene Engel und gescheiterte Helden. Kurze Texte und Phrasen geben ihnen eine Geschichte, die typischerweise die bereits verdrehten und deformierten expressionistischen Figuren noch weiter von der Realität entfernt erscheinen lässt.

TV-Serien Twin Peaks NEU
Um ihren Tod drehte sich David Lynchs Erfolgsserie "Twin Peaks": Laura Palmer (gespielt von Sheryl Lee)Bild: picture alliance/Mary Evans Picture Library

"Die Sätze lassen eine ganze Realität und Welt entstehen", sagt Lynch über diese Werke. Er bleibt eben ein Geschichtenerzähler.

Besucher tauchen in Lynchs Traumwelt ein

Die Installation direkt am Eingang des Museums fasst sein Werk als Regisseur und Künstler perfekt zusammen. David-Lynch-Fans werden diesen traumartigen "Red Room" - auch bekannt als "Waiting Room" - aus "Twin Peaks" erkennen: Lange rote Samtvorhänge schweben knapp über dem Boden, wo ein schwarz-weißes Zickzackmuster die Besucher in einen rauschhaften Zustand versetzt - wenn man lange genug dort bleibt. Im Hintergrund vermittelt der Soundtrack aus der TV-Serie Unbehagen und Zuspruch zugleich. Die Musik und das Muster auf dem Boden ergänzen sich gegenseitig und tragen den Besucher in eine seltsame Traumwelt.

Vielleicht ist dieser Raum eine Metapher für die Verwobenheit aller nebeneinander liegenden Dinge des Lebens, die David Lynch in seinen Werken zu vermitteln versucht: Schwarz und Weiß, Tag und Nacht, Gut und Böse, Angst und Liebe, Ying und Yang, Film und Kunst.

"David Lynch: Someone is my House" ist vom 30. November 2018 bis zum 28. April 2019 im Maastrichter Bonnefanten Museum zu sehen. Der englischsprachige Katalog erscheint im Prestel-Verlag.