Davos: Mehr als ein Treffen der Elite
15. Januar 2024Die Berge im Davos glänzen schneebedeckt. Das Thermometer zeigt fünf Grad minus. Gerald Abila ist erst vor wenigen Stunden in der Schweiz angekommen. In seinen Koffer hat er drei Pullover und warme Unterwäsche gepackt. Auf dem Weltwirtschaftsforum kann es kalt werden, habe man ihm gesagt.
Jetzt sitzt der Anwalt aus dem ostafrikanischen Uganda in einem Hotel und erzählt von seinem Ziel. Er will das Rechtssystem für alle verfügbar machen. "Viele Menschen in meinem Land kennen weder die Gesetze noch unser Rechtssystem, dass sie eigentlich unterstützen soll."
Winnie, die Anwältin
Abila entwickelte mit einem Team Winnie. Das ist eine virtuelle Anwältin, die von Künstlicher Intelligenz unterstützt wird. Winnie beantwortet Rechtsfragen innerhalb von 24 Stunden. Das können Fragen zu einer Erbschaft sein, einem Verkehrsunfall oder vieles mehr. Bereits rund eine Millionen Menschen in Uganda haben den Service genutzt. Er kostet nichts.
Gerald Abila bekommt für sein Unternehmen BarefootLaw bisher Förderungen von Stiftungen. Ihm geht es darum Veränderungen anzustoßen. "Es gibt so viele Fragen zu Gesetzen. Aber es gibt auch eine riesige Lücke zwischen den Menschen und dem Rechtssystem."
Das Recht muss aber für alle da sein, ist der Anwalt überzeugt. Bei BarefootLaw arbeiten Anwälte und Softwareentwickler gemeinsam am Training von Künstlicher Intelligenz, um das zu ermöglichen.
BarefootLaw nutzt KI-gestützte Technologie, um Menschen den Zugang zum Gesetz zu erleichtern. "Die Künstliche Intelligenz hat so eine ungeheure Kraft zur Veränderung, mindestens so stark wie damals bei der Erfindung des Buchdrucks", ist Gerald Abila überzeugt.
50 Millionen Afrikaner sollen bis 2030 mit dem Angebot von Barefoot erreicht werden. Vor allem die Menschen, die nicht in den großen Städten leben. Denn auf dem Land ist es schwierig, einen Anwalt zu finden. In Davos wird Gerald Abila von der Schwab Foundation als Social Innovator ausgezeichnet. Deshalb wurde er eingeladen und ist in diesem Jahr Teilnehmer des Weltwirtschaftsforums, WEF 24. Hier will er noch mehr über Künstliche Intelligenz erfahren.
Die Elite bleibt nicht unter sich
2800 Teilnehmer verzeichnet das Weltwirtschaftsforum in diesem Jahr, darunter die Chefs von großen Softwarefirmen, viele andere Unternehmensführer und über 60 Staats- und Regierungschefs. Gerald Abila gehört nicht zur Polit- oder Wirtschaftselite und ist trotzdem froh, dabei zu sein. Denn hier trifft er Menschen, mit denen er schon immer mal sprechen wollte.
Einen kritischen Blick hat Danya Pastuszek auf das Treffen. "So wie unsere Wirtschaftssysteme organisiert sind, funktionieren sie weder für die Armen noch für unseren Planeten", betont die US-Amerikanerin.
Sie ist Co-Chefin des Tamarack Institute aus der kanadischen Provinz Ontario. Ihr Ziel ist die Bekämpfung von Armut. Dazu werden oft lokale Lösungen gebraucht. Das Tamarack Institut schult und verbindet Menschen, die voneinander lernen können und gemeinsam Lösungen entwickeln. Oft leben sie in abgelegenen Gemeinden.
"Was denken Wirtschaftsführer oder Politiker über lokale Lösungen?" Darauf erhofft sich Danya Pastuszek eine Antwort. Sie will in Davos ihre Projekte vorstellen und Debatten anregen. "Die Welt befindet sich an einem Scheideweg", sagt sie. "Das sollte alle beschäftigen."
Bill Gates soll zuhören
Xi Lia erhofft sich auch Aufmerksamkeit. Die Chinesin möchte Bill Gates treffen. Sie ist aus der Wirtschaftsmetropole Shenzhen im Süden Chinas in die Schweiz gekommen und zum ersten Mal beim Weltwirtschaftsforum dabei. Auch sie wird von der Schwab Foundation als Sozialunternehmerin ausgezeichnet.
Als Teenager brach sie die Mittelschule ab. Ihre Eltern waren arme Bauern, die das Schulgeld nicht mehr bezahlen konnten. Sie hatte viele Jobs und den Ehrgeiz, den Weg aus der Armut zu schaffen. Und sie wollte anderen helfen. Das hat sie geschafft. Aus eigener Erfahrung wusste sie, dass es besonders auf dem Land oft nicht genug Strom gab.
Mit eigenen Ersparnissen gründete sie ihr Unternehmen Shenzhen Power-Solution. Die ersten drei Jahre waren hart, dann schaffte sie es, kleine und kostengünstige Solarmodule zu entwickeln.
"Die Herausforderung war, dass sie bezahlbar sein mussten. Und ich wollte keine schlechte Qualität," betont sie. Heute hat Xi Lia rund 160 Mitarbeiter. Ihre Solarleuchten bringen Licht in rund sieben Millionen Haushalte, in China, Indien oder Afrika. Und deshalb will sie auch Bill Gates in Davos treffen.
"Ich will ihm sagen, dass ich die Lösung habe, nach der er sucht," sagt sie mit einem Lächeln. Auch der Chef eines großen Batterieherstellers steht auf ihrer Wunschliste. Die Teilnahme am WEF sieht sie als große Chance. Berührungsängste hat sie nicht. "Für mich ist es gute Werbung. Unterstützt und gestärkt vom Weltwirtschaftsforum."