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DDR ohne Klischees

Jochen Kürten23. März 2006

Solch ein Debüt hat das deutsche Kino schon lange nicht mehr gesehen. "Das Leben der Anderen" ist das eindrucksvolle Filmdebüt von Florian Henckel von Donnersmarck über die Machenschaften der Stasi in der DDR.

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Und die Stasi guckt zu?Bild: picture-alliance/ dpa

"Das Leben der Anderen" ist ein Film über ein wichtiges Thema - ein Stück DDR-Zeitgeschichte. Er ist perfekt inszeniert, von atemberaubender Spannung, bis in die kleinsten Nebenrollen hervorragend besetzt und geht dabei kaum Kompromisse an das rein kommerziell orientierte Unterhaltungskino ein. Mit dem jungen Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck, der bisher lediglich mit einigen preisgekrönten Kurzfilmen aufgefallen war, scheint das deutsche Kino über ein neues großes Talent zu verfügen.

"Ein Stasi-Offizier, linientreu, knallhart, bekommt den Auftrag ein Künstlerpaar zu überwachen, er nistet sich im Dachboden von deren Haus ein und beginnt an ihrem Leben, am Leben der Anderen, teilzuhaben und je tiefer er in dieses Leben eintaucht, desto mehr wird ihm auch die Armseligkeit seiner eigenen Existenz bewusst." So beschreibt Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck den Hauptstrang seiner Filmerzählung. Der Titel - "Das Leben der Anderen" - spielt an auf die Überwachten, die von der Stasi-Beschatteten. Der Stasi-Offizier, der im Mittelpunkt des Films steht, ist einer aus dem Mittelbau des DDR-Überwachungsapparats, kein ganz oben angesiedelter Führungsoffizier, aber schon einer, der über genügend Macht verfügt, das Leben der Anderen zu lenken und - auch zu zerstören.

Die DDR und ihre Künstler

Von Donnersmarck, von dem auch das Drehbuch stammt, hat ein messerscharf inszeniertes Filmdebüt vorgelegt, das tief hinab in die Abgründe ostdeutscher Nachkriegsgeschichte blickt. Das Geflecht aus einem halben Dutzend Protagonisten - Stasi-Mitarbeiter und -opfer, Politiker, Künstler, Dissidenten - wird zu einem packenden Politthriller verdichtet.

Im Zentrum des Geschehens steht der Schriftsteller und Dichter Georg Dreyman, der Anfangs noch ganz auf Linie ist. Er schreibt nichts Verdächtiges, den man aber trotzdem im Westen liest. "Für ihn ist die DDR das schönste Land der Welt," heißt es im Film.

Doch Dreyman verändert sich im Laufe der Filmhandlung. Nach dem Selbstmord eines befreundeten und unter Berufsverbot stehenden Dichterkollegen wird er ein zunehmend kritischer Geist. Sebastian Koch spielt diesen Georg Dreyman: "Am Anfang ist das einer, der sehr erfolgreich ist, der sich entschieden hat, die Menschen zu lieben, die Kunst zu lieben und von der Sache des Sozialismus eigentlich überzeugt ist," beschreibt Koch seine Filmfigur. "Einer der das vertreten konnte und gleichzeitig gespürt hat, dass etwas nicht in Ordnung ist, das aber einfach in Kauf genommen hat."

Ost und West gemeinsam

"Das Leben der Anderen" wirft einen düsteren, aber wohl authentischen Blick auf den Stasi-Apparat der DDR. Wohl noch nie seit der politischen Wende hat sich ein Film dermaßen ernsthaft mit einer Haupttragödie der DDR-Historie befasst. Ulrich Mühe spielt den Stasi-Offizier Gerd Wiesler. Mühe ist in der DDR aufgewachsen, wurde als langjähriges Mitglied verschiedener Theater-Ensembles selbst jahrelang bespitzelt. Mit Künstlern und Intellektuellen konnte der Staat nie etwas anfangen, erzählt Mühe. "Die wussten nicht, wie die ticken. Da wurde alles Mögliche ausprobiert, einmal Ausbürgerung, dann wurde wieder mit Zuckerbrot gearbeitet, dann durften Künstler ausreisen, kriegten ein Fünf-Jahres-Visa. Die Leine wurde mal lang, mal kurz gehalten"

"Das Leben der Anderen" ist einerseits ein Film über deutsche Zeitgeschichte, auf der anderen Seite aber zeigt er aber auch - ganz konkret - was das Regime für die Menschen bedeutete. Der junge Florian Henckel von Donnersmarck hat bei seinen jahrelangen Recherchen auch auf eigene Erfahrungen zurückgreifen können: "Ich selber bin im Westen aufgewachsen, aber war sehr oft im Osten, meine Mutter ist gebürtig in Magdeburg, mein Vater noch weiter aus dem Osten, wir waren deshalb als Kinder sehr oft da und haben die ganz besondere Atmosphäre gerade der Zeit, in der der Film spielt, sehr bewusst erlebt. Wir hatten also einen persönlichen Bezug dazu, wenn auch nicht den direktesten. Vielleicht war das aber auch ein Vorteil, eine gewisse Distanz hilft, erlebte Dinge etwas objektiver zu beschreiben."

Herausgekommen ist nicht nur ein meisterhafter Film über ein Stück deutsche Zeitgeschichte. "Das Leben der Anderen" setzt darüber hinaus einen starken Gegenakzent zum bisherigen Umgang mit der DDR-Geschichte im Deutschen Kino - fern jeglicher Klischees und Verklärungen.