De Maizière: "So kann Polizei nicht arbeiten"
6. Januar 2016Als "abscheulich, empörend und nicht hinnehmbar" bezeichnete Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) in einem Interview mit den ARD-"Tagesthemen" die massiven sexuellen Attacken auf Frauen am Kölner Hauptbahnhof. Er forderte "dringend eine Aufklärung" der Vorfälle. "Wir brauchen eine klare, harte Antwort des Rechtsstaates und wir brauchen Vorsorge, dass so etwas nicht noch einmal geschieht."
"So kann Polizei nicht arbeiten"
Scharf kritisierte de Maizière die Arbeit der Polizei im Zusammenhang mit den Ereignissen. Es sei unverständlich, dass erst der Vorplatz des Bahnhofs geräumt worden und es später dort zu den Übergriffen gekommen sei. Danach habe man dann auf Anzeigen gewartet. "So kann Polizei nicht arbeiten", sagte der CDU-Politiker. Irritiert zeigte er sich auch darüber, dass die Kölner Polizei am Neujahrstag zunächst erklärt hatte, die Nacht sei friedlich verlaufen.
Kölns Polizeipräsident Wolfgang Albers wies dagegen Kritik am Einsatz der Polizei zurück. Der volle Umfang - insbesondere der sexuellen Übergriffe - sei allerdings erst am Neujahrstag klar geworden. Am Dienstagabend veröffentlichte die Polizei Einzelheiten zu dem Einsatz. Demnach hatten bereits in der Silvesternacht einzelne Frauen der Polizei sexuelle Übergriffe geschildert. Passantinnen seien gewarnt und von Beamten "sicher durch die Menschenmenge begleitet" worden, heißt es in der Mitteilung.
"Keinen Generalverdacht gegen Flüchtlinge"
Zuvor hatten sich nach Polizei-Angaben auf dem Bahnhofsvorplatz eine Ansammlung von etwa 1000 Männern gebildet, die mit Feuerwerkskörpern um sich warfen. Als die Polizei einschritt, zersplitterte sich die Gruppe in viele kleinere. Danach soll es zu Übergriffen auf Frauen gekommen sein. Frauen wurden demnach von Männergruppen umzingelt, bedrängt und ausgeraubt. Albers sprach von Sexualdelikten in sehr massiver Form. Bis zum Dienstagabend stieg die Zahl der Anzeigen auf 90. In einem Fall ermittelt die Polizei wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung. Erkenntnis über die Täter gebe es noch nicht, erklärte Albers.
Zeugen beschrieben die Angreifer nach Polizeiangaben als Männer, die "dem Aussehen nach aus dem arabischen oder nordafrikanischen Raum“ stammen. Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker betonte es gebe bisher keine Hinweise darauf, "dass es sich hier um Menschen handelt, die hier in Köln Unterkunft als Flüchtlinge bezogen haben." Auch Innenminister de Maizière erklärte, dass es jetzt "keinen Generalverdacht gegen Flüchtlinge" geben dürfe, zumindest nicht "in diesem Stadium der Ermittlungen".
De Maizière: Kein "Tabu" bei der Strafverfolgung
Falls aber "Nordafrikaner" die Täter gewesen seien, wofür einiges spreche, dürfe es andererseits kein "Tabu" geben und nicht "einfach darüber hinweggeredet" werden, so der Innenminister in den "Tagesthemen". Der Rechtsstaat habe "schon Mittel, solche Straftäter abzuschieben. Abgelehnte Asylbewerber unterfallen dem normalen Ausweisungsrecht", sagte de Maizière weiter.
Bundesweit riefen die Übergriffe Entsetzen hervor. In einem Telefonat mit der Kölner Oberbürgermeisterin Reker drückte Kanzlerin Angela Merkel ihre "Empörung über diese widerwärtigen Übergriffe und sexuellen Attacken aus", die nach einer "harten Antwort des Rechtsstaats" verlangten. NRW-Regierungschefin Kraft sprach von einer "Eskalation der Gewalt" und sexuellen Übergriffen "durch Männer-Banden". Dem "Kölner Stadt-Anzeiger" sagte sie: "Für die Opfer, insbesondere die betroffenen Frauen, waren das schreckliche, zutiefst verstörende Erlebnisse."
Köln kündigt Sofortmaßnahmen an
Aus Protest gegen die Übergriffe demonstrierten am Dienstagabend in Köln mehrere Hundert Menschen gegen Gewalt gegen Frauen. Nach Angaben der Polizei kamen etwa 250 bis 300 Frauen und Männer zu der Kundgebung vor dem Dom. Sie forderten mehr Respekt und einen besseren Schutz von Frauen.
Die Behörden in Köln kündigten an, mit "Sofortmaßnahmen" auf die Vorfälle reagieren zu wollen. Reker sagte, so etwas dürfe es "nie wieder" geben. Zu dem Paket gehöre eine stärkere Polizeipräsenz bei Großveranstaltungen wie dem kommenden Karneval. Zudem sollen verstärkt mobile Videokameras eingesetzt werden, die Menschenmengen von oben beobachten können. Auch will die Kölner Polizei Menschen, die in der Vergangenheit beispielsweise mit Taschendiebstählen aufgefallen sind, den Zutritt zu bestimmten Bereichen verbieten.
ww/jj (afp, ard, dpa, kna)