Globale Debatte vor traumhafter Kulisse
16. Oktober 2012Es kostet etwas Überwindung, morgens bei strahlendem Sonnenschein Rios berühmten Traumstrand, die Copabacana, links liegen zu lassen und ins Tagungshotel zu gehen. Draußen die Idylle, drinnen die Probleme dieser Welt: Finanzkrise, Jugendarbeitslosigkeit, Ressourcenknappheit, Klimawandel. Doch wer Rio de Janeiro kennt, der weiß: Zwischen Idylle und bitterer Armut liegen nur ein paar Häuserblocks.
Brasilien als Hotspot
Zugleich haben sich die Organisatoren des 5. Global Economic Symposium (GES) ganz bewusst für Brasilien als Austragungsort ihres Forums entschieden. Man wähle Länder, die in Zukunft eine ganz besondere Rolle in der Weltwirtschaft haben werden, sagt GES-Chef Dennis Snower, zugleich Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel. Das sei vor zwei Jahren so gewesen, als man das GES in Istanbul ausgetragen habe, und nun eben sei man aus diesen Gründen nach Rio gegangen. Brasilien, so Snower im DW-Gespräch, werde beispielgebend für den Übergang eines Schwellenlandes zu einer Industrienation stehen – wenngleich noch unzählige Probleme zu lösen seien: Energiesicherheit zum Beispiel oder der soziale Zusammenhalt der Gesellschaft.
Lebhafte Debatten
Und damit ist man bei den Themen, um die es zwei Tage lang an der Copabacana geht. Natürlich drehen sich die Debatten auf den Panels und an den runden Tischen um die große Krise, die die Welt seit nun fünf Jahren in Atem hält. Wie kommt man aus dem Teufelskreis von immer neuen Schulden und Stimulierung des Wachstums heraus? Wie lässt sich die weltweit dramatisch ansteigende Jugendarbeitslosigkeit bekämpfen? Wie bekommt man die Finanzmärkte in den Griff, welche Rolle müssen Zentralbanken spielen? Da schlagen die Wogen in den kühlen Tagungsräumen bisweilen hoch, zum Beispiel bei der Diskussionsrunde über die Jugendarbeitslosigkeit: Was machen sie in Deutschland besser als anderswo, wird da gefragt. Modelle aus Shanghai werden solchen aus Chicago und Sao Paulo gegenübergestellt – und immer wieder die Frage: Was kostet das? Und was ist eigentlich mit afrikanischen Ländern, fragt eine Teilnehmerin aus Kenia? Habt ihr da auch Antworten?
Keine fertigen Lösungen
Die Themen sind alle nicht neu, und Antworten versuchen auch andere solcher Foren zu finden. Das Besondere am Global Economic Symposium ist der breite Ansatz, verschiedene Themen zusammen zu führen: Denn so komplex, wie die Welt ist, so komplex sind ihre Probleme. Und sie lassen sich nur komplex lösen – so das Mantra von GES-Chef Snower. Daher wird in dem einen Tagungsraum um Rezepte gegen die Jugendarbeitslosigkeit gestritten, und gleich daneben um die Öl- und Gasvorkommen in der Arktis – und wem sie gehören. Und in der nächsten Runde geht es um Fiskalregeln als Mittel zur Haushaltskonsolidierung und dann wieder darum, wie Unternehmen die sozialen Medien am besten nutzen können.
Freiraum zum Denken: Das soll das GES vor allem sein. Am Ende der zweitägigen Debatte wird keiner der 600 Teilnehmer - Politiker, Wissenschaftler, Unternehmer - mit dem fertigen Rezept zur Rettung der Welt den Heimflug antreten. Aber alle Ideen, Vorschläge, Thesen werden zusammengetragen, analysiert und später in Buchform veröffentlicht: Die "Global Economic Solutions" werden dann Regierungen und wichtigen internationalen Organisationen zur Verfügung gestellt: In der Hoffnung, dass es nicht achtlos irgendwo im Regal verschwindet, sondern als Anleitung zum Handeln dient.