Lila Reis aus Laos
19. August 2011Viola Martinez füllt die Regale ihres kleinen Weltladens auf. Kaffee, Tee, Gewürze, Honig, Fruchtsäfte - das typische Sortiment eines Fair-Trade-Geschäfts. Erst vor drei Monaten hat die 33-Jährige den Laden übernommen. Dafür ist sie extra aus Süddeutschland ins rheinische Wuppertal gezogen. Zusammen mit ihrem Mann, ihrem zweijährigen Sohn - und einer Menge Idealismus. "Ich halte den Fairen Handel für ein ganz wichtiges Instrument, um die Welt ein kleines bisschen gerechter zu machen", erklärt die ausgebildete Außenhandelskauffrau. Dabei gehe es nicht nur um eine faire Bezahlung, sondern auch um einen persönlichen Kontakt mit demjenigen, der hinter dem Produkt stehe.
Gerade ist Frau Martinez dabei, einen Ausstellungstisch für eines ihrer exotischsten Produkte zu gestalten: lilafarbener Reis, der von Kleinbauern in Laos angebaut wird. Sorgfältig ordnet sie die Reispäckchen in einem Bambuskorb an, dekoriert den Tisch mit Reisschälchen und Ess-Stäbchen und verstreut Reiskörner drum herum.
Rund 9000 Kilometer entfernt vom kleinen Wuppertaler Weltladen, in den laotischen Bergen, beginnt gerade die Anbauzeit des Kow Kam. So nennen die dortigen Dorfbewohner ihren lilafarbenen Reis.
"Ein wenig mehr für die Arbeit"
Reisfelder, soweit das Auge reicht. Dahinter die malerische Kulisse der Karstberge von Nordlaos. Hier, im Distrikt Kasi, ist die Heimat von Bounmy Salikeo. Der 51-Jährige ist Reisbauer, solange er denken kann. Vier Jahre lang ging er zur Grundschule, dann begann er die Arbeit auf den Reisfeldern - wie all seine Mitschüler auch.
Momentan ist Bounmy damit beschäftigt, büschelweise Setzlinge aus dem sogenannten Pflanzfeld in das eigentliche Reisfeld umzupflanzen - natürlich alles per Hand. Nach etwa vier Monaten kann er den lilafarbenen Reis dann ernten. Das hat ihm immer ein bescheidenes Einkommen gesichert. Gerade genug, um für das Nötigste für Frau und Tochter zu sorgen - für mehr aber auch nicht. Vor einigen Jahren hörte er dann das erste Mal von Fair Trade. "So habe ich angefangen ein wenig mehr für meine Arbeit zu bekommen", erzählt Bauer Bounmy. "Das hat das Leben meiner Familie etwas verbessert. Aber auch die Umwelt und das Dorf sollen ja von Fair Trade profitieren."
Fairer Handel in der Kritik
Doch in letzter Zeit mehren sich auch kritische Stimmen im Dorf. Zu wenig habe man bisher vom Fairen Handel profitiert, so die Meinung vieler Reisbauern. Bauer Bounmy ist immer noch überzeugt von der Idee. Aber in einem Punkt gibt er den Kritikern Recht: Die Verkaufszahlen von dem fair gehandelten lila Reis seien bisher viel zu gering, um wirkliche Veränderungen im Dorf zu bewirken. Deshalb widmen sich viele Reisbauern aus der Gegend inzwischen anderen Geschäften.
Bauer Loueng Wanhadsachanh, ein Nachbar von Herrn Bounmy, hat sich einen Metallbehälter auf den Rücken geschnallt. Mit einem am Behälter befestigten Hebel pumpt er chemischen Dünger durch einen langen Schlauch auf sein Feld. Die meisten Fair-Trade-Händler lehnen es ab, Reis einzukaufen, der mit Dünger und Pestiziden in Berührung kam. Doch Bauer Loueng baut schon seit zwei Jahren keinen lila Reis für den Fair-Trade-Markt mehr an. Er hat umgesattelt auf Mais. "Den Mais verkaufe ich an Geschäftsleute aus Vietnam. Dieses Jahr kann ich ihnen Mais für über 4000 Euro verkaufen", freut er sich.
4000 Euro - das ist ein Vielfaches eines normalen Bauerneinkommens in Laos. Seit einigen Jahren werben Länder wie China, Thailand und Vietnam offensiv um die Gunst der laotischen Bauern. Denn anders als in seinen Nachbarländern gibt es noch viel verfügbares Land in Laos. Und das soll nach dem Willen der ausländischen Händler möglichst hohe Erträge einbringen - auch mithilfe chemischer Methoden. Bauer Loueng hat das überzeugt: "Ökologische Methoden wie beim lila Reis sind einfach nicht so ertragreich. So verdiene ich jetzt viel mehr."
Hoffnung auf langfristige Wirkungen
Für Sisaliao Svengsuska sind solche Aussagen nichts Neues. Der 72-Jährige ist Chef der laotischen Fair-Trade-Vereinigung ASDSP. Er ist nach Kasi gereist, um bei den Bauern Werbung für den ökologisch angebauten und fair gehandelten lila Reis zu machen und ihnen die Nachteile chemischer Verfahren zu erklären. "Ich glaube, dass die Bauern diese Methoden gegen ihre eigenen Überzeugungen einsetzen. Denn sie wissen sehr genau, dass sie schlecht für die Gesundheit sind", ist Sisaliao überzeugt.
Doch auch er muss zugeben, dass die Einnahmen aus den bisherigen Reisverkäufen ernüchternd waren: Pro Kilo fair gehandeltem Reis gehen rund fünf Cent als sogenannte Prämie an örtliche soziale Projekte - meist zur Verbesserung von Schulen oder der Gesundheitseinrichtungen. Doch im gesamten letzten Jahr waren das nur rund 600 Euro. Gerade mal genug, um einen Teil des Dachs der Grundschule zu renovieren. Das ist den meisten Bauern zu wenig. "Natürlich ist es vor allem ihr beschwerlicher Alltag, der sie beschäftigt. Sie brauchen jetzt Geld und nicht irgendwann in der Zukunft", so Fair-Trade-Vertreter Sisaliao. Trotzdem gibt er seine Hoffnungen nicht auf: "Wenn der Fair-Trade-Markt in Laos weiter wächst, dann zeigen die Bauern mit Sicherheit wieder mehr Interesse daran."
"Auf hochwertige Produkte konzentrieren!"
In der laotischen Hauptstadt Vientiane, rund 200 Kilometer südlich von Kasi, wird der lila Reis weiterverarbeitet. In einer Reismühle wird er zunächst geschält. Danach machen sich rund 40 Arbeiterinnen daran, den Reis einer gründlichen Qualitätskontrolle zu unterziehen. Auf langen Tabletts nehmen sie Korn für Korn unter die Lupe. Dabei picken sie die unbrauchbaren Körner heraus und werfen sie in danebenstehende Boxen. Kein aufregender Job, aber für viele eine gute Möglichkeit, etwas Geld zu verdienen.
Die meisten anderen Produkte - wie auch der chemisch angebaute Mais - verlassen das Land ohne Weiterverarbeitung. Mit einem Bruttoinlandsprodukt von unter 700 Euro pro Kopf, einer Analphabetenquote von über 30 Prozent und einer kaum ausgebauten Infrastruktur gehört Laos zu den ärmsten Ländern Asiens. Eine schwierige Ausgangslage, um mit den benachbarten Wachstumsmärkten wie China und Thailand zu konkurrieren.
Gerade deshalb bietet der Fair-Trade-Markt mit Nischenprodukten wie dem lila Reis große Entwicklungschancen für das Land, so sieht es zumindest Michael Schultze. Er arbeitet als Wirtschaftsexperte für die deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und hat sein Büro in der Nähe der Reisverarbeitungs-Anlage. "Wir haben ja auch noch das Problem, dass Laos ein Binnenland ist. Deshalb muss sich die laotische Wirtschaft auf qualitativ hochwertige Produkte konzentrieren, bei denen der Anteil der Transportkosten am Gesamtpreis nicht so hoch ist", so GIZ-Experte Schultze. Der Faire Handel sei da der richtige Weg, denn auf den Massenmärkten sei die asiatische Konkurrenz einfach zu groß.
Weit weg von den Kunden
Im Weltladen von Frau Martinez verkauft sich der exotische Reis inzwischen gut. Von den ganzen Schwierigkeiten des Anbaus und der Produktion in Laos wissen hier weder Kunden noch Verkäufer, denn über sie schweigt die Produktbeschreibung über dem liebevoll dekorierten Ausstellungstisch. Doch mit seiner steigenden Beliebtheit beim Konsumenten in Deutschland wird es für die Bauern in Laos vielleicht in Zukunft etwas lukrativer, den lila Reis anzubauen. Und ein Versprechen hält er laut Frau Martinez auf jeden Fall: "Im Kochtopf wird er wirklich ganz wunderbar lila!"
Autor: Jan-Philipp Scholz
Redaktion: Susanne Henn