Demonstrationen gegen UN-Mission in Haiti
30. September 2011Je näher der 15. Oktober rückt, desto mehr steigt die Anspannung in Haiti. An diesem Tag wird der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen über die Fortsetzung der UN-Stabilisierungsmission MINUSTAH in dem Karibikstaat entscheiden, die vom brasilianischen Militär geleitet wird.
Seit Monaten kommt es in Port-au-Prince immer wieder zu Protesten gegen die Blauhelm-Soldaten. Die Demonstranten fordern den sofortigen Abzug der UN-Mission. "Wir sind absolut gegen die MINUSTAH. Wir wollen die Soldaten hier nicht. Wir wollen diese Spirale der Abhängigkeit, die bereits seit acht Jahren andauert, durchbrechen", so Joseph Jacques Hebreux, einer der Organisatoren der Proteste im Gespräch mit der Deutschen Welle.
Hebreux gehört zu den Gründern der Gruppe Bri Kouri Nouvèl Gaye, die nach dem verheerenden Erdbeben im Januar vergangenen Jahres entstanden ist und verschiedene Basisbewegungen wie die der Studierenden und die der Landbevölkerung vereint. Mit der Unterstützung von Spendern verfasst die Initiative monatlich eine kritische Schrift an die Regierung. Am 15. Oktober 2010 veröffentlichte die Initiative das erste Manifest gegen die MINUSTAH. Seitdem hat die Opposition Gestalt angenommen und ist organisierter geworden.
Brasilianische Leitung
Dem brasilianischen MINUSTAH-Kommando zufolge wird die Protestbewegung überwiegend von Studierenden der sprachwissenschaftlichen Fakultät der Universität in Port-au-Prince organisiert. "Wir haben den Eindruck, dass die Bevölkerung im allgemeinen für die MINUSTAH ist, nicht nur wegen der Sicherheit, sondern auch wegen des guten Verhältnisses, das die Truppen zur den Menschen pflegen", so Maurício Cruz, Sprecher der militärischen Abteilung der Mission.
Die von Brasilien geleitete Operation begann am 1. Juni 2004. Die Mission war im Februar desselben Jahres vom Sicherheitsrat genehmigt worden, nachdem der damalige Präsident Jean Bertrand Aristide während eines bewaffneten Aufstandes aus Haiti geflüchtet war.
Brasilien stellt den größten Teil der Einsatztruppe: Von 8700 Soldaten und 3300 Polizisten gehören ungefähr 2400 dem brasilianischen Militär an. "Bisher hat es keinen Vorfall gegeben, der sich gegen unsere Truppen gerichtet hätte, die ganz normal ihre Patrouillenfahrten auf den Straßen machen", so Cruz. "Der Präsident hat den Wunsch geäußert, dass die MINUSTAH einen schrittweisen, gut geplanten Rückzug vornimmt. Aber noch nicht jetzt, weil er denkt, dass die nationale haitianische Polizei nicht dazu in der Lage ist, eine stabile Sicherheit zu gewährleisten."
Die Stimme des Präsidenten
Michel Martelly, seit Mai Präsident von Haiti, verteidigte in seiner Rede vor der Generalversammlung der UNO am 23.September den Verbleib der Truppen in seinem Land. "Die Mission kann nicht auf eine einfache Interventionseinheit reduziert werden oder auf die Rolle des mehr oder minder neutralen Beobachters", sagte er.
"Ich bin mir der inakzeptablen Fehler bewusst, die das Prestige der Mission befleckt haben, aber wir dürfen nicht vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sehen. Und ich denke, dass die politische Stabilisierung verschiedene Phasen durchläuft", so Martelly.
Mit "inakzeptablen Fehlern" bezieht sich der Präsident auf ein Video, das im Internet kursierte, auf dem zwei uruguayische Soldaten einen haitianischen Jugendlichen vergewaltigen. Die Bilder, die Anfang des Monats verbreitet wurden, führten zu einem sprunghaften Anstieg der Proteste in Port-au-Prince.
"Nicht alle Leute waren sich darüber bewusst, dass die Arbeit der Soldaten nichts Gutes bedeutet, sondern das Land dadurch seine ganze bisherige Souveränität verliert. Aber durch den Vorfall mit den uruguayischen Soldaten ist dieses Bewusstsein gewachsen. Jede Woche erleben wir jetzt in der Hauptstadt eine friedliche Demonstration gegen die UNO", berichtet Joseph Jacques Hebreux.
Sicherheit für Haiti
"Allgemein hat die Bevölkerung den Eindruck, dass die MINUSTAH nicht so viel für das Land getan hat, wenn man es mit der Summe in Relation setzt, die dafür ausgegeben wird. Kürzlich wurden 150 Milliarden Dollar für die Verlängerung des Mandats beantragt, während die nationalen Sicherheitskräfte Haitis und die Polizei nicht mit diesem Geld bedacht wurden", erläutert Meena Jagannath vom Institut für Gerechtigkeit und Demokratie in Haiti.
Der Anwältin zufolge bekommen die haitianischen Polizisten praktisch kein Gehalt, dabei sind sie es, die für die Sicherheit der Bevölkerung zuständig sind. "Die MINUSTAH hat zum Beispiel kein Mandat, das es den Soldaten erlaubt, einem Verbrechen nachzugehen und den Kriminellen festzunehmen, es sei denn, das Verbrechen geschähe direkt vor ihren Augen", fügt sie hinzu.
Joseph Jacques Hebreux von Bri Kouri Nouvèl Gaye schätzt, dass die Anspannung in Haiti wachsen wird. "Die sozialen Bewegungen sind gegen die Anwesenheit der ausländischen Truppen, und der Präsident ist gegen uns", so Hebreux. "Wir würden gern an der Debatte teilhaben, aber wenn die Regierung über die Fortsetzung der Mission entscheidet, sind nie Repräsentanten aus der Bevölkerung anwesend. Die Gespräche werden von Vertretern der Regierung Haitis und anderen Ländern geführt", kritisiert er.
Autorin: Nádia Pontes/Julia Maas
Redaktion: Mirjam Gehrke