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Demoverbot - eine falsche Entscheidung?

Wolfgang Dick19. Januar 2015

Das Verbot aller Demonstrationen im Zusammenhang mit dem Pegida-Auftritt in Dresden stößt weiterhin auf Kritik. Doch mit dem Hinweis auf Gefährdung der öffentlichen Sicherheit wurden schon früher Demos untersagt.

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Polizisten sichern am 01.01.2015 in Leipzig eine Straße gegen eine unangemeldete Demonstration. (Foto: picture alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/S. Willnow

Es war im Jahr 2002. Der damalige US-Präsident George W. Bush sollte eine Rede im Bundestag halten. Auf dem Gelände davor wollten Bush-Kritiker demonstrieren, darunter auch Vertreter der Menschenrechtsorganisation Amnesty International. Die Sicherheitsbehörden rechneten damals mit Anschlägen auf Bush - möglich seien Attentatsversuche von Heckenschützen, durch Bomben oder gar Selbstmordattentäter. Darum wurde die geplante Demonstration untersagt.

Das Berliner Verwaltungsgericht musste sich mit der darauffolgenden Kritik befassen. Es gestand zwar zu, dass es sich um einen "erheblichen Eingriff in das Grundrecht" handele, doch angesichts der Gefahr für Leib und Leben des US-Präsidenten sei das Verbot zumutbar. Selbst die nächst höhere Instanz, das Oberverwaltungsgericht, sah dies so und argumentierte, dass sich ein Attentäter jederzeit unter die Versammlungsteilnehmer hätte mischen können - mit unabsehbaren Folgen für alle Demonstranten.

Dasselbe geschah im Vorfeld des G8-Gipfels 2007 in Heiligendamm. Sicherheitsexperten befürchteten militante Aktionen, sogar die Erstürmung des Gipfelortes, eines an der Ostsee liegenden Luxushotels. Als Beleg für die Gefahren führten die damals Verantwortlichen beim Bundeskriminalamt an, dass Globalisierungsgegner in Berlin bereits Brandanschläge verübt hätten. Demonstrationen in unmittelbarer Umgebung des Tagungsortes wurden daraufhin untersagt. Ähnliche Verbote gab es für eine NATO-Konferenz in München, in den 1970er Jahren nach Ausschreitungen rund um das Kernkraftwerk Brokdorf in Schleswig-Holstein und in den 1960er Jahren nach dem Tod des Studenten Benno Ohnesorg, den ein Polizist während einer Protestaktion gegen den Schah von Persien in Berlin erschoss.

G8-Gegner stehen am 07.06.2007 auf einer besetzte Wiese am Sicherheitszaun bei Bollhagen der Polizei gegenüber. (Foto: picture alliance/dpa)
G8-Gipfel 2007: Demonstration am Verhandlungsort verbotenBild: picture-alliance/dpa/J. Büttner

Gefährdung nicht frei erfinden

"Dreh und Angelpunkt bei einem Eingriff in die Versammlungsfreiheit sind konkrete und belegbare Gefährdungsbeweise", sagt ein ehemaliger Verfassungsrichter, der seinen Namen im aktuellen Zusammenhang nicht nennen möchte. Der Arbeitskreis kritischer Juristen führt den Fall der "Blockupy-Aktionstage" im Mai des Jahres 2012 an. Hier hätte die Stadt Frankfurt nicht Kundgebungen und Aktionen gegen Banken verbieten dürfen. Versammlungsverbote dürfte der Staat nur als allerletztes Mittel einsetzen. Eine Gefährdung von Geschäften reiche nicht aus. Es müsse in einer Stadt auch keine "Wohlfühlatmosphäre" aufrecht erhalten werden. Gesellschaftliche Auseinandersetzungen müssen stattfinden können.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Entscheidung vom Mai 1985 klargestellt, dass es ein "vorbeugendes", also vorsorgliches Verbot einer Demonstration nicht geben dürfe. Die Polizei habe vor einem Verbot alles daran zu setzen, "durch Kooperation mit den Veranstaltern eine Gefährdung zu verhindern". Genau dies erscheint im Fall Dresden unmöglich zu sein, weil hier keiner der Veranstalter auf die Ereignisse einwirken könne. Die von ausländischen Sicherheitsbehörden übermittelte Morddrohung gegen Pegida-Organisator Lutz Bachmann sei sehr konkret und sollte von unberechenbaren Attentätern ausgeführt werden. Weil man nicht wissen könne, wo diese auftauchten, sei die Gefahrenanalyse richtig, bestätigen Sicherheitsexperten. Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, sagte im Interview mit dem Fernsehsender n-tv: "Sie können sicher sein, die Polizei hatte keinerlei Handlungsalternativen."

Strenge Vorschriften

Das Versammlungs- und Demonstrationsrecht ist in Deutschland im Grundgesetz besonders geschützt. Für die Einschränkung dieses Grundrechts gelten strenge Vorschriften. So darf eine Demonstration nur verboten werden, wenn die Polizei eine "massive Gefährdungslage" ausmacht und die Sicherheit und Ordnung nicht gewährleisten kann.

Das ist die einzige Ausnahme. Dafür, dass diese Gefährdungslage im Fall Dresden manipuliert oder überbewertet wurde, finden sich derzeit keine Hinweise. Dazu ist das Risiko nach den Anschlägen in Frankreich und Belgien zu groß, und in Dresden gibt es eine ganze Liste mit Gefährdungshinweisen.

Obwohl viele Bundesländer inzwischen eigene Versammlungsgesetze haben, gelten für ein Verbot einer Demonstration überall dieselben Grundsätze. Demoverbote sind im allgemeinen nur möglich, wenn Teilnehmer paramilitärisch - etwa mit Trommeln - auftreten wollen. Oder wenn sie an historisch belasteten Tagen oder Orten demonstrieren wollen. Gedenktage und Gedenkstätten von NS-Opfern sind für Demonstrationen tabu. Was Dresden angeht: Um den harten Einschnitt in die Meinungsfreiheit zu relativieren, beeilten sich Polizei sowie Vertreter des Innenministeriums klarzustellen, dass das verhängte Versammlungsverbot nur für diesen Montag gilt.