"Den Landwirten mehr Markt nahebringen"
15. Juli 2009DW-WORLD.DE: Herr Prof. Tangermann, was halten Sie denn von dieser Entscheidung der EU?
Stefan Tangermann: Ich glaube, die muss man im Zusammenhang mit zwei politischen Entwicklungen sehen. Das eine ist die Situation in Deutschland, wir sind in Wahlkampfzeiten. Das zweite ist die Tatsache, dass die Europäische Union, ganz richtig eigentlich, entschieden hat, allmählich die Milchquoten, die jedem Bauern sagen, wie viel er produzieren darf, auslaufen zu lassen. Das macht Ärger unter den Landwirten und da will man auf der anderen Seite versuchen, ihnen jetzt ein bisschen entgegen zu kommen. Politisch hat man ein gewisses Verständnis dafür, wirtschaftlich macht es leider keinen Sinn.
Subventionierter Kauf und Verkauf
Eigentlich ist es ja nichts anderes als auch wieder eine Subvention. Man kauft halt das, was die Bauern zu viel produzieren.
Tangermann: Zumal das, was dann in die staatlichen Lager geht, ja nicht zum gleichen Preis wieder verkauft werden kann. Das muss man ja dann mit Subventionen absetzen. Im Zweifelsfall wird es auf dem Weltmarkt abgesetzt mit Exportsubventionen, die die Europäische Union bei Milchprodukten auch vor einigen Wochen wieder eingeführt hat. Das hat ziemlich viel Ärger in anderen Teilen der Welt hervorgerufen.
Sie sagen, wirtschaftlich macht es keinen Sinn. Was würde denn wirtschaftlich Sinn machen?
Tangermann: Wirtschaftlich würde es Sinn machen, den Landwirten mehr und mehr den Markt nahezubringen. Es gibt ja eine ganze Reihe von Molkereien, nicht zuletzt auch private Molkereien, die durchaus sehr erfolgreich ausgesprochen interessante und hochwertige Produkte am Markt verkaufen und da können dann auch die Landwirte verdienen.
Die Landwirtschaft erbringt eine Menge Leistungen
Eine EU ohne Agrarsubventionen, darüber wollen wir jetzt mal nicht reden. Aber eine EU, in der Agrarsubventionen vielleicht nicht mehr der größte Posten sind, halten Sie das für denkbar?
Tangermann: Das halte ich für durchaus denkbar. Ganz ohne Subventionen, die ich aber in diesem Zusammenhang in Anführungszeichen setzten möchte, wird es und sollte es sowieso gar nicht gehen, denn die Landwirtschaft erbringt durchaus eine ganze Reihe von Leistungen für die Gesellschaft, Erhaltung der Natur, Biodiversität und Ähnliches. Aber der Punkt ist, dann sollten die Landwirte honoriert werden für das, was sie in dieser Hinsicht wirklich leisten. Es geht der Gesellschaft ja nicht darum, dass da Überschüsse an Milchprodukten erzeugt werden, sondern die Gesellschaft will eine schöne Landschaft haben, sie will Biodiversität haben, sie will ländliche Entwicklung haben. Und wenn man die Landwirte dafür bezahlt, dann leisten sie etwas, worauf sie auch Stolz sein können. Das wird immer noch staatliches Geld kosten, aber erstens nicht so viel wie bisher und zweitens ist das dann sehr viel sinnvoller angelegtes Geld.
Entwicklungshilfe nicht durch Subvention konkerkarieren
Dafür bekommen wir jetzt ja eine andere Form der Agrarsubvention. Vergangene Wochen haben die G8-Länder auf ihrem Gipfel in Italien beschlossen, armen Bauern in Entwicklungsländern 20 Milliarden Dollar zu geben, damit die eine landwirtschaftliche Produktion aufbauen können. Wie sinnvoll ist das ihrer Ansicht nach?
Tangermann: Das ist außerordentlich sinnvoll. Im vergangenen Jahr haben wir gemerkt, wie bei extrem hohen Nahrungsmittelpreisen an den internationalen Märkten in vielen Entwicklungsländern sehr schwierige Situationen entstanden sind. Und es ist nur gut, dass daraufhin die reichen Länder dieser Welt sich daran erinnern, dass sie schon früher einmal versprochen haben, die Landwirtschaft in den Entwicklungsländern stärker zu unterstützen. Das als solches ist gut, das darf man nur nicht konterkarieren dadurch, dass man gleichzeitig unseren Bauern künstliche durch Subvention gespeiste Produktionsanreize gibt, die dann dazu führen, dass sie ihren Kollegen in den Entwicklungsländern auf den Märkten in die Quere kommen. Es trägt in der Tat dazu bei, Landwirten in anderen Teilen der Welt das Leben schwerer zu machen dadurch, dass wir mit Subventionen exportieren, während ja die Märkte insgesamt international nicht größer werden.
Autor: Jörg Brunsmann
Redaktion: Zhang Danhong