"Den Sicherheitsrat können Sie vergessen"
17. April 2003Was schätzen Sie, wie lange wird die Bildung einer irakischen Übergangsregierung dauern?
Ich weiß es nicht, und das amerikanische Verteidigungs- und Außenministerium weiß es auch nicht. Es wird wohl Wochen, wenn nicht Monate dauern. Das ist ja wirklich etwas ganz Neues. Man überlegt sich nicht nur, was gemacht werden soll, sondern auch, wie es am sinnvollsten ist.
Neben der politischen Unterstützung: Welche finanzielle Hilfe werden die USA im Irak leisten?
Grob gesprochen: Die meisten Menschen im US-Kongress – nicht nur in der Regierung – sind davon überzeugt, dass die Arbeit nach dem Krieg genauso wichtig ist, wie der Krieg selbst. Mein Eindruck ist, es wird in Washington akzeptiert, dass dieses Projekt kompliziert ist. Dass es auch teuer ist, aber derzeit unbedingt notwendig. In ein paar Jahren kann das natürlich anders aussehen. Ich denke aber, man bereitet sich schon darauf vor, dass die USA mehr Geld beisteuern müssen. Wie viel wird gerade heftig diskutiert. Genauso, wie die Kosten des Krieges.
Es gibt eindeutige Drohungen aus Washington an Syrien. Ist das der richtige Weg, um die Region zu befrieden und Vertrauen zu schaffen?
Die Frage ist doch: Ist das Verhalten des Regimes in Damaskus das richtige Verhalten, um Vertrauen zu schaffen? Davon abgesehen bin ich davon überzeugt, dass die USA Syrien nicht angreifen werden. Selbst wenn man das wollte, ist es eigentlich fast nicht denkbar. Wir haben im Irak ziemlich viel zu tun. Und es gibt andere Probleme, die diplomatisch gelöst werden müssen: im Iran oder Nordkorea. Außerdem ist George Bush Politiker, der in zwei Jahren wieder gewählt werden möchte.
Es herrscht nach wie vor Funkstille zwischen den USA und Deutschland. Welche Auswirkungen wird der zurückliegende Krieg auf das Verhältnis der beiden Länder noch in Zukunft haben?
Ich habe den Eindruck, es gibt ein Problem der Glaubwürdigkeit auf beiden Seiten. Die Frage, die auf beiden Seiten gestellt werden muss, ist: Wie gewinnt man wieder Vertrauen zueinander? Das geht nicht schnell. Aus US-Sicht gilt Deutschland weiterhin als wichtiger Partner. Aber was strategische Überlegungen angeht, fragt man sich in Washington schon: Was erwarten die Deutschen von uns? Wie ist die Strategie der deutschen Außenpolitik? Das Verhältnis ist beschädigt, aber nicht am Ende. Trotzdem könnte die Beziehung nun eine andere sein. Denn dies war das erste Mal, dass die Amerikaner einen Krieg geführt haben, in dem eine Regierung der Bundesrepublik alles getan hat, um die amerikanische Position zu untergraben und unsere Außenpolitik zu blockieren. Der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger stellt die Frage: Gibt es Grenzen fehlender Übereinstimmung, wenn man ein funktionierendes Bündnis haben will?
Das Verhältnis der USA zur internationalen Staatengemeinschaft hat durch den Irak-Krieg stark gelitten. Beginnt nun eine politische Neuzeit mit neuen Verbündetenkonstellationen – den Unterstützerstaaten der USA einerseits und den Kriegsgegnern andererseits?
Es gab auf jeden Fall eine Spaltung: China, Russland, Frankreich, Deutschland – viele wichtige Länder haben diesen Krieg abgelehnt. Das darf nicht übersehen werden. Auf der anderen Seite gab es eine Reihe wichtiger Länder wie Japan, Australien, Dänemark, die den Standpunkt der USA und Großbritanniens unterstützt haben. Im Moment würde es zu weit gehen zu sagen, die Spaltung wäre nicht zu überwinden. Das wird zum Teil möglich sein. Es gibt aber ein Imageproblem der USA in gewissen Ländern. Das zu ändern ist eine wichtige und ernste Herausforderung für die amerikanische Außenpolitik.
Wie können die USA in der internationalen Staatengemeinschaft ihr Image wieder verbessern?
In dem Zusammenhang können die Franzosen und Deutschen den US-Sicherheitsrat vergessen. Es ist in Washington allgemein bekannt, dass Gerhard Schröder, Jacques Chirac und Wladimir Putin nie vorhatten, Saddam Hussein einzudämmen. Es ging ihnen darum, Bush und die USA einzudämmen. Ich kann mir vorstellen, dass die deutsche Lehre eine andere ist, aber das ist im Großen und Ganzen die amerikanische Lehre – bedauerlicherweise. Und die wird in Washington nicht vergessen. Von dem, was Joschka Fischer und Gerhard Schröder erreichen wollten, bekommen sie nun genau das Gegenteil. Das nächste mal, dass ein US-Präsident sagt: Dies ist ein vitales Interesse, das wir unbedingt mit Frankreich und Deutschland besprechen müssen, und vor allem im UN-Sicherheitsrat - das wird die nächsten paar Jahre nicht vorkommen.
Nützlich zumindest für das amerikanisch-deutsche Verhältnis wäre, wenn die beiden Männer - Schröder und Bush - weg wären. Ein Regierungswechsel in Washington und Berlin würde sicher helfen. Hinzu kommt, dass wir Amerikaner uns fragen müssen, wo US-Außenminister Colin Powell in den vergangenen zwei Jahren war. Er ist fast überall in Europa sehr beliebt, ist auf der politischen Bühne aber in der Vergangenheit kaum aufgetaucht. Das war bestimmt ein Fehler der amerikanischen Außenpolitik. Wir müssen uns überlegen, wie er zukünftig eine größere Rolle spielen kann. Drittens sollten die USA sich an den Spruch erinnern: Wer ein Anführer sein will, braucht jemanden, der ihm folgt. Die Amerikaner müssen ab und zu besser hinhören.