Porträt Denis Goldberg
25. April 2013Denis Goldberg ist gerade 30 Jahre alt, als sein erstes Leben radikal beendet wird: Vom Apartheid-Regime, das ihn zusammen mit Nelson Mandela und 15 weiteren Freiheitskämpfern verhaftet und im berühmten Rivonia-Prozess im Jahr 1964 des Hochverrats und der Sabotage schuldig spricht und für 22 Jahre ins Gefängnis bringt.
Goldberg hatte auf Drängen seiner Familie einen soliden Beruf erlernt, er ist Bauingenieur. Sein Gerechtigkeitsdrang führte ihn früh zu den Kommunisten und zum Afrikanischen Nationalkongress (ANC). Er ist ein Idealist, ein Träumer, ein Klassenkämpfer – vielleicht auch ein Visionär. Bis heute, trotz seines noblen Wohnortes Hout Bay in Kapstadt. "Ich glaube, dass die Kapitalismuskritik, die der Marxismus und Kommunismus verkörpert, heute genau so gültig ist wie früher", sagt Goldberg. Er sehe eine weltweit verbreitete, nackte Gier, die auch Südafrika zerfresse. Sie zerstöre das Land, weil sie die Armut nicht lindere, sondern verstärke. "Und das ist kein Zufall, das ist das Prinzip von Unternehmen. So operieren sie, kapitalistische Unternehmen. Ganz gleich, ob sie von Weißen oder Schwarzen geführt werden."
Verurteilt zu viermal lebenslänglich
Schon Anfang der 1960er Jahre, als der ANC seine pazifistische Doktrin änderte und unter Nelson Mandela zum bewaffneten Widerstand überging, war Goldberg dabei. Seine Fertigkeiten als Bauingenieur waren beim "Speer der Nation" - UmKhonto we Sizwe - gefragt. So nannte sich der militärische Arm des ANC. Goldberg wurde dessen technischer Berater. 1963 wurde er verhaftet und später verurteilt: zu viermal lebenslänglicher Haft. Anders als Nelson Mandela kam er als Weißer jedoch nicht auf die Strafinsel Robben Island, sondern in ein Gefängnis für Weiße in der Hauptstadt Pretoria. Goldberg nutzte die Haft zu drei Fernstudiengängen. Als er im Jahr 1985 entlassen wurde, mit 52 Jahren, folgte er seiner Frau Esme ins Exil nach London. Goldberg vertrat den ANC bei den Vereinten Nationen in New York. Erst lange nach den ersten freien Wahlen kehrte er im Jahr 2002 nach Südafrika zurück, nachdem seine Frau in London gestorben war.
Keine Karriere in der Politik
Zurück in seinem Heimatland wurde er in der Regierung von Mandela-Nachfolger Thabo Mbeki Berater im relativ unbedeutenden Ministerium für Wasser- und Forstwirtschaft. Aber Realpolitik, bekennt der Klassenkämpfer heute, ist nicht sein Ding: "Politik ist wirklich eine hohe Kunst. Genau deshalb mische ich da nicht mit, weil ich das nicht wollte. Meine Aufgabe war es, beim politischen Wandel zu helfen. Nicht eine politische Karriere zu machen. Vielleicht ist das mein Privileg."
Vielleicht habe er auch nur Glück gehabt, weil er in seinem Leben zweimal verheiratet war und diese beiden Frauen gut auf ihn aufgepasst hätten, meint der 80-Jährige und fügt hinzu: "Und vielleicht habe ich einfach auch ein paar Prinzipien." Goldbergs beide Ehefrauen, die Widerstandskämpferin Esme Goldberg, die er in seiner Haftzeit zweimal sah, und die ostdeutsche Journalistin Edelgard Nkobi-Goldberg, sind früh verstorben.
Sein Leben lang ist Denis Goldberg wissbegierig geblieben und seinen Idealen treu. 2009 wurde er in Südafrika mit dem Albert-Luthuli-Orden für seinen Kampf gegen die Apartheid geehrt, 2011 für seinen Beitrag zur Völkerverständigung mit dem Bundesverdienstkreuz Erster Klasse.
"Der ANC wird sich spalten"
Mit Sorge beobachtet Goldberg die Fehlentwicklungen, wie er sagt, in seinem Heimatland: Genossen, die sich unter dem Banner der Befreiungsbewegung bereichern und die Ideale, für die er sein Leben riskierte, verraten. Das verstöre ihn, sagt Goldberg. Er glaubt doch fest daran, dass die südafrikanische Revolution erst im Anfangsstadium steckt und der ANC sie wohl nicht bis zum Ende führen kann: "Der ANC kann nicht auf Dauer eine Partei für alle und jeden sein - für jede soziale Gruppe. Für Gewerkschafter, Kapitalisten, Landbesitzer und Landlose, für Beschäftigte und Arbeitslose. Ich gehe davon aus, dass sich der ANC, auch wenn ich nicht vorhersagen kann wann, früher oder später spalten muss."
Goldbergs Logik als Kommunist zufolge muss es eine linke Bewegung sein, die den Klassenkampf fortführt, den Kampf für soziale Gerechtigkeit in Südafrika.