Der Adel in Deutschland
Die Monarchie mit dem letzten deutschen Kaiser wurde vor einem Jahrhundert abgeschafft. Trotzdem findet man bis heute noch Überbleibsel aus dieser Zeit.
Der Kaiser und sein Hofstaat
Wer die verschiedenen Titel und Ränge des deutschen Adels auseinanderhalten kann, ist wahrscheinlich an mittelalterlicher Geschichte interessiert: Kaiser, König, Erzherzog, Großherzog, Kurfürst, Herzog, Landgraf, Pfalzgraf, Markgraf, Fürst, Freiherr, Ritter, Junker… Aber gehört das wirklich alles der Vergangenheit an?
Die Abschaffung der Monarchie
Die Niederlage des deutschen Kaiserreichs zum Ende des Ersten Weltkriegs und die darauffolgenden Unruhen führten zur Abdankung Kaiser Wilhelms II. (siehe Bild). Daraufhin wurde am 9. November 1918 eine parlamentarische Demokratie ausgerufen. Die preußische Monarchie und die 22 deutschen Bundesfürsten wurden somit abgeschafft.v
Die Erben des letzten Kaisers
Nicht jeder Aspekt rund um den Systemwechsel wurde damals geklärt. Das Haus Hohenzollern mit seinem Oberhaupt Georg Friedrich Ferdinand (siehe Foto), dem Prinz von Preußen und Ururenkel von Kaiser Wilhelm II., fordert Entschädigungen für den Grundbesitz, von dem seine Familie enteignet wurde.
Titel im Namen
Adelstitel sind noch in einigen Familiennamen zu finden: die Namenszusätze "von" (was "abstammend von" bedeutet) oder "zu" ("wohnhaft in") vor einem deutschen Nachnamen weisen auf einen vererbten Titel hin. In Deutschland sind das schätzungsweise insgesamt 80.000 Menschen. Heutzutage haben diese Titel aber nur noch einen symbolischen Wert.
Die Abschaffung der Adelstitel in Österreich
Der Kaiser von Österreich, Karl I. (siehe Bild), ist nicht offiziell abgedankt. Daher waren die Gesetze zur Abschaffung der Monarchie in der Republik Österreich strenger. Während die Weimarer Republik deutschen Aristokraten erlaubte, ihre Adelstitel zu behalten, sind diese Namenszusätze in Österreich 1919 verboten worden. Einige Politiker fordern sogar ein ähnliches Gesetz in Deutschland.
Ein zusätzlicher Schub
Heute hat man in Deutschland keine rechtlichen Vorteile, wenn man dem Adel angehört. Trotzdem haben Studien ergeben, dass Menschen mit einem Adelstitel im Nachnamen mehr Chancen haben, ein Vorstellungsgespräch zu bekommen. Außerdem bieten Adelsverbände auch oft Networking-Möglichkeiten, die Zugang zu einflussreichen Kreisen ermöglichen können.
Teil einer Adelsfamilie werden
Einige Menschen messen den Titeln immer noch große Bedeutung bei: So ist es möglich, einen echten Adelstitel durch Heirat oder Adoption zu erhalten. Allerdings muss man im Fall einer Adoption mit sehr hohen Kosten rechnen. Auch das Familiengericht muss überzeugt werden, dass man nicht nur wegen des Titels adoptiert wird. Sonst kann die Namensänderung nämlich abgelehnt werden.
Gekaufte Adelstitel
Man kann sich günstig einen deutschen Adelstitel von einer ausgestorbenen Adelslinie kaufen. Firmen, die diese Titel anbieten, vergleichen dies mit der Wahl eines Künstlernamens, worauf man in Deutschland einen rechtlichen Anspruch hat. Den gekauften Titel kann man trotzdem nicht seinem Personalausweis hinzufügen - es sei denn, man kann beweisen, dass man überall "Prinz" genannt wird.
Ist das ein echter Titel?
Wer einen Titel käuflich erwirbt, gehört trotzdem nicht plötzlich zum Adel. So zu tun, kann der Glaubwürdigkeit schaden. Als der Titel von Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein, einer Politikerin der rechtspopulistischen Partei AfD, untersucht wurde, stellte sich heraus, dass dieser Adelstitel laut der "Süddeutschen Zeitung" "seit geraumer Zeit von Titelhändlern zu hohen Preisen verkauft" wurde.
Ein Hauch von Sarkasmus
Nicht jeder lässt sich von Adelstiteln beeindrucken. Der Ausdruck "Herr von und zu" oder "Frau von und zu" - ohne den eigentlichen Nachnamen - wird manchmal benutzt, um überhebliche Leute zu veräppeln. Hochmütige Damen und Herren sollten vielleicht mal versuchen, einen Frosch zu küssen; es könnte sie daran erinnern, dass sie auch nur Menschen sind - und kein Adelstitel kann das jemals ändern.