1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Der Chip im Ball

Olivia Fritz4. Juli 2012

Die Regelhüter des Weltfußballs haben entschieden: Technische Hilfsmittel sollen in Zukunft im Fußball erlaubt sein. Sie sollen den Schiedsrichter unterstützen und ihn vor Fehlentscheidungen schützen.

https://p.dw.com/p/15R7g
Ein Adidas Ball it eingebautem Chip (Foto: Adidas)
Bild: Oliver Braun

Die vermeintlichen Heilsbringer heißen Hawk-Eye (Torkamera) und GoalRef (Chip im Ball), die beide von der FIFA über neun Monate gestestet wurden. Mit ihnen könnte künftig eine Fehlentscheidung wie auch bei der EURO 2012 vermieden werden.

Das menschliche Auge kann irren

Fast immer wenn die Fußballwelt hitzig darüber debattiert, ob der Ball tatsächlich hinter der Torlinie war oder nicht, scheint England beteiligt zu sein: Im Finale der Fußball-Weltmeisterschaft 1966 hatte Deutschland beim berühmten "Wembleytor" das Nachsehen. Die Revanche folgte bei der WM 2010: Ein reguläres Tor der Briten im Achtelfinale gegen Deutschland zählte nicht.

Und jüngst erzürnte bei der Europameisterschaft in Polen und der Ukraine wieder ein nicht gegebenes Tor die Gemüter: Im letzten Vorrundenspiel erzielte der ukrainische Spieler Marko Devic gegen England ein Tor, das die Schiedsrichter nicht als solches anerkannt haben.

Englands Torwart John Terry schlägt einen Ball aus dem Tor, der die Torlinie bereits überquert hatte (Foto:Vadim Ghirda/AP/dapd)
Dieses Tor der Ukraine gegen England zählte nichtBild: dapd

Diese Entscheidung war faktisch zwar richtig, denn es war ein Abseitstor, doch der Schiedsrichter erkannte das Tor aus einem anderen Grunde nicht an: Er und sein Team hatten den Ball gar nicht im Tor gesehen. Seit der Saison 2009/10 hat die Europäische Fußballunion (UEFA) zusätzlich zwei spezielle Schiedsrichter eingeführt, die "Torrichter". Sie sollen entscheiden: Tor oder kein Tor?

Konträr stehen sich vor allen Dingen FIFA-Präsident Joseph Blatter und UEFA-Boss Michel Platini gegenüber. Der Franzose unterstrich auch nach dem Vorfall bei der EM, "absolut gegen" die Torlinien-Technik zu sein. Blatter hatte dagegen nach der Partie mitgeteilt, dass die Technik keine Alternative mehr sei, "sondern eine Notwendigkeit." Zuletzt waren zwei Systeme getestet worden: das "GoalRef" und das "Hawk-Eye".

Wer macht das Rennen – Kamera oder Chip?

Das englische System "Hawk-Eye" kommt bereits bei anderen Sportarten wie zum Beispiel Tennis oder Cricket zum Einsatz. Dabei werden mehrere Kameras positioniert, die aus unterschiedlichen Perspektiven mehrere hundert Bilder pro Sekunde aufnehmen. Herkömmliche Kameras schaffen nur 25 Bilder pro Sekunde. Auf dieser Basis kann in 3-D-Simulationen bis auf wenige Millimeter genau die Position des Balles dargestellt werden.

Damit ist der Beweis stichhaltig: Der Tennisball war im Aus und der Fußball tatsächlich im Tor. Das System wurde von Dr. Paul Hawkins entwickelt, einem britischen Mathematiker. Aber das System hat auch einen Nachteil: Sollte aus irgendeinem Grund die Sicht auf den Ball behindert sein, kann auch die modernste Kamera nichts zeigen. Außerdem ist das System nicht gerade preiswert.

Eine Hawk-Eye Kamera, die in der Nähe eines Tores installiert ist (Foto:Tim Hales/AP/dapd)
Der Hawk-Eye Kamera entgeht nichtsBild: dapd

Die deutsche Alternative "GoalRef", die bereits im Handball erprobt ist, basiert auf einem Chip im Ball und einem Magnetfeld am Tor. An der Strafraumgrenze und hinter dem Tor werden dünne Stromkabel verlegt. Ebenfalls computerunterstützt wird dem Schiedsrichter sofort auf einer speziellen Armbanduhr ein Signal übermittelt, sobald der Ball die Torlinie überquert. Das System funktioniert so ähnlich wie der Diebstahlschutz im Kaufhaus: Auch hier gibt es ein Alarmsignal, sobald der Chip bzw. die Diebstahlsicherung eine bestimmte Position passiert. Der Chip kann theoretisch in jeden Ball eingesetzt werden.

Deutsche sind für die Technik

Nicht nur die deutschen Nationalspieler Sami Khedira und Thomas Müller sprachen sich bei der EM für die Torlinientechnik aus. Auch die deutschen Schiedsrichter und DFB-Präsident Wolfgang Niersbach halten sie für richtig. Sollten sich die FIFA-Regelhüter generell für eine der Techniken entscheiden, dürfen sich in einer anschließenden Zertifizierungphase übrigens auch andere Firmen mit ähnlichen Systemen Hoffnungen auf einen Zuschlag machen.

Damit wäre die Tür auch für andere technische Hilfsmittel aufgestoßen: In Sportarten wie Eishockey, American Football oder in der US-Basketball-Profiliga NBA gehören zum Beispiel Videobeweise seit langem zum Standard. Beim Radsport, Rudern oder in der Leichtathletik entscheiden Zielfotos über Sieg und Niederlage. Wenn sich die FIFA tatsächlich für Hilfsmöglichkeiten entscheiden sollte, darf trotzdem jedes Land selbst entscheiden, ob es die neue Technik einsetzen möchte. Frühestens zum Einsatz käme die Torlinientechnik laut FIFA-Präsident Blatter erst bei der Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien.