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Der Ukraine-Krieg bringt Klimaziele ins Wanken

Stuart Braun
27. Juni 2022

Die Emissionen, die das Militär verursacht, werden oft übersehen. Das könnte sich ändern: Beim Treffen der G7-Staaten sollen auch die Auswirkungen des Ukraine-Krieges zur Sprache kommen.

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Ukraine | Krieg | zerstörter russischer Panzer
Der Krieg in der Ukraine produziert nicht nur direkte Emissionen, die sich auf das Klima auswirkenBild: Genya Savilov/AFP/Getty Images

Der Einmarsch Russlands in die Ukraine hat zu weit verbreitetem Elend, Tod und Zerstörung geführt. Angesichts dieser Schrecken werden die weitreichenden Auswirkungen des Krieges auf das Klima naturgemäß weit weniger beachtet.

Die Waffen, Jets, Panzer und Lastwagen, mit denen dieser zermürbende Krieg geführt wird, steigern die Emissionen in einem Ausmaß, das sich in der Hitze des Gefechts nur schwer bemessen lässt. Als im Übereinkommen von Paris das Ziel formuliert wurde, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu beschränken, wurden diese Emissionen jedenfalls nicht berücksichtigt.

Doch durch die von ihm ausgelöste globale Energiekrise bringt der Krieg in der Ukraine die internationalen Klimaziele auch indirekt in Gefahr. Der Konflikt hat deutlich gemacht, wie abhängig die Welt von dem Öl und Gas ist, das auch die russische Kriegsmaschinerie finanziert. Bei ihrer hektischen Suche nach Alternativen werden für viele westliche Nationen nun auch umweltschädlichere Energiequellen wieder attraktiv.

Weltspiegel 16.03.2021 | Deutschland Neurath | RWE-Kohlekraftwerk
Der Ukraine-Krieg verzögert möglicherweise den Kohleausstieg in DeutschlandBild: Ina Fassbender/AFP/Getty Images

Anstatt den Umstieg auf erneuerbare Energien voranzutreiben, plant die EU zum Beispiel, russisches Gas teilweise durch sogenanntes "Freiheitsgas" aus den USA zu ersetzen, also durch emissionsintensives, durch Fracking gewonnenes Gas. Es werden auch Befürchtungen laut, dass wir uns wieder in die fossile Brennstoff-Falle begeben, da Länder wie Deutschland zur Bewältigung der Energiekrise mehrKohle verbrennen wollen.

Ukraine-Krieg bringt Klimaziele in Gefahr

Auf dem G7-Gipfel im deutschen Elmau werden sich die Staats- und Regierungschefs der Welt endlich mit den Auswirkungen von Konflikten auf das Klima befassen müssen, sagt Axel Michaelowa, Gründungspartner der in Deutschland ansässigen Klimaberatung Perspectives Climate Group.

"Die G7 haben jetzt mit den indirekten Auswirkungen [des Krieges] auf den Energiebereich zu kämpfen", meint Michaelowa. "Sie machen es schwieriger für die G7-Staaten, die Klimaziele des Übereinkommens von Paris zu erreichen."

Michaelowa ist der Hauptautor eines Berichts, der während der Klimakonferenz Mitte Juni in Bonn veröffentlicht wurde und der die Notwendigkeit einer besseren Berichterstattung über militärische und konfliktbedingte Emissionen unterstreicht. Der Bericht zeigt, dass über die Emissionen militärischer Operationen in Kriegs- wie in Friedenszeiten nur wenig bekannt ist und dass hierfür niemand im Rahmen der UN-Klimaziele Verantwortung übernimmt.

"In Anbetracht der Tatsache, dass militärische Emissionen Hunderte von Millionen Tonnen CO2 jährlich produzieren können", so Michaelowa, müssten Staaten die direkten und indirekten Auswirkungen von Kriegen auf das Klima "transparenter angehen".

Ein Vorschlag ist die Einbeziehung aller militärischen Emissionen in eine "globale Bestandsaufnahme" der Treibhausgase, die auf der COP28-Klimakonferenz im November 2023 erhoben werden soll. Ein weiterer Vorschlag sieht die Überwachung der "hochintensiven Zerstörung von Kohlenstoffspeichern" während eines Krieges - gemeint sind beispielsweise Treibstofflager, Städte und Wälder -  durch die Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) vor, die die globalen Klimaziele verwaltet.

CO2-"Stiefelabdruck" wird nicht erfasst

Obwohl das Militär in vielen Ländern schon seit Jahrzehnten davor warnt, dass eine sich verschärfende Klimakrise in Zukunft Hauptauslöser für Konflikte sein könnte, wurde wenig unternommen, um die eigene Rolle bei der Zunahme der globalen Erwärmung durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe anzugehen.

Die Armeen der EU, zusammengenommen die zweitgrößten Streitkräfte der Welt, veröffentlichen aufgrund nationaler Sicherheitsbedenken nur einige der erzeugten Emissionen. Indirekte Emissionen, die durch die Herstellung von Militärausrüstung und Waffen entstehen, werden zum Beispiel nicht aufgenommen.

Im Jahr 2021 veröffentlichte das Conflict und Environment Observatory (CEOBS), eine gemeinnützige Stiftung mit Sitz in Großbritannien, einen Bericht, demzufolge die Emissionen des britischen Militärs allein die 2018 gemeldeten 11 Millionen Tonnen CO2 um mindestens das Dreifache übersteigen.

Die jährlichen Emissionen der US-Armee sind höher als die von Schweden oder Dänemark, wie das Watson Institute der Brown University in Rhode Island herausgefunden hat. Mit einem Ausstoß von 23,5 Millionen Tonnen CO2 im Jahr 2017 ist die Kriegsmaschinerie der USA laut einem Bericht der Royal Geographical Society einer der größten institutionellen Verbraucher von Kohlenwasserstoff.

Die Tausenden Ölquellen, die während des Golfkriegs von 1991 in Brand gesetzt wurden, machten einer Schätzung des International Institute for Applied Systems Analysis zufolge 2 bis 3 Prozent der globalen Emissionen aus. Doch die Staaten zeigen wenig Interesse, militärische Emissionen einzudämmen.

Syrien Zerstörung in Aleppo
Der Wiederaufbau zerstörter Städte wie Aleppo in Syrien wird viel CO2 erzeugenBild: Ameer Alhalbi/Getty Images/AFP

Seit kurzem ist ein Umdenken zu beobachten. Die NATO mahnt ihre Mitglieder, bis 2050 klimaneutral zu werden. Das CEOBS hat soeben einen Bericht veröffentlicht, der verdeutlicht, dass eine regelmäßige und transparente Berichterstattung über alle direkten und indirekten Emissionen unerlässlich ist, wenn die NATO ihr Netto-Null-Ziel erreichen will. Hierzu gehören auch Emissionen beim Wiederaufbau nach einem Konflikt.

Die Emissionen, die beim Wiederaufbau der Städte entstehen, die im Krieg in Syrien zerstört wurden, entsprechen den jährlichen Treibhausgasemissionen der Schweiz, verdeutlicht Michaelowa.

Ukraine-Krieg lenkt die Aufmerksamkeit auf militärische Emissionen

Der Ukraine-Krieg hat dazu geführt, dass dem Thema militärische Emissionen mehr Beachtung geschenkt wird. "Zum ersten Mal haben mich die Medien nach den Auswirkungen von Kriegen auf das Klima befragt", erzählt Doug Weir, Research and Policy Director beim Conflict and Environment Observatory, und weist darauf hin, wie der Konflikt die "Energieunsicherheit" und Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen offengelegt hat.

Weir betont, dass Militärhaushalte sich häufig auf die Sicherung der Versorgung mit fossilen Brennstoffen konzentrieren. Einem Bericht von Greenpeace zufolge gaben Italien, Spanien und Deutschland zwischen 2018 und 2021 mehr als vier Milliarden Euro für Missionen aus, die darauf ausgerichtet waren, die Öl- und Gasversorgung sicherzustellen.

Für Stuart Parkinson, Wissenschaftler bei Scientists for Global Responsibility und Experte für militärische Emissionen, stehen alle Militärausgaben mit fossilen Brennstoffen in Zusammenhang – einschließlich in der Ukraine. "Militärische Ausgaben sind CO2-intensiv, weil das Militär von fossilen Brennstoffen abhängig ist", sagt er. Vor dem Krieg entfielen 3,5 Prozent der 2,1 Billionen US-Dollar, die weltweit jährlich für das Militär ausgegeben werden, auf Russland und die Ukraine. Doch seit Beginn des Krieges hat die Ukraine allein von den USA militärische Hilfe im Wert von 19 Milliarden US-Dollar erhalten.

Russische Kalibr Rakete
Der Ukraine-Krieg hat zur Erhöhung der Militärausgaben geführtBild: Russian Defense Ministry's press service/ZUMA/picture alliance

Mindestens acht Länder wollen ihre Militärhaushalte aufgrund des Krieges erhöhen. Deutschland hat bereits Mehrausgaben in Höhe von 100 Milliarden Euro angekündigt, so Parkinson. "Der Anstieg der Militärausgaben wird sich auf den gesamten militärischen CO2-Fußabdruck auswirken, zusätzlich zu den massiven Emissionen durch den Krieg selbst."

Klimatransparenz könnte Frieden fördern

Die Vorstellung, dass Kriege um Öl geführt werden, mag nicht neu sein, doch der Klimawandel fügt der Verbindung zwischen Militär und fossilen Brennstoffen eine weitere Dimension hinzu. Sollte die verpflichtende Bilanzierung der militärischen Emissionen die Fähigkeit eines Landes, seine Klimaziele zu erreichen, ins Wanken bringen, könnte dies abschreckend wirken, sollten aggressive Handlungen in Betracht gezogen werden, so Axel Michaelowa.

Die Logik dahinter besagt, dass Maßnahmen zur Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad eine vollständige Energiewende durch erneuerbare Quellen erforderlich machen. Das bedeutet, dass weniger Geld mit dem Export fossiler Brennstoffe verdient wird, das in große Kriegsmaschinerien - und Konflikte - investiert werden kann.

"Wenn wir in einer Welt leben, die auf erneuerbarer, dezentraler Energie aufbaut, gibt es weniger Geld für diejenigen, die bei ihren Nachbarn einmarschieren wollen", fügt Michaelowa hinzu.

Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.

DW Autor l Kommentatorenfoto Stuart Braun
Stuart Braun Australischer DW-Journalist und Buchautor.