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Der Code der Düfte

Volkart Wildermuth4. Oktober 2004

Ein bestimmter Orangenduftstoff und ein Element des Schweißgeruchs unterscheiden sich nur durch eine kleine Molekülgruppe. Was passiert eigentlich im Gehirn, wenn wir riechen?

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Die Sensoren in der Nase sind außerordentlich empfindlichBild: dpa

Die Nase ist näher an unserer Psyche als Auge oder Ohr. Düfte können die Tore des Gedächtnisses aufstoßen. So beschrieb Marcel Proust, wie der Duft eines Gebäcks, eine wahre Flut von Erinnerungen an seine Kindheit herauf beschwor. Der Geruch verdorbenen Essens löst dagegen unüberwindliche Ekelgefühle aus. Und selbst der schönste Mann, die schönste Frau kann unser Herz nicht erobern, wenn wir sie nicht riechen können.

Duftantennen und Riechzellen

Wie ein Duft das Gehirn beeinflusst, das haben Richard Axel und Linda Buck bis ins molekulare Detail geklärt. Sie teilen sich den Nobelpreis für Medizin und Physiologie 2004 für ihre Arbeiten zu den Duftrezeptoren und der Organisation des Geruchssinnes. Duftrezeptoren, dass sind sozusagen die Antennen, mit denen die Riechzellen in der Nase die Geruchsstoffe wahrnehmen.

Genmanipulierter Maus und ein normaler Maus
Mäuse haben 1000 eng verwandte GeruchsgeneBild: AP

Richard Axel und Linda Buck haben Anfang der 1990er Jahre nach den Genen für diese Duftantennen gesucht. Zu ihrer Überraschung fanden sie bei der Maus über 1000 solcher Gene, die alle eng verwandt sind. Jede Riechzelle in der Nase einer Maus schaltet nur eines dieser Gene an, enthält nur eine Sorte Duftantenne und kann deshalb nur auf ein ganz enges Spektrum von Geruchsstoffen reagieren. Das konnten die beiden Neurowissenschaftler belegen, in dem sie einzelne Riechzellen verschiedenen Düften anboten und dann deren elektrische Reaktion beobachteten.

Gemeinsame Antwortmuster

Die Sensoren in der Nase sind außerordentlich empfindlich. Ein bestimmter Orangenduftstoff und ein Element des Schweißgeruches unterscheiden sich nur an einer kleinen Molekülgruppe, und doch binden sie sich an verschiedene Duftantennen und lösen ganz unterschiedliche Eindrücke aus. Es ist aber nicht so, dass jeder Duftrezeptor einen bestimmten Geruch wahrnimmt. Das geht schon rein rechnerisch nicht. Der Mensch hat deutlich weniger Duftrezeptoren als die Maus und kann doch etwa 10.000 Gerüche unterscheiden. Für die Wahrnehmung kommt es nicht auf die Aktivität eines einzelnen Duftrezeptors an, sondern auf das gemeinsame Antwortmuster aller Riechzellen.

Doppelrolle im Riechkolben

Dieses Muster ist in der Nase noch nicht zu erkennen, hier liegen die unterschiedlichen Duftantennen zufällig nebeneinander. In den Riechkolben des Gehirn dagegen herrscht eine strenge Ordnung. Hier treffen die Fortsätze von allen Riechzellen mit derselben Duftantennen in einem Nervenknoten zusammen. Auf dem Weg von der Nase in den Riechkolben müssen sich die richtigen Nervenfortsätze also zusammenfinden.

Als Spürhunde für den richtigen Fleck im Gehirn dienen den Nerven dabei wieder die Duftrezeptoren. Auch diese ungewöhnliche Doppelrolle der Duftrezeptoren als Antenne und Wegweiser haben Richard Axel und Linda Buck entdeckt. Ob Schweißgeruch oder Rosenaroma, jeder Geruch löst im Riechkolben ein anderes Aktivitätsmuster aus. Die so geordnete Duftinformation werden dann von höheren Hirnregionen interpretiert und auf schnellstem Wege an die Gedächtnis- und Gefühlszentren weitergereicht.

Die Ebene der Gene

Nobelpreis Medizin 2004 Richard Axel und Linda B. Buck
Die beiden ausgezeichneten ForscherBild: dpa

Lange galt der Geruchssinn als zu kompliziert, zu subjektiv, um wissenschaftlich analysiert zu werden. Heute beschäftigen sich viele Forscher mit dem Code der Düfte. Dank der Arbeiten von Richard Axel und Linda Buck ist es möglich, auf der Ebene der Gene und Moleküle zu verstehen, wie etwa der bloße Geruch eines Parfums die Gefühle für einen geliebten Partner auslösen kann.