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Der "Dalai Lama Wirtschafts-Effekt"

12. November 2010

Das Muster ist immer das Gleiche: Ein Politiker empfängt den Dalai Lama - Peking droht wütend mit einer Verschlechterung der bilateralen Beziehungen. Es sind keine leere Drohungen, so das Ergebnis einer Studie.

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Dalai Lama (Foto: AP)
Wie wirken sich Dalai Lama Besuche auf die Wirtschaftsbeziehungen aus?Bild: AP

Die Idee zu der Studie entstand 2008: Die beiden Wirtschaftswissenschaftler der Universität Göttingen, Nils-Hendrik Klann und Andreas Fuchs waren überrascht, wie heftig die chinesischen Reaktionen auf die pro-tibetischen Proteste während des olympischen Fackellaufs in Paris waren. Die Beziehungen zwischen Frankreich und China schienen daraufhin erheblich abzukühlen. Fuchs und Klann wollten diesen Effekt wissenschaftlich messen: Inwiefern wirkt sich der Empfang des Dalai Lama durch ein hochrangiges Regierungsmitglied negativ auf den bilateralen Handel mit China aus? Und tatsächlich fanden die Forscher heraus: Länder, die den Dalai Lama offiziell empfangen, exportieren danach deutlich weniger Güter ins Reich der Mitte. "Wir fanden heraus, dass die Position des betreffenden Regierungsmitglieds eine entscheidende Rolle spielt. Je höher der politische Rang, desto stärker der negative Effekt auf den Handel."

Der Dalai-Lama Effekt: Acht Prozent Exportrückgang

(Foto: AP)
Paris 2008: Pro-Tibet-Demos beim olympischen Fackellauf wirkten sich auf die bilateralen Beziehungen ausBild: AP

Klann und Fuchs sammelten alle verfügbaren Daten über Besuche des Dalai Lama in anderen Ländern: Wie oft reiste das geistliche Oberhaupt der Tibeter ins Ausland? Wo reiste der Dalai Lama hin? Von wem wurde er empfangen? Dann setzten die beiden Forscher diese Daten in Zusammenhang mit den Handelsbeziehungen zwischen dem jeweiligen Gastland und China. Das Ergebnis: Die China-Exporte von Ländern, deren Regierung den Dalai Lama empfangen hatte, gingen durchschnittlich um acht Prozent zurück. Dies zeige sich besonders beim Export von Maschinen und Transportmitteln, wie zum Beispiel Schiffen oder Flugzeugen.

Wissenschaftlich fundiert?

Wissenschaftlich fundierten Gründe dafür gäbe es allerdings bisher noch nicht, so Nils-Hendrik Klann.Tatsächlich hat beispielsweise Frankreich den Zorn der chinesischen Regierung schon zu spüren bekommen. Nachdem Präsident Nikolas Sarkozy den Dalai Lama im Herbst 2008 empfangen hatte, ließ China zunächst den kurz darauf folgenden EU-China-Gipfel platzen. Zudem strich eine chinesische Handelsdelegation bei ihrer Europareise Frankreich kurzerhand von der Reiseroute. Doch die chinesische Führung scheint nicht nachtragend zu sein. Die Handelsbeziehungen würden sich nämlich im Durchschnitt nach zwei Jahren wieder erholen, erklärt Klann.

(Foto: AP)
Das Medieninteresse ist immer riesig - die Gespräche mit Politikern heikel. So auch hier beim USA-Besuch im Feburar 2010Bild: AP

China nutzt seine Wirtschaftsmacht

Allerdings ließen sich negative Folgen eines Dalai Lama Empfangs erst seit dem Beginn der Regierungszeit von Hu Jintao im Jahr 2002 nachweisen, wie die Forscher in ihrer Studie zeigen. Eine Begründung dafür liefern die Wissenschaftler jedoch nicht. Nils-Hendrik Klann vermutet jedoch, dass dies im Zusammengang mit der seither wachsenden Bedeutung Chinas in der globalen Wirtschaft stehe. "Wir glauben, dass gerade der Aufstieg Chinas in den letzten Jahren dazu geführt hat, dass das Land seine Position als starker Konsument westlicher Produkte nutzen kann, um politisch Einfluss zu nehmen."

Einerseits wollen viele Regierungschefs den Dalai Lama empfangen. Schließlich sorgt ein solcher Empfang nicht zuletzt für ein positives Image in der Öffentlichkeit. Andererseits will keine Regierung der eigenen Wirtschaft schaden. So greifen manche Staatsführer in die Trickkiste: Die amerikanische Regierung unter Bill Clinton lud den Dalai Lama ins Weiße Haus ein. Ein Gespräch mit dem Präsidenten sei jedoch nicht möglich, hieß es. So sprach der Dalai Lama zunächst nur mit einem Minister. Wie durch Zufall platzte der Präsident plötzlich persönlich in das Gespräch hinein. Am Ende kam es also doch noch zu einem - inoffiziellen - Gespräch zwischen Bill Clinton und dem Dalai Lama.

Autor: Christoph Ricking

Redaktion: Danhong Zhang/ Miriam Klaussner