Diabetes
5. September 2012Etwa 2300 Schritte macht der deutsche Durchschnittsbürger jeden Tag. Das sind etwa 1,7 Kilometer. Um einiges höher ist das Pensum von Peter Schwarz: 10.000 Schritte macht der Professor täglich. Für ihn ist das eine Faustregel, um das Diabetesrisiko zu verringern.
Schwarz hat die erste und bisher europaweit einzige Professur für Prävention und Versorgung des Diabetes. Im April 2009 wurde sie am Universitätsklinikum Dresden eingerichtet und verfolgt das Ziel, die Zivilisationskrankheit ins Bewusstsein der Bürger zu bringen. Denn noch immer glauben viele: Zuckerkrankheit? Das ist doch gar nicht so schlimm. Mit diesem Missverständnis will Schwarz aufräumen, Expertise und Kompetenz in Dresden bündeln und so die Prävention verbessern.
Was passiert bei Diabetes im Körper?
Weltweit wird die Zahl der Diabetiker auf 366 Millionen geschätzt. In Deutschland sind es laut einer Studie des Robert-Koch-Instituts rund 6 Millionen Menschen, 90 Prozent leiden am sogenannten Typ-2-Diabetes, auch als Altersdiabetes bezeichnet. Was passiert bei dieser Erkrankung im Körper?
Die Bauchspeicheldrüse produziert Insulin. Diese Substanz transportiert den Blutzucker in die Zellen. "Es ist eine Art Schlüssel-Schloss-Prinzip", erklärt Stephan Schneider im Gespräch mit der Deutschen Welle. Schneider ist Chefarzt der Klinik für Diabetologie am St. Vinzenz-Hospital in Köln. "Das Insulin schließt die Zellen auf, die Zuckermoleküle können in die Zellen rein und werden dort als Energie verwertet."
Bei Übergewichtigen schafft es das eigene Insulin nicht, ausreichend viele Zuckermoleküle in die Zellen zu transportieren. Dann kreist der Zucker im Körper und wird nicht verbrannt. Und diese Zuckermoleküle, die sich an der Zelloberfläche ansammeln, wirken dann wie Gift, denn sie zerstören langsam die Zellwände. Behandelt wird der Diabetes Typ 2, indem Insulin von außen durch Spritzen zugeführt wird oder in milderen Fällen durch Insulin-Tabletten.
Der Diabetes führt zu vielen Folgeerkrankungen
Als Folge einer Diabetes-Erkrankung kann es zu Bluthochdruck kommen, zu Herzinfarkt und Schlaganfall. Unter Umständen wird Nierengewebe zerstört, die Niere arbeitet nicht mehr richtig. Im schlimmsten Fall muss der Patient an die Dialyse. Augenschädigungen gehören zu den Folgeerkrankungen, das kann sogar zur Erblindung führen. Nerven werden nicht mehr ausreichend versorgt, sterben ab, es kommt zu Gefühllosigkeit in den Händen und vor allem in den Füßen.
Diese Folgeerscheinungen kennt Reiner Wolfrum. Bei ihm sind die Nerven am Fuß stark geschädigt: "Im Frühjahr habe ich Schmerzen in meiner Ferse bekommen", erzählt der 56-Jährige. "Da stellte sich heraus, dass sie völlig bakterienverseucht war und dass man alles sofort entfernen musste. Sonst wären die Bakterien auf die Knochen übergegangen. Das hätte unter Umständen sogar die Amputation des Fußes bedeutet." Die Wunde habe einfach nicht heilen wollen, erläutert der behandelnde Arzt Stephan Schneider. Zusammen mit den Chirurgen am St. Vinzenz-Hospital hat er Reiner Wolfrum aus Muskeln und Haut eine neue Ferse geformt. Der Fuß konnte gerettet werden.
Die Menschen dazu bewegen, sich mehr zu bewegen
Hauptursachen für Diabetes sind Übergewicht, falsche Ernährung und zu wenig Bewegung. "Seit etwa 20 Jahren bewegen wir uns weniger und verbrauchen so am Tag durchschnittlich 500 bis 700 Kilokalorien weniger", so Peter Schwarz. Der Bedarf an Energie ist heute geringer, aber über die Ernährung nehmen wir mehr Energie auf als früher.
Dieses Ungleichgewicht kann Folgen haben. Es führe zu einem kleinen Bäuchlein, wie Schwarz es nennt. Und da seien dann schon vier bis fünf Kilo drin. "Der charakteristische Bierbauch hat dann vielleicht schon zehn bis fünfzehn Kilo Bauchfett", so der Mediziner weiter. "Da ist das Diabetes-Risiko ungefähr um das 80-fache erhöht."
Ein wichtiger Bestandteil bei der Therapie ist die Ernährungsumstellung. Speziell ausgebildete Beraterinnen halten Schulungen ab: Wie viele Kohlenhydrate hat welches Lebensmittel? Welcher Sport ist gut für mich? Auch Fußpflege ist ein Teil des Unterrichts. Aber die Empfehlungen auch zu beherzigen, "das kostet viel Disziplin und Geduld", meint Reiner Wolfrum.
Vorsorge ist die beste Medizin
Mit der Professur für Prävention und Vorsorge des Diabetes hat Peter Schwarz schon etwas erreichen können. So gebe es in der Europäischen Union nun eine Empfehlung für alle Mitgliedsstaaten. "Die sagt: In vier Jahren, von heute an gerechnet, müsst ihr verbindlich Präventionsprogramme in eure Versorgungsstruktur implementiert haben." Aber, so Schwarz, Programme und Konzepte seien zunächst oft nur Insellösungen, kleine Schritte eben. "Bis wir ein nationales Programm zur Prävention des Diabetes haben, müssen wir sicherlich noch einige Jahre hart arbeiten."