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Der Druck auf Venezuela wächst

Jan D. Walter2. Juni 2016

Die Organisation Amerikanischer Staaten will Venezuelas Mitgliedschaft aussetzen. Ein Ende der Krise sei damit nicht in Sicht, sagt Experte Andreas Feldmann, aber die Resolution könnte Präsident Maduro das Amt kosten.

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Venezuela Caracas Präsident Nicolas Maduro (Foto: Picture-alliance/dpa/M. Guttierrez)
Bild: picture-alliance/dpa/M. Gutierrez

DW: Herr Feldmann, Luis Almagro ist der erste Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), der sich auf die Demokratische Charta beruft, um einen Mitgliedsstaat zu suspendieren. Was kann er damit erreichen?

Feldmann: Die Tatsache, dass er der erste Generalsekretär ist, der sich auf die Charta beruft, macht seinen Schritt zunächst einmal überraschend. Aber das gibt auch einen Eindruck davon, wie besorgt Almagro über die Situation in Venezuela ist. Jetzt hat er die Mitgliedstaaten aufgefordert, Stellung zu beziehen.

Nun ist die Situation in Venezuela nicht neu. Warum hat er das nicht früher getan?

Ein Faktor ist, dass viele linke Parteien Lateinamerikas, die das sozialistische Regime in Venezuela tendenziell unterstützten, ihre letzten Wahlen verloren haben. Argentiniens neuer Präsident Mauricio Macri ist vielleicht der aktivste Kritiker von Nicolás Maduro. Mitte Mai nun ist auch Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff abgesetzt worden. Zum anderen mag Almagro aber auch befunden haben, dass das Regime in Venezuela eine bestimmte Linie überschritten hat, indem sie Beschlüsse der oppositionellen Parlamentsmehrheit unterdrückt und durch das Verfassungsgericht blockieren lässt.

"Almagro versucht, die Dinge in Venezuela ins Rollen zu bringen"

Nicolás Maduro reagierte - wenig überraschend - mit dem Vorwurf, Almagro mische sich in innere Angelegenheiten ein ("Er möge sich die Charta hinstecken, wo sie hineinpasst"). Was kann eine OAS-Resolution der Regierung anhaben?

Venezuela ist derzeit sehr abhängig von externer Hilfe. Brasilien, Chile, Argentinien und andere Länder schicken bereits Basisgüter wie Mehl, Milch und Medikamente ins Land. Eine Suspendierung der OAS-Mitgliedschaft wäre eine internationale Isolation und würde den Druck auf die Regierung erhöhen. Ich denke, Almagro versucht, die Dinge in Venezuela ins Rollen zu bringen.

Luis Almagro und Nicolas Maduro (Foto: imago Stock & People)
Nicolás Maduro und Luis Almagro als Uruguays Außenminister 2013. So herzlich ist ihr Verhältnis heute nicht mehrBild: imago stock&people

Aber eine OAS-Resolution ist zunächst einmal nicht mit Sanktionen verbunden, oder doch?

Nicht direkt. Und sie würde sicher nicht die humanitäre Hilfe beeinträchtigen. Aber sie würde die Mitgliedstaaten ermutigen, unilaterale Sanktionen gegen Regime-Angehörige zu verabschieden, zum Beispiel die Einfrierung von Vermögen, Einreiseverbote und diplomatische Isolation.

Die USA haben solche Sanktionen bereits implementiert. Warum benötigen andere Ländern die OAS dafür?

Solche Sanktionen können leicht als feindliche Akte eingestuft werden, genau das tut Maduro ja auch immer. Aber eine OAS-Resolution benötigt die Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder [der insgesamt 35 Staaten, d.R.]. Ihre Zustimmung würde solchen Maßnahmen eine viel größere Legitimität verleihen.

"Große Spannungen innerhalb der regierenden Elite"

Bisher scheint Maduro sich nicht um ausländische Meinungen zu scheren. Warum jetzt?

Es wirkt tatsächlich manchmal, als lebe Maduro in einer Parallelwelt und als würde er gar nicht mitbekommen, was wirklich vor sich geht. Aber dennoch glaube ich nicht, dass es ihm völlig egal ist. Rhetorisch wischt er jede Kritik fort, aber Maduro regiert mit einer sehr kleinen Entourage, die bereits ziemlich isoliert dasteht. Es gibt große Spannungen innerhalb der regierenden Elite und viele Auseinandersetzungen darüber, wie Maduro die Dinge handhabt - nicht nur die Krise, sondern ganz allgemein. Deshalb sollte man die symbolische Kraft einer diplomatischen Entscheidung nicht unterschätzen. Sie könnte sogar einigen Alliierten als Vorwand dienen, Maduro abzusetzen.

Aber zunächst müssten zwei Drittel der Mitgliedsstaaten dafür stimmen, und in der OAS hat jedes Land nur ein Stimme - egal ob es eine kleine Karibikinsel ist oder, wie die USA und Brasilien, ein erheblicher Teil des Kontinents. Wie wahrscheinlich ist es, dass die Resolution durchkommt?

Tatsächlich könnten einige kleinere Länder wie Nicaragua, Bolivien und Ecuador dagegen stimmen - genau wie die vielen Petrocaribe-Staaten, die lange Zeit von Venezuelas Regime unterstützt wurden und sich ihm immer noch verbunden fühlen. Deshalb ist der Ausgang sehr ungewiss.

Andreas E. Feldmann ist Assoziierter Professor des Programms für Lateinamerika- und Latinostudien sowie des Seminars für Politische Wissenschaften an der University of Illinois in Chicago (UIC).