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Kindersoldaten im Kongo

Alexander Göbel 31. Oktober 2007

Als Anführer der Hema-Miliz UPC, ist Thomas Lubanga zu zweifelhaftem Ruhm gelangt. Nun wird er noch einmal Geschichte schreiben: Als erster Angeklagter muss er sich vor dem Internationalen Strafgerichtshof verantworten.

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Kindersoldaten im Kongo, Quelle: AP
Seit einem Jahr vor dem ICC-Gericht: Thomas LubangaBild: AP

Lubanga gilt als eine der schillernden Persönlichkeiten im Ituri-Konflikt im Nordosten Kongos, wo sich die Volksgruppen der Hema und der Lendu seit Jahren bekämpfen. Zusammen mit ugandischen Soldaten hatte er 2002 die Regionalstadt Bunia in Ituri erobert. Bei den Kämpfen sollen bis 2003 mehr als 8000 Menschen getötet und mehr als 600.000 vertrieben worden sein.

11.000 Kinder

Die meisten Kämpfer in Lubangas Privatarmee waren damals kaum größer als ihr Gewehr. Etwa 11.000 Kinder unter 15 Jahren soll Lubanga rekrutiert haben. "Kadogo" heißen die Soldatenjungs. Drei von ihnen vertritt Rechtsanwalt Franck Mulenda in Den Haag. Aus Sicherheitsgründen darf er die Identität seiner Mandanten nicht preisgeben: "Als Vater kann man nur schockiert sein - denn Kinder wurden ihrer Kindheit beraubt, sie haben als Erwachsene in Miniaturform leben müssen. Stellen Sie sich vor: Ein Kind von zwölf Jahren, das töten und Bomben bauen muss - das ist grausam."

Hemmschwelle zum Töten

Auf dem Weg zur Schule oder zum Wasserholen lauerten Lubangas Milizen den Kindern auf und entführten sie. Oft zwangen sie die Minderjährigen dazu, eigene Angehörige zu ermorden, um sie zu demoralisieren und die Hemmschwelle zum Töten herabzusetzen. Viele der Mädchen, die jüngsten vielleicht zehn Jahre alt, wurden sexuell missbraucht.

Gebäude des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag, Quelle: AP
Das Gebäude des Internationalen Strafgerichtshofs in Den HaagBild: picture-alliance/ dpa

Doch all diese Gräueltaten stehen gar nicht zur Debatte. Die Anklage vor dem Internationalen Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag beschränkt sich aus strategischen Gründen auf die Beweisführung, dass Lubangas UPC tatsächlich Kinder unter 15 Jahren als Soldaten eingesetzt hat. Das ist nach dem Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofes ein Kriegsverbrechen. "Es geht um die Entführung und den Einsatz von Kindersoldaten unter 15 Jahren. Die Anklage beschränkt sich auf diesen Aspekt", erläutert Rechtsanwalt Mulenda.

Schwierige Beweislage

Es hört sich einfach an und ist doch unglaublich schwierig: Die Anklage muss beweisen, dass ein Kind damals tatsächlich ein Kind war - mangels verlässlicher Papiere fast ein Ding der Unmöglichkeit. Trotzdem ist Opferanwalt Mulenda zuversichtlich, dass Lubanga lebenslang hinter Gittern bleiben wird.

Seit kurzem hat der im März 2006 verhaftete Lubanga Gesellschaft im Gerichtsgefängnis von Den Haag: Denn dorthin wurde gerade erst Germain Katanga überstellt: Auch der frühere General der kongolesischen Regierungsarmee soll Kindersoldaten in den Kampf geschickt haben und für sexuelle Gewalt gegen Frauen verantwortlich sein. Der Prozess gegen Katanga soll im Februar beginnen, der Fall Lubanga befindet sich noch im Vorbereitungsstadium.

"Der ICC arbeitet zu langsam"

Für Mulenda dauert das alles zu lange: "Der Oberste Gerichtshof des Kongo kritisiert, wie furchtbar träge das alles läuft. Wir sagen dem Gerichtshof in Den Haag ständig, dass es schneller gehen muss. Der ICC hat so viel Geld und arbeitet doch so langsam." Paul Madidi, der die Arbeit des Internationale Strafgerichtshofes in Kinshasa koordiniert, beschwichtigt. Das Gericht sei schließlich eine neue Einrichtung, und die Mühlen der Justiz mahlten auch in Den Haag nicht schneller: "Der Fall Lubanga steht am Beginn, und die ganze Welt wird genau darauf schauen, wie der Internationale Strafgerichtshof diesen Fall behandeln wird. Für uns alle hängt viel davon ab."

Ein Haken: Keine Fälle vor 2002

Das Mandat des Gerichts begann mit seiner Einsetzung am 1. Juli 2002. Alle Verbrechen, die vor dieser Zeit begangen wurden, darf der Strafgerichtshof nicht ahnden. Mulenda sieht daher die kongolesische Justiz in der Verantwortung: "Das Statut des Gerichts kann man nicht zurückdatieren. Es ist eben eine Sache der kongolesischen Justiz, sich um die Fälle vor 2002 zu kümmern."