Der erste grüne Regierungschef
27. März 2011Im Wahlkampf hatte der 62-Jährige mit seiner bescheidenen Art gerne den früheren Ministerpräsidenten Erwin Teufel (CDU) zitiert: "Das Amt muss zum Manne kommen und nicht der Mann zum Amt." Jenseits politischer Gegensätze fühlen sich die beiden Politiker auch sonst verbunden. Wie Teufel beschäftigt sich auch Winfried Kretschmann gerne mit Philosophie und Geschichte. Die beiden Katholiken waren sogar schon gemeinsam auf einer Kreuzfahrt zu historischen Stätten unterwegs.
Mit seiner wertkonservativen Grundhaltung entspricht der Lehrer für Ethik, Biologie und Chemie so gar nicht dem typischen Bild eines Grünen. Meist tritt er im dunklen Anzug auf, trägt eine randlose Brille und einen markanten grauen Bürstenhaarschnitt. Gerade mit seinem bedächtigen, ernsthaften Wesen hat der langjährige Oppositionspolitiker auch in konservativen ländlichen Regionen Vertrauen gewonnen.
Ein Wanderer, der "jeden Felsen kennt"
Seit 36 Jahren ist Kretschmann mit einer Grundschullehrerin verheiratet. Die beiden haben drei erwachsene Kinder - zwei Söhne und eine Tochter. Er geht in der Freizeit gerne mit seiner Frau auf der Schwäbischen Alb wandern, wo er "jeden Felsen kennt". Noch heute empfindet Kretschmann nach eigenen Worten eine tiefe Liebe zur Natur, die ihn vor mehr als 30 Jahren zu den Grünen gebracht hat. Im kleinen Ort Laiz bei Sigmaringen wohnt er in einem ehemaligen Bauernhaus, gehört dem Kirchenchor und dem Schützenverein an.
Wenn Kretschmann im Landtag ans Rednerpult tritt, wird es auch auf der Regierungsseite still. Denn was er zu sagen hat, ist durchdacht, fundiert und von argumentativer Klarheit. Der scharfzüngige Redner mit der durchdringenden Stimme ergreift gerne bei Grundsatzfragen das Wort: bei Risiken der Bio- oder Gentechnik, beim islamischen Religionsunterricht oder bei der Frage, ob muslimische Lehrerinnen mit Kopftuch unterrichten dürfen.
Lange Erfahrung im Stuttgarter Landtag
Kretschmann gehörte schon der ersten grünen Parlamentsgruppe an, die 1980 in Stuttgart ins Parlament eines Flächenlandes einzog. Seither drücken die Grünen die harten Oppositionsbänke. Zeitweise sah es so aus, als würde sich das nie ändern. Dabei hätte er sich nach der Landtagswahl 2006 sogar auf eine schwarz-grüne Koalition eingelassen. Doch noch während der laufenden Gespräche mit den Grünen machte der damalige CDU-Fraktionschef Stefan Mappus dem damaligen Ministerpräsidenten Günther Oettinger (CDU) einen Strich durch die Rechnung.
In seiner studentischen Sturm- und Drangzeit hatte sich Kretschmann auch mal in maoistische Gruppen verirrt, sie aber wegen ihrer autoritären Grundhaltung bald wieder verlassen. "Vom Linksextremismus bin ich geheilt", sagte er kürzlich mit Blick auf die Linkspartei.
Autor: Edgar Neumann (dpa)
Redaktion: Frank Wörner